Haben intelligente Eltern auch intelligente Kinder?
Autor: Andreas Hofbauer
Deutschland, Samstag, 16. Dezember 2023
Schlaue Eltern bekommen auch intelligente Kinder: Für viele Menschen ist diese Schlussfolgerung eindeutig. Ein Verhaltensforscher und Psychologe klärt auf. Stimmt das wirklich?
- Ein Forscher erklärt, warum Genetik einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Menschen hat
- Intelligenz: Dieses Wissen kann weitere positive Effekte haben
- Genetische Intelligenz: Die DNA bestimme bereits 70 Prozent des Lebens
- Krankheiten könnten schon präventiv behandelt werden
Es ist eine uralte Überzeugung: Die Erziehung und die Umwelt formen den Charakter. Geht es nach dem Psychologen und Verhaltensforscher Robert Plomin, 71, spielen diese Einflüsse bei der Entwicklung eines Menschen nur eine untergeordnete Rolle. Viel bestimmender seien die Gene. Plomin, der unter anderem das Buch „Blueprint – How DNA makes us who we are“ verfasst hat und schon jahrelang am King‘s College in London forscht, erklärt seine Überzeugung so: "Wir wissen heute, dass mindestens 50 Prozent jeder Eigenschaft schon bei Geburt in unseren Genen liegt.“ Seiner Meinung nach seien Intelligenz, Interessen und Charaktereigenschaften das Ergebnis der genetischen Veranlagung.
Genetische Intelligenz: Die DNA bestimme bereits 70 Prozent des Lebens
Eine Erziehung mit viel Liebe, Fürsorge und Unterstützung sei dagegen lediglich das Eröffnen von „Möglichkeiten“. „Ob man diese Möglichkeiten jedoch auch wahrnimmt, das bestimmen wiederum die Gene, schildert der Psychologe in einem Interview mit dem Magazin GEO. Diese Erkenntnis hält der Verhaltensforscher für einen Durchbruch und eine regelrechte Entlastung der Eltern.
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"Es kann Eltern zerstören, wenn sie glauben für den Charakter oder sogar psychische Krankheiten ihres Kindes verantwortlich zu sein. Heute glauben etwa viele Menschen, Eltern wären dafür verantwortlich, wenn ihr Kind zu dick ist. Dabei ist der Body-Mass-Index zu etwa 70 Prozent erblich“, führt Plomin weiter aus. "Ob wir mutig sind oder musikalisch, witzig, emphatisch oder introvertiert – mindestens 50 Prozent davon liegt schon bei Geburt in unseren Genen", erklärt der Wissenschaftler.
Eine weitere Annahme des Forschers: Intelligente Eltern haben im Durchschnitt weniger intelligente Kinder. Weniger intelligente Eltern dafür intelligentere Kinder. „Manchmal schlägt das Pendel sogar ins Gegenteil aus. Das können Sie bei Wunderkindern beobachten: Die haben oft nur durchschnittlich intelligente Eltern. Das ist eine wichtige Botschaft: Es gibt keine genetischen Kasten“.
"Genforschung macht das Leben besser", sagt der Verhaltensforscher Plomin
Auf die Frage, warum denn bislang nur rund elf Prozent des schulischen Erfolgs mithilfe der Erkenntnisse des Forschers erklärbar seien, entgegnete er, dass die Forschenden bislang „eben nur einen Bruchteil von Genkombinationen gefunden haben, die für Charaktereigenschaften verantwortlich sind“. Das widerlege aber nicht seine Annahme. Auch die Vorwürfe seiner Kritiker, sein Buch erinnere stark an rassistische Vererbungslehren, wie beispielsweise die „Rassenlehre“ aus dem „Dritten Reich“, hält Plomin für aus der Luft gegriffen. „Das sind die klassischen Vorwürfe von Journalisten oder von Akademikern, bei denen die Kritik zum guten Ton dazugehört. Ein schlechter Mensch braucht nicht meine Erkenntnisse, um ein totalitäres System aufzubauen.“
Buchtipp: Der Ernährungskompass - Bestseller jetzt bei Amazon anschauenGenerell sei sein Buch für Menschen verfasst, die sich fragen, was sie zu dem Menschen macht, der sie sind. Es gebe etwa „Menschen, die jahrelang zur Psychotherapie gegangen sind und in ihrer Vergangenheit nach Ursachen für ihre Depressionen gesucht haben“, obwohl diese Krankheit genetisch bestimmt sei. Dadurch wüssten Psychotherapeuten das der Blick nach vorne viel wichtiger sei, als der Blick in die Vergangenheit.