Unbenutzte, aber trotzdem reservierte Liegen am Hotelpool sind ein Ärgernis. Pauschalurlauber müssen das aber nicht klaglos hinnehmen. Sie können zumindest einen Teil ihres gezahlten Geldes zurückverlangen, das hat jetzt ein Gericht entschieden.
Wer kennt es nicht: Am Hotelpool sind alle Liegen mit Handtüchern belegt, obwohl die meisten Gäste noch schlafen oder beim Frühstück sitzen. Eine Pauschalreise kann mangelhaft sein, wenn der Reiseveranstalter in einer Hotelanlage nur wenige Pool-Liegen zur Verfügung stellt.
Gleiches gilt, wenn das Management der Herberge nicht einschreitet, wenn andere Reisegäste die Pool-Liegen frühmorgens mit einem Handtuch reservieren, ohne sie tatsächlich zu nutzen. Dies hat das Amtsgericht (AG) Hannover entschieden. Wir stellen das bemerkenswerte Urteil vor.
Alle 500 Pool-Liegen waren schon frühmorgens reserviert
Der Kläger vor dem AG Hannover buchte für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Rhodos zum Preis von insgesamt 5.260 Euro. Das Hotel verfügte über sechs Swimmingpools und etwa 500 Pool-Liegen. Nach den angezeigten und für alle Gäste zugänglichen Verhaltensregeln war es den Badegästen untersagt, Pool-Liegen für mehr als 30 Minuten zu reservieren, ohne sie zu nutzen.
Die Praxis war jedoch eine andere: Tatsächlich war es so, dass Badegäste die Pool-Liegen auch länger mit ihren Handtüchern reservierten. Leitung und Personal des Hotels unternahmen nichts dagegen.
Die deutschen Urlauber hielten sich an die vorgegebenen Verhaltensregeln. Die Familie rügten mehrfach gegenüber dem Hotelpersonal, dass ihnen deswegen keine Liegen zur Verfügung standen. Darin sahen die Pauschalreisenden einen Mangel und forderten vom Veranstalter einen Teil des Reisepreises (798 Euro) zurück.
Handtuchreservierung: Typisch deutsch?
Ist das wirklich ein typisches deutsches Verhaltensmuster? Frühmorgens im Urlaub aufstehen und vorzugsweise mit einem Handtuch am Strand oder Pool die besten Liegen zu reservieren? Ist an diesem Klischee wirklich etwas dran? Das fragt die französische Hotelkette Accor mit weltweit rund 5.300 Hotels in 110 Ländern auf ihrer Internetseite.
Wissenschaftler wie Alexis Papathanassis, Professor für Seetouristik und Touristik an der Hochschule Bremerhaven, verweisen gerne auf Urinstinkte, Reviermarkierung und Territorialverhalten als biologische Rechtfertigung für die beliebte Unsitte. Einer Umfrage der Swiss International Air Lines zufolge hat jeder achte Deutsche schon mal im Urlaub eine Liege reserviert, berichtet Accor. Was diese Fakten erträglicher macht: Wir sind nicht allein. Die Briten, und somit gerade die Nation, die sich mit Vorliebe über die deutsche "beach towel brigade" lustig macht, sind ebenfalls erbitterte Akteure im Handtuchkrieg. Als Unsitte gilt es, Liegen zu reservieren. Was aber nicht heißt, dass immer hart dagegen vorgegangen wird.
Es gibt für die Reservierung von Liegen keine einheitliche Regelung. Ob es toleriert wird, hängt vom jeweiligen Hotel oder Resort ab. "Während in manchen Hotels sogar das Personal die Reservierung übernimmt, landen in anderen Hotels die vorsorglich ausgebreiteten Handtücher allesamt im Pool", schreibt Accor.
Alles nur ein friedliches Wettrennen?
Der Reiseveranstalter wies die Forderung der Urlauberfamilie auf Rhodos zurück. Er war der Auffassung, dass es sich um ein friedliches Wettrennen um die begehrten Plätze am Pool mit dem besseren Ende für den sprichwörtlichen "frühen Vogel" gehandelt habe. Ein Reisemangel könne er nicht erkennen. Möglicherweise hätten sich nur der Kläger und seine Familie an die Pool-Regeln gehalten, obwohl sie nicht mit Sanktionen hätten rechnen müssen, wenn der Kläger abends oder seine Lebensgefährtin morgens zum Sonnenaufgang sein Handtuch auf eine Liege gelegt hätte.
Das Amtsgericht (AG) Hannover gab dem Kläger teilweise recht (Urteil: AG vom 20.12.2023, Az.: 553 C 5141/23). Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger einen Betrag von 322,77 Euro zugesprochen. Dabei hat das Gericht angenommen, dass der Reiseveranstalter nicht gehalten ist, jedem Hotelgast eine Liege zur Verfügung zu stellen. Die Zahl der Liegen müssen aber in einem angemessenen Verhältnis zur Auslastung des Hotels stehen.
Ein Hotel auf Teneriffa hat extra einen "Pool-Sheriff" im Einsatz, wie es in einem Video auf TikTok zeigt: Der räumt die reservierten Sonnenliegen morgens wieder leer, weil Reservierungen vor zehn Uhr in der Anlage verboten sind. Das Hotel reagierte damit auf das Video einer Urlauberin, die eine Aufräumaktion dort gefilmt hatte. "Klasse, ich habe so die Nase voll von Leuten, die die Regeln missachten und niemand unternimmt etwas!", schrieb jemand zum Video der Urlauberin, berichtet das Online-Reisemagazin Travelbook.
Strenges Gericht: Pool-Liegen sind zu kontrollieren
Und so argumentiert das Gericht weiter: Der Reiseveranstalter sei zum Handeln verpflichtet, wenn zwar genügend Liegen zur Verfügung stünden, diese für die Reisenden faktisch aber nicht nutzbar sind. Zum Beispiel, weil andere Hotelgäste gegen die offiziellen Verhaltensregeln verstoßen und die Pool-Liegen mit eigenen Handtüchern reservieren, ohne sie zu nutzen.
Es sei in diesem Zusammenhang auch nicht Sache der Reisenden, selbst für Abhilfe zu sorgen, indem sie entweder fremde Handtücher eigenmächtig entfernen oder ihrerseits entgegen den Verhaltensregeln Liegen reservieren. Dies sei unzumutbar, da Streitigkeiten mit anderen Hotelgästen zu befürchten seien, auf die sich kein Reisender einlassen müsse.
Das Gericht ist im Streitfall durch die Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Kläger und seiner Familie mit Ausnahme des letzten Tages nicht möglich gewesen sei, nach dem Frühstück ab etwa neun Uhr Pool-Liegen zu nutzen. Diese waren entweder belegt, durch Handtücher anderer Badegäste "reserviert" oder aber defekt. Das Gericht hat deshalb eine Reisepreisminderung von 15 % des Tagesreisepreises der ab der erstmaligen Rüge des Klägers betroffenen Tage angenommen.
Lösung naht?
Einige Reiseveranstalter haben inzwischen aus der Not eine Tugend gemacht. Um den "Handtuchkrieg" in geordnete Bahnen zu lenken, bieten sie an, vor Reisebeginn eine Liege online zu reservieren. Und noch ein Trost: Der Trend, Liegen mit dem Handtuch zu reservieren, ist rückläufig. In vielen Hotels mit Pool gilt diese Angewohnheit mittlerweile als hoffnungslos spießig. Übrigens genauso wie das Tragen von Sandalen mit Socken und kurzer Hose. Aber das sind ja schon länger ein No-Go.
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