Als der 3. Weltkrieg drohte: Aufrüsten während der Kuba-Krise - hat man aus der Geschichte gelernt?
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Samstag, 21. Mai 2022
Als Fidel Castro seine Macht gefestigt hatte, drohte einst der 3. Weltkrieg. Denn mit der Stationierung der sowjetischen Atomraketen sah es so aus, als wenn er den Bogen überspannt hätte.
- Wie kam es zur Kuba-Krise
- Was hatte die Berliner Mauer damit zu tun?
- Wie konnte die Krise überwunden werden?
- Was bedeutete das für die weitere Zukunft?
- Wie sieht es heute auf Kuba aus?
Castro hatte ab 1959 die Macht auf Kuba. Die Invasion und seine Entmachtung waren verhindert worden. Mit der Sowjetunion an der Seite Kubas waren neue Machtverhältnisse geschaffen worden, was den Amerikanern das Leben schwer machte. Und beinahe wäre die Welt in den Abgrund gestürzt. Wie kam es zu den verhängnisvollen Tagen und wie konnte man die Krise bewältigen? Wie entwickelte sich Kuba danach und wie sieht es heute dort aus?
Die Kuba-Krise - Vorgeschichte
Castro saß fest im Sattel (So kam Fidel Castro an die Macht - ein Rückblick). Die USA hatten mit der von ihr initiierten Invasion genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie vorgehabt hatten. Sie hatten die Situation sogar noch verschlimmert, denn Kuba war noch näher an die Sowjetunion gerückt. Der Kommunismus stand quasi vor der Haustür. Und dann kam der Tag, als die Vereinigten Staaten aufgeschreckt wurden: Ein Spionageflugzeug entdeckte sowjetische Atomraketen auf Kuba. Plötzlich waren die Vereinigten Staaten nur Minuten Flugzeit von der atomaren Apokalypse entfernt. Doch warum hatte Castro die Stationierung zugelassen?
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1962. Die atomare Aufrüstung in Ost und West beschleunigte sich immer weiter. In Berlin standen sich Truppen der USA und der Sowjetunion gegenüber. Am 13. August 1961 hatte man den Bau der Berliner Mauer begonnen, der Osten schottete sich ab. Willy Brandt, damals Bürgermeister von West-Berlin, forderte Kennedy in einem Brief zum Handeln auf. Doch Kennedy lehnte alle Vorschläge Brandts als unangemessen ab. Am 25. Oktober 1961 eskalierte die Situation, als DDR-Grenzposten versuchten, Repräsentanten der Westalliierten zu kontrollieren, die in den sowjetischen Sektor unterwegs waren. Dies wurde von den Amerikanern als Verstoß gegen das alliierte Recht auf ungehinderte Bewegungsfreiheit angesehen. Amerikanische Panzer fuhren am Checkpoint Charlie auf, ihnen direkt gegenüber standen sowjetische Panzer. Jedem war klar, ein Funke hätte genügt, um die Welt in den Krieg zu stürzen. Nur durch eine diplomatische Initiative von Präsident Kennedy bestätigte das sowjetische Staatsoberhaupt Nikita Chruschtschow den Vier-Mächte-Status für Berlin, die Panzer kehrten in ihre Kasernen zurück. Chruschtschow sah in Kennedy einen schwachen Präsidenten, der für Berlin keinen Krieg, ob mit oder ohne Atomwaffen, riskieren würde.
Während des Kalten Krieges schien die Devise zu lauten: Wer zuerst schießt, der stirbt als Zweites. Im Falle eines Angriffs mit Atomwaffen hätte die Gegenseite noch genug Zeit, die eigenen Waffen abzuschießen, bevor die Raketen einschlugen. Daher war es das Bestreben, die Zeit zwischen Abschuss und Einschlag möglichst zu verkürzen, um dem Gegner die Möglichkeit des Gegenschlages zu nehmen. Und dazu mussten die Raketen möglichst nahe an der Grenze stationiert werden. Die USA hatten bereits seit 1953 Atomwaffen in der Bundesrepublik Deutschland stationiert, die Sowjetunion folgte 1959 mit der Stationierung in der DDR. Der Nachteil für die Sowjetunion: Während die mögliche Flugzeit auf ihr Territorium verkürzt wurde, war es für sie nicht möglich, schnell die USA selber zu bombardieren. Chruschtschow brauchte daher eine Basis, die möglichst nahe an den Vereinigten Staaten lag. Zwar hätte man Europa in Schutt und Asche legen können, aber die Masse der US-Amerikanischen Raketen nicht vernichtet. Inzwischen hatten die USA weitere Mittelstreckenraketen in England, Italien und der Türkei stationiert. Damit stieg in den Augen der Sowjetstrategen die Gefahr eines nuklearen Enthauptungsschlages massiv an. Noch dazu, wo die Sojwets der Bedrohung durch die mit Polaris-Atomraketen bestückten U-Boote der Amerikaner nichts entgegenzusetzen hatten. Nach dem Bündnis mit Fidel Castro hatte Chruschtschow aber die Möglichkeit, die USA direkt und massiv zu bedrohen.
Atomraketen auf Kuba - Am Rande des Abgrundes
Seit Mitte der 1950er Jahre verfügte Amerika über ein hochmodernes Spionageflugzeug, die U2. Da dieses Flugzeug in einer Höhe von 20000 Metern operierte, galt es als sicher, dass weder Raketen noch Düsenjäger diese Maschine erreichen konnten. Hoch entwickelte Kameratechnik machte es möglich, Informationen zu sammeln, welche dann später ausgewertet wurden. Doch 1960 gelang es der UDSSR mittels einer neu entwickelten Rakete ein solches Flugzeug in ihrem Luftraum zu zerstören, der Pilot wurde gefangen. Damit war eines der am besten gehüteten Geheimnisse der USA gelüftet. Allerdings stellte man die Flüge nicht ein. Es war zu dieser Zeit das einzige Mittel, um an Informationen zu gelangen. Während zweier Aufklärungsflüge über Kuba am 5. und 29. August wurden Bilder von sowjetischen Luftabwehrraketen aufgenommen. Am 14. Oktober fand ein weiterer Flug statt und die Entdeckungen alarmierten die USA. Eindeutig waren Techniker und Soldaten zu erkennen, die Startrampen für sowjetische Mittelstreckenraketen vom Typ SS-4 und SS-5 in der Nähe von San Cristóbal aufbauten.
Chruschtschow hatte geschickt die Möglichkeit genutzt, die das Schweinebucht-Desaster bot. Mit der Begründung, Kuba gegen eine Invasion durch die USA zu unterstützen, ließ er mit der sowjetischen Marine und Handelsflotte über 42000 Soldaten und 230000 Tonnen Ausrüstung nach Kuba verschiffen, darunter auch 40 R-12 und 24 R-14 Mittelstreckenraketen mit den dazugehörenden Atomsprengköpfen, mit jeweils 0,65 bzw. 1,65 Megatonnen Sprengkraft. Zum Vergleich: Die über Nagasaki abgeworfene Bombe hatte eine Sprengkraft von 0,024 Megatonnen. Mit der Stationierung waren die USA jetzt in der vergleichbar ungünstigen Lage wie vorher die UDSSR. Amerika lag nun in Reichweite von Raketen, die nur noch eine äußerst geringe Vorwarnzeit hatten, ähnlich wie die UDSSR durch die Raketen in der Türkei bedroht waren. Präsident Kennedy berief am 16. Oktober einen Beraterstab ein, um die Möglichkeiten zu erörtern: Hinnehmen der Stationierung oder aber Luftangriffe und die folgende Invasion Kubas. Weitere Aufklärungsflüge zeigten die Existenz von 16 bis 32 Atomraketen mit einer Reichweite von bis zu 4500 Kilometern, was die Nervosität innerhalb des Beraterstabes noch vergrößerte und zu massiven Kontroversen führte. Air-Force-General Curtis E. LeMay drängte auf Luftangriffe, Justizminister Robert. F. Kennedy hingegen setzte sich für eine Seeblockade ein, die dann auch angeordnet wurde.