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Mallorca: Gastronomen in der Krise - sind deutsche "Brötchen-Urlauber" Schuld?


Autor: Stefan Lutter

Deutschland, Montag, 11. August 2025

Mallorcas Strände sind voll, aber die Restaurants bleiben leer. Eine neue Art von Touristen verändert die Insel nachhaltig.
"Bocadillo-Touristen" gefährden Mallorcas Restaurants: Statt in Restaurants zu essen, greifen Urlauber zu günstigen Alternativen wie belegten Brötchen aus dem Supermarkt (Bocadillo = Sandwich) oder selbst mitgebrachten Snacks.


Mallorca erlebt eine paradoxe Hochsaison 2025: Die Strände sind überfüllt, doch in den Restaurants bleibt es leer. Schuld daran sind die sogenannten "Brötchen-Urlauber", die lieber zu Snacks aus dem Supermarkt greifen, statt die mallorquinische Küche zu probieren. Die steigenden Kosten für Flüge und Unterkünfte zwingen viele Touristen zum Sparen – und die Gastronomie zahlt den Preis.

Mit dramatischen Rückgängen bei den Gästezahlen und Umsatzeinbrüchen kämpfen hunderte Lokale ums Überleben. Besonders betroffen sind Hotspots wie Port d'Alcúdia und der Paseo Marítimo in Palma. Warum die Krise so tiefgreifend ist und wie sie die Insel verändert, erfährst du hier.

"Bocadillo-Touristen" gefährden Mallorcas Restaurants

Die aktuelle Gastronomie-Krise auf der Lieblingsinsel der Deutschen ist tief in den Veränderungen des Reiseverhaltens und gestiegenen Betriebskosten verwurzelt - und könnte die gastronomische Landschaft der Insel nachhaltig verändern. Zwei zentrale Phänomene dominieren die Diskussion: die "Bocadillo-Touristen" und die paradoxe Situation leerer Tische trotz überfüllter Strände.

Den Begriff der "Bocadillo-Touristen"  hat Juanmi Ferrer, Präsident des gastronomischen Unternehmerverbands CAEB (Confederación de Asociaciones Empresariales de Baleares), im Gespräch mit dem Mallorca-Magazin geprägt. Er steht symbolisch für einen neuen Spartrend: Statt in Restaurants zu essen, greifen sie zu günstigen Alternativen wie belegten Brötchen aus dem Supermarkt (Bocadillo = Sandwich) oder selbst mitgebrachten Snacks.

Passenderweise stellt die deutschsprachige Wochenzeitung, die sich auf Nachrichten, Reportagen und Informationen rund um Mallorca und die Balearen spezialisiert hat, in ihrem Artikel zur Restaurant-Flaute die Eingangsfrage: "Gehen die Deutschen im Urlaub nicht mehr essen?"

Eine neue Art des Sparens: "Brötchen-Urlauber" 

Diese Veränderung resultiert aus den stark gestiegenen Kosten für Flüge und Unterkünfte, die einen Großteil des Budgets aufzehren. Für viele bleibt kaum noch Geld übrig, um die lokale Gastronomie zu unterstützen. Die Folge: Restaurants, die einst ein fester Bestandteil des Urlaubserlebnisses waren, werden ignoriert. Ferrer:  "Die Urlauber haben zwar dasselbe Budget wie früher, aber Flüge und Hotels sind teurer geworden. Also sparen sie beim Essen: weniger Gerichte, kein Wein, keine Extras."

Die Auswirkungen beschreibt der Gastro-Präsident als verheerend. Der Umsatz pro Tisch sei um bis zu zwölf Prozent eingebrochen, da Gäste weniger bestellen oder ganz auf einen Besuch verzichten. Besonders betroffen sind mittelpreisige Restaurants, die auf Familien und Paare angewiesen waren. Diese Betriebe stehen vor der existenziellen Frage, ob sie ihre Preise weiter senken können oder schließen müssen. Für viele sei die zweite Option unvermeidbar, erklärt Ferrer, der bereits kürzlich verkündet hatte, dass "in diesem Jahr Hunderte von Restaurants schließen" müssten - und diese Aussage nun wiederholte ("Der Sommer ist miserabel").

Wenn dieser Trend anhält, könnte die gastronomische Vielfalt der Insel erheblich geschwächt werden. Ferrer verdeutlicht: "Für viele Gastronomen ist die Lage inzwischen verzweifelt". Kleine, familiengeführte Restaurants, die authentische mallorquinische Gerichte anbieten, könnten von Fast-Food-Ketten verdrängt werden. Dies wäre nicht nur ein Verlust für die lokale Kultur, sondern auch für die Touristen, die eine authentische Erfahrung suchen. Der Wandel hin zu einer "Fast-Food-Insel" könnte langfristig das Image Mallorcas als Genussziel beschädigen.

Leere Tische trotz voller Strände: Urlaub für Restaurant-Personal

Die Krise wird besonders deutlich in beliebten Touristenorten wie Port de Sóller, Sant Elm und Port d'Alcúdia. Während diese Regionen in der Vergangenheit für ihre ausgebuchten Lokale bekannt waren, sind die Gästezahlen um bis zu 40 Prozent zurückgegangen. Auch Palma, die Inselhauptstadt, verzeichnet einen Rückgang um rund 20 Prozent in ihrem gastronomischen Zentrum, dem Paseo Marítimo. Diese Zahlen sind umso alarmierender, da die Strände und Hotels weiterhin gut besucht sind.

Eine der außergewöhnlichsten Entwicklungen ist, dass einige Restaurants ihrem Personal mitten in der Hochsaison Urlaub gewähren. Dieses Szenario, das in früheren Jahren undenkbar gewesen wäre, zeigt, wie tief die Krise bereits reicht. Selbst in der umsatzstärksten Zeit des Jahres können viele Betriebe ihre Fixkosten nicht mehr decken. Dies wird durch gestiegene Betriebskosten wie höhere Mieten, teurere Lebensmittel und neue Tarifverträge mit höheren Löhnen zusätzlich verschärft.

Die Situation verdeutlicht, wie sehr sich das Konsumverhalten der Touristen verändert hat. Während früher ein Restaurantbesuch als fester Bestandteil des Urlaubs galt, wird er heute oft als entbehrlicher Luxus betrachtet. Die Gastronomie, ein wesentlicher Pfeiler der mallorquinischen Wirtschaft, steht dadurch unter immensem Druck. Ohne grundlegende Änderungen droht vielen Betrieben das Aus – mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Insel.

Fehlstart in die Saison: Wetter und Sparzwang

Die Krise begann schon mit einem schlechten Start in die Saison. Der Mai, normalerweise der Beginn des Sommergeschäfts, war geprägt von Regen und kühlen Temperaturen, die viele Urlauber fernhielten. Auch im Juni und Juli blieb der erhoffte Aufwärtstrend aus. Besonders betroffen sind Touristenhochburgen wie Port de Sóller, wo früher ausgebuchte Restaurants heute nur noch zu 60 Prozent belegt sind. "Mittags herrscht in vielen Restaurants gähnende Leere. Abends ist zwar etwas mehr los, aber mit früheren Jahren ist das nicht zu vergleichen", erklärt Gastro-Verbandschef Ferrer. Die Gästezahlen sind im Schnitt um fünf bis sechs Prozent gesunken.

Neben dem Wetter und den "Bocadillo-Touristen" verschärfen auch die Anti-Touristen-Proteste die Situation: Im März veröffentlichten mehrere Organisationen auf Mallorca einen Brandbrief, der Touristen aufforderte, die Insel zu meiden. Die Proteste richten sich gegen die Überfüllung und die Konsequenzen für die Lebensqualität der Einheimischen. Im Juni fand in Palma eine große Protestaktion statt, bei der steigende Mieten und die Überbeanspruchung lokaler Ressourcen thematisiert wurden. Organisiert wurde die Demonstration von Gruppen wie "Menys Turisme, Més Vida", die sich für nachhaltige Lösungen einsetzen.

Mit Spruchbändern wie "Euer Luxus, unser Elend" prangern Demonstranten die sozialen und ökologischen Folgen des Tourismus an. Die "Weltspiegel Doku: Wer rettet Mallorca?" beleuchtet die komplexen Hintergründe dieser Problematik, die die Inselbewohner belastet.

Chance für Veränderung

Die Krise könnte jedoch auch eine Chance für Veränderung sein. Einige Gastronomen setzen bereits auf innovative Konzepte, um neue Zielgruppen zu erreichen. Authentische Gerichte aus regionalen Zutaten, erschwingliche Preise und ein Fokus auf Nachhaltigkeit könnten helfen, das Vertrauen der Gäste zurückzugewinnen. 

Ein Restaurant auf Mallorca verlangt zwei Euro, wenn Gäste keine Vorspeise bestellen. Diese Praxis sorgt für Empörung und Diskussionen unter Touristen und Einheimischen gleichermaßen.

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