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Die Kapitänsbinde bei der DFB-Elf: Das Drama geht weiter - und die AfD jubelt


Autor: Alexander Kroh

Deutschland, Freitag, 24. März 2023

Ob Regenbogen, One Love oder Schwarz-Rot-Gold - die Frage nach der Kapitänsbinde der Nationalelf hat längst eine politische Dimension erreicht. Einzig beim DFB scheint das seltsamerweise niemandem bewusst zu sein. Ein Kommentar.
Joshua Kimmich wird - wie hier im Oktober 2019 - auch am Samstag gegen Peru eine schwarz-rot-goldene Kapitänsbinde tragen.


Der Deutsche Fußball-Bund und die Frage nach der Kapitänsbinde - es ist und bleibt ein Trauerspiel! Und das auch lange nach dem WM-Debakel in Katar."Basta in der Bindenfrage" und "DFB beendet Binden-Debatte", so titelte unter anderem die deutsche Presseagentur dpa am vergangenen Mittwoch.

Auch Bundestrainer Hansi Flick erklärte das leidige Thema am Rande der Kadernominierung für die anstehenden Länderspiele gegen Peru und Belgien kurzerhand für beendet. "Ich habe dazu alles gesagt", sagte der Nationalcoach. Die Mannschaft solle jetzt "einfach Fußball spielen". Ähnliche Töne waren vom neuen DFB-Sportdirektor Rudi Völler zu hören, von (Neu-)Kapitän Joshua Kimmich ("aufs Sportliche konzentrieren") oder Stürmer Niclas Füllkrug ("Fokus auf das Fußballerische legen"). 

"Basta in der Bindenfrage": DFB will Diskussion beenden - doch so einfach ist es nicht

Bei der Nationalmannschaft und dem gesamten DFB ist man sich also einig, der Binden-Drops ist gelutscht. Blöd nur: Der DFB hat das gar nicht zu entscheiden, nicht die Spieler, nicht der Bundestrainer, nicht der Sportdirektor und auch nicht der Präsident. 

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Wir erinnern uns: Eigentlich wollte das DFB-Team vor der - völlig zurecht - kritisierten WM in Katar ein Zeichen für Weltoffenheit, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und Toleranz setzen. Als Symbol sollte seinerzeit die "One Love"-Kapitänsbinde dienen, eine weiße Binde mit einem farbigen Herzen. Schon damals war das quasi ein Rückschritt, denn noch in den Qualifikationsspielen für das Turnier hatten der DFB und die Mannschaft in Person von Kapitän Manuel Neuer eine Regenbogenbinde getragen. Für die WM erschien dieses noch eindeutigere Signal aber wohl zu "krass". 

Und auch aus dem Einsatz der One Love-Binde wurde letztlich nichts, trotz scheinbar mächtiger Mitstreiter wie den Fußballverbänden aus England oder den Niederlanden. FIFA-Alleinregent Gianni Infantino ließ kurz die Muskeln spielen, drohte mit nicht weiter definierten "Sanktionen" und der DFB sowie seine Mitstreiter knickten ein. Die ganze Diskussion um die Binde ging freilich nicht spurlos vorbei an den Spielern, vielleicht spielte sie sogar eine Rolle beim sportlichen Aus - zumindest unterbewusst. Der Imageschaden für den DFB war unterdessen ebenso folgenschwer, das Ansehen der Nationalelf generell hat darunter gelitten und die deutsche Elf wurde vom Publikum im Gastgeber-Land Katar verhöhnt. 

Die Kapitänsbinde und der Fußball sind nicht unpolitisch - AfD feiert Rückkehr zur traditionellen Binde

Der Sommer 2024 wäre für den DFB die Chance auf die große Revanche gewesen - als Gastgeber der Europameisterschaft, einem Turnier, bei dem die FIFA nichts zu melden hat. Wenn das nicht DIE Gelegenheit ist, um ein Zeichen zu setzen...

Doch dazu wird es dank der "Basta"-Mentalität des DFB nicht kommen. Stattdessen läuft der DFB-Kapitän künftig wieder mit der "traditionellen" Binde auf, der schwarz-rot-goldenen. Laut DFB-Präsident Bernd Neuendorf habe man sich im Verbund für die Rückkehr zu dieser Binde entschieden. Gefeiert wird das vor allem von rechts. So lobte etwa die rechtspopulistische AfD: "Weg mit der "OneLove"-Binde, her mit Schwarz-Rot-Gold: Danke, Rudi!" Dass der DFB darauf schnell reagierte und sich gegen eine neue politische Vereinnahmung wehrte, geschenkt. Was bleibt Neuendorf auch anderes übrig? Die Deutschland-Binde solle nicht für Nationalstolz stehen, sondern für "Vielfalt und Toleranz und solche Aspekte", sagte Neuendorf.

Dass die Diskussion damit aber nicht einfach abgehakt ist, sollte auch beim DFB langsam allen bewusst werden. Denn die Kapitänsbinde und der Fußball insgesamt sind längst nicht mehr so unpolitisch, wie der DFB uns das glauben lassen mag. Dass ausgerechnet die AfD zuerst der neuen Binde applaudiert, sollte dem DFB hoffentlich zu denken geben. "Wir haben einiges gutzumachen", sagte Neuendorf. Wie recht er mit dieser Aussage hat, war ihm vielleicht gar nicht bewusst. Leider wurde die erste Chance auf Wiedergutmachung aber schon wieder vertan.