Gaben kleine Männer mit spitzem Hut einem Kulmbacher Haus den Namen?

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Wie kam dieses Gebäude in der Hofer Straße zu seinem Namen "Venetianischer Stadel"? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es bis heute nicht, wohl aber drei Vermutungen. Foto: Erich Olbrich
Wie kam dieses Gebäude in der Hofer Straße zu seinem Namen "Venetianischer Stadel"? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es bis heute nicht, wohl aber drei Vermutungen. Foto: Erich Olbrich
Die Tafel mit der Aufschrift "Venetianischer Stadel". Foto: Erich Olbrich
Die Tafel mit der Aufschrift "Venetianischer Stadel". Foto: Erich Olbrich
 

Wie kam ein Haus in Kulmbach zum Namen "Venetianischer Stadel"? Eine eindeutige Antwort gibt es nicht, wohl aber drei Erklärungsversuche.

Auf alten Kulmbacher Landkarten findet sich zwischen der Blaich und Kauernburg eine Bezeichnung, die an einen Urlaub im Süden erinnert: Ein einzelnes Gebäude an der Hofer Straße, die ehemalige Gärtnerei Zuber, wird als "Venetianischer Stadel" bezeichnet. Der Hang, an dem das Gebäude mit der Hausnummer 27 steht, wird in den Urkunden auch als "Venetianische Leite" bezeichnet.

Der Begriff taucht sowohl in der Grenzbeschreibung des Hutdistrikts von 1740 als auch im historischen Ortsnamens-Buch von E. von Guttenberg aus dem Jahr 1750 auf. Vermutlich ist die Bezeichnung aber viel älter und wurde schon im Mittelalter verwendet.

Eine eindeutige Erklärung des Namens gibt es bisher nicht, wohl aber drei gut nachvollziehbare Vermutungen von bekannten Historikern.

? "Venetianer" als Bauarbeiter

In der Hausordnung der Plassenburg von 1532 wird ein Dolmetscher erwähnt. Das deutet darauf hin, dass dort damals italienische Bauleute arbeiteten. Italiener, auch "Welschen" genannt, sind am Bau der Burg für Jahrzehnte nachgewiesen, um das Jahr 1552 sogar in erheblich größerer Zahl als deutsche Maurer. Die Entlohnung für die "Welschen" war übrigens mehr als doppelt so hoch wie für die Einheimischen.

Neben dem deutschen Baumeister Hans Kopp gab es auch einen namentlich nicht genannten italienischen Meister. Man kann sich der Ansicht des ehemaligen Stadtarchivars Richard Lenker anschließen, der Venetianische Stadel sei wohl die Unterkunft der an der Plassenburg beschäftigten Italiener gewesen. Ein weiteres Indiz für diese Ansicht ist der große Sandsteinbruch oberhalb des Areals, in dem zum Beispiel für den Wiederaufbau der Stadt nach 1554 Steine gebrochen wurden.

Es ist durchaus fraglich, ob man die ausländischen Arbeiter gerne in der Stadt logieren lassen wollte. Auch dieser Gedanke könnte für den Stadel als Unterbringung sprechen.

Oder ist ein anderer Hintergrund für die Namensgebung eher zutreffend?

? Südländische Gold- und Metallsucher

Hans Edelmann versuchte, die Klärung des Namens mit dem mittelalterlichen Bergbau in Verbindung zu bringen. Möglich erschien auch ein Umschlagplatz für venezianische Waren. Wobei dieser Ort als Handelsplatz vollkommen ungeeignet ist.

Auch der frühere Stadtarchivar Wilhelm Lederer neigte zu der Ansicht, dass der Bergbau die Namensgebung beeinflusst habe. In einem Bericht aus dem Jahr 1978 stärkt er Edelmanns Vermutung. Der Reichtum an edlen Metallen führte sachkundige Fremde ins Land. Man nannte sie die "Walen" oder "Venediger". Diese suchten die deutschen Mittelgebirge nach Schätzen ab.

Sie sind seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar, seit dieser Zeit gibt es die sogenannten "Walen-Büchlein" mit Aufzeichnungen über die Fundstätten. Der Wunsiedler Bürger Siegmund Wann (gestorben 1469) hatte aus Venedig eine geborene Walin als Ehefrau mit in die Heimat gebracht, von der es hieß, dass sie in "der Alchemie hocherfahren das Silber und Gold von Zinn scheiden kund". In dieser Kunst seien die Welschen den Deutschen noch 100 Jahre später überlegen gewesen.

So weiß dann auch C. Brusch(ius), dem wir die älteste gedruckte Mitteilung über die Anwesenheit fremder Goldsucher im Fichtelgebirge verdanken, zu berichten: "Die Walen oder Venediger und andern pflegen sich zu rühmen, die Schätze und die Reichtümer, die in Deutschlands Gebirgen verborgen liegen, seien ihnen als Fremdlinge besser bekannt als uns Deutschen selbst."

Über diese Walen oder Venediger waren im Volk zahlreiche Überlieferungen im Umlauf. Oft begegnete man diesen meist kleinen Männlein mit spitzen Hüten in Wald und Flur. Es waren einfache Leute, äußerst gesellig und gutmütig.

Sie trugen die bekannten Bamberger Spitzkörbe auf dem Rücken und begaben sich ohne weiteren Aufenthalt in ihre Gruben.

Nach einigen Monaten kamen sie dann wieder aus dem Berg heraus und wanderten mit ihren wohlverdeckten und zugebundenen Körben ihrer Heimat zu. Um diese Personen ranken sich viele Geschichten und Sagen.

? Eine sagenhafte Bezeichnung?

Oder beruft sich der Name gar auf eine Sage? Die Kulmbacher Mundartdichterin Elise Gleichmann bringt in ihren oberfränkischen Volkssagen auch eine Venedigersage: "Am Fuß der Luisenburg befand sich in früherer Zeit ein alter, ausgetrockneter Graben, über den ein ziemlich breites Brücklein führte.

Man nannte es das Silberbrückla und es hieß von jeher, dass es dort nicht richtig sei. Einmal ging ein Weber an diesem Brücklein vorbei, als ihm ein Handwerksbursche in den Weg kam, der angeblich Arbeit suchte. Er fragte den Weber, ob er nicht wisse, wo hier herum das Silberbrücklein sei. ,Dieses hier ist es', entgegnete der Weber. ,Wenn dem so ist, so haltet mir einen Augenblick meinen Hut und meinen Rock!' Dann kroch der Geselle unter die Brücke und verschwand.

Es war ein Venediger, der mit dem Teufel im Bunde war und der auch den Weber verführen wollte, mitzumachen. Ein Klosterbruder, der zufällig des Weges kam, rettete den Weber."

Es ist doch eine schöne Sache, wir fliegen um die Erde, erforschen die Sonne, aber in unserer unmittelbaren Nachbarschaft gibt es noch viele kleine Geheimnisse ...