Nach Özil-Abrechnung: DFB-Chef Grindel gerät immer mehr unter Druck - Mehrheit für Rücktritt
Autor: Redaktion
, Dienstag, 24. Juli 2018
Bringen die Abrechnung und der Rücktritt von Mesut Özil den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel zu Fall? Mehrere Politiker fordern den Rücktritt Grindels. Auch die Mehrheit der Deutschen unterstützen diese Forderung. Fürsprecher hat Grindel nur wenige.
Reinhard Grindel sollte nach dem Skandal um die WM 2006 in Deutschland als DFB-Präsident den Verband aus der Krise führen und erneuern. In der Foto-Affäre um Mesut Özil hat den in den Sport gewechselten Politiker sein taktisches Geschick verlassen.
Als Krisenmanager war Quereinsteiger Reinhard Grindel im April 2016 zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes gekürt worden. Der 56-jährige CDU-Politiker löste Wolfgang Niersbach ab, der im Zuge des Skandals um die WM-Vergabe 2006 zurückgetreten war. Grindel sollte die Reputation des DFB wieder herstellen und für einen Neuanfang sorgen. Zwei Jahre später ist er nicht nur wegen seines fatalen Schlingerkurses in der Foto-Affäre um Mesut Özil und dessen massiven Vorwürfen stark unter Druck geraten.
Mesut Özil greift DFB und Präsident Grindel massiv an
Der zurückgetretene Nationalspieler griff Grindel massiv an. Er fühlte sich schlecht behandelt und warf dem DFB-Boss in seiner Erklärung vom Sonntag "Inkompetenz" und "Unfähigkeit" vor. Tatsächlich hat Grindel, der ehemalige Bundestagsabgeordnete, im Fall Özil Fehler gemacht und Widerspruch herausgefordert.
Erdogan-Affäre belastet DFB-Team während der WM in Russland
Kurz nach Veröffentlichung der gemeinsamen Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, twitterte er, dass sich die Fußballprofis für ein Wahlkampfmanöver hätten "missbrauchen lassen". Vor und während der WM gelingt es ihm nicht, kraft seines Amtes die durch das Schweigen von Özil verschärfte Affäre zu beenden.
Vielmehr befeuerte Grindel nach dem Vorrunden-K.o. des DFB-Team die Debatte noch, indem er vom Spielmacher des FC Arsenal eine Erklärung für die Erdogan-Fotos und sein Schweigen forderte und Druck machte: Es sei für ihn "völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte", sagte Grindel in einem Interview des "Kicker". Nachdem Özil sein Schweigen mit seiner spektakulären Erklärung brach, verzichtete Grindel jedoch auf eine persönliche Replik zu den Attacken.
An Kritik am DFB-Krisenmanagement des Özil-Falls und Grindel mangelte es nicht. Liga-Präsident Reinhard Rauball warnte schon früh, dass man das "Thema in der Tat unterschätzt" habe und machte sich Sorge über einen möglichen "dauerhaften Schaden bei beiden Sportlern." Mit scharfen Tönen kritisierte auch Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das PR-Desaster: Er sei irritiert, was man beim DFB als Krisenbewältigung verstehe, "weil mir da ein bisschen die Fußballkompetenz" fehle.
Politiker fordern Rücktritt von Grindel
Mehrere Parlamentarier, darunter die Bundestagsabgeordneten Renate Künast, Omid Nouripour (beide Grüne) und Frank Schwabe (SPD), forderten sogar den Rücktritt Grindels. Grünen-Politiker Jürgen Trittin bescheinigte der Führungsriege des Deutschen Fußballbundes im Fall Mesut Özil einen "eklatanten Mangel an Anstand und Kompetenz". Trittin sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "DFB-Präsident Reinhard Grindel und Team-Manager Oliver Bierhoff haben dabei ihr Kreisklassenniveau bewiesen". Das Foto Özils mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sei "ein schwerer Fehler" gewesen, das anschließende Krisenmanagement sei aber vor allem dem DFB anzulasten. Dass dieser nun Özil dafür "zum alleinigen Sündenbock macht, ist unterste Schublade", sagte der Ex-Minister. Damit seien Jahre der Anti-Rassismus-Kampagnen des DFB Makulatur und viele Integrationsleistungen dahin. Sportlich gesehen sei Özils Rücktritt als Nationalspieler "ein herber Verlust", betonte der Grüne.
Der CDU-Sportexperte Eberhard Gienger hat den DFB zu einem schnellen Treffen mit Fußballstar Mesut Özil aufgefordert. "Jetzt wäre es gut, wenn sich alle Beteiligten schnell treffen würden: Mesut Özil, Joachim Löw, Oliver Bierhoff, Reinhard Grindel", sagte Gienger der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). "Es sollte eine Klärung und dann hoffentlich eine Versöhnung geben, was an Schlussfolgerung gezogen und künftig verbessert werden muss." Özil habe offensichtlich keine guten Berater. "Er muss als Fußballstar nicht alles alleine machen, aber er muss sich auf seine Berater verlassen können." Özil sage, er sei unpolitisch und wolle Fußball spielen. "Dann war es weder eine kluge Entscheidung, sich mit dem türkischen Präsidenten vor der Wahl in der Türkei fotografieren zu lassen, noch dem DFB in einer politisch verfassten Rücktrittserklärung Rassismus vorzuwerfen." Vielleicht entstehe aus einem gemeinsamen Gespräch etwas Positives. Gienger: "Özil steht für eine gute Integrationspolitik in Deutschland. Es wäre wichtig, dass die Akteure dies gemeinsam hochhalten."