Frankreich erweitert den Ausnahmezustand über die EM hinaus und plant verschärfte Maßnahmen, um Millionen Fußballfans so gut wie möglich abzusichern.
Die Stimmung ist prächtig, noch bevor das Fußballspiel begonnen hat. Singende Anhänger stehen Schlange, um durch Sicherheitsschleusen in die "Fan-Zone" zu gelangen, in der das Match auf einer Großleinwand live übertragen wird. Doch die Ausgelassenheit ist mit einem Schlag vorbei, als drei Terroristen das Feuer eröffnen. Ein Sprengstoffgürtel explodiert. Chaos bricht aus, dutzende Verletzte schreien um Hilfe, während Eliteeinheiten der Polizei anrücken. Auch Ärzte und Krankenwagen sind schnell zur Stelle.
Es handelt sich nur um ein fiktives Katastrophen-Szenario - aber dass es während der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich eintreten könnte, lässt sich nicht ausschließen.
Deshalb werden seit Wochen in den zehn französischen Austragungsstädten Terror-Angriffe dieser Art simuliert. So können Polizei, Notärzte, Feuerwehr und Sicherheitsleute ihre Koordinations- und Reaktionsfähigkeit einüben.
Thema Sicherheit ist zentrales Thema
Spätestens seit den Pariser Anschlägen vom 13. November liegt die Hauptsorge bei dem anstehenden Turnier auf dem Thema Sicherheit für die rund 2,5 Millionen erwarteten Besucher in den Stadien und sieben Millionen in den "Fan-Zonen". Die Attentäter hatten unter anderem das Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis im Visier, wo Deutschland und Frankreich an diesem Abend ein Freundschaftsspiel austrugen. Dort finden auch der Auftakt am 10. Juni und das Finale am 10. Juli statt. Inzwischen ist bekannt, dass die Terror-Zelle während der EM erneut zuschlagen wollte.
Dennoch betonte die UEFA schnell, sie vertraue darauf, dass das Gastgeberland die "notwendigen Maßnahmen" treffe, um die Sicherheit zu gewährleisten. In Frankreich herrscht dauerhaft die höchste Sicherheitswarnstufe. Der Ausnahmezustand, der eigentlich am 26. Mai endet, soll um zwei Monate verlängert werden und auch noch während der Tour de France gelten.
Millionenbudget für verschärfte Sicherheitsmaßnahmen
"Wir haben unser Programm nicht in Frage gestellt, aber bestimmte Maßnahmen verstärkt", erklärt Ziad Khoury, bei der organisierenden "Euro 2016 SAS" für Sicherheit zuständig. So wird die Videoüberwachung in und vor den Stadien ausgebaut. Die Zahl der eingesetzten privaten Kräfte über Polizei und Gendarmerie hinaus steigt auf insgesamt 10.000.
Sie überwachen neben den Stadien auch die 24 Basislager der Mannschaften, die offiziellen Hotels und Medienzentren. In den Stadien wird eine dritte Kontroll-Etappe mit Abtasten eingeführt. Allein für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen in und vor den Stadien, für die die "Euro 2016 SAS" aufkommt, stieg das auf 34 Millionen Euro angesetzte Budget um 15 Prozent, sagte der Präsident des Organisationskomitees, Jacques Lambert.
Sportminister Kanner spricht sich für Public Viewing aus
Lange galt als umstritten, ob die räumlich eingegrenzten "Fan-Zonen" in den zehn Austragungsstädten
Paris, Saint-Denis, Lyon, Marseille, Nizza, Lille, Lens, Bordeaux, Saint-Etienne und Toulouse beibehalten werden, wo jeweils 10.000 bis 100.000 Menschen erwartet werden. Die Städte rechnen mit Kosten in Höhe von 17 Millionen Euro für die Sicherheit.
Polizeigewerkschaften zeigten sich skeptisch, da die Überwachung schwierig sei und eine zusätzliche Belastung darstelle. Doch Sportminister Patrick Kanner sprach sich für ein organisiertes Public Viewing aus, "damit die Veranstaltung so offen und festlich wie möglich bleibt". Insgesamt handele es sich um Überwachung eines neuen Ausmaßes. "Auf dem Spiel steht unser Image: Wir können solche Großereignis ernsthaft, kaltblütig und entschlossen organisieren." Frankreich hat bereits eine weitere sportliche Großveranstaltung im Blick: die Olympischen Spiele 2024. Eine gelungene Fußball-EM dient als beste Bewerbung.
von unserer Korrespondentin Birgit Holzer