Später in Rente? Ökonomen warnen vor "tickender Zeitbombe"
Autor: Ellen Schneider, Agentur dpa
Deutschland, Mittwoch, 10. Sept. 2025
Wie kann es mit unserem Rentensystem weitergehen? Die Berater von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche werden deutlich - und sehen eine Maßnahme als unvermeidbar.
"Wir müssen mehr und länger arbeiten": Mit dieser Aussage sorgte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor einigen Wochen für viel Kritik. Christian Bäumler, Bundesvize des CDU-Sozialflügels (CDA) bezeichnete sie im Anschluss gar als "Fehlbesetzung", auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) lehnte die Pläne strikt ab. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stieß vor allem die Forderung nach der Abschaffung der Rente mit 63 ungut auf.
Reiche reagierte daraufhin mit dem Einberufen eines wissenschaftlichen Beraterkreises. "Deutschlands Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Um Wachstumskräfte zu revitalisieren und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, braucht es entschlossene Reformen im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft", wird sie in einer Mitteilung ihres Ministeriums zitiert. Die vier erwählten Wissenschaftler soll sie dabei künftig unterstützen - und finden deutliche Worte.
Berater von Katherina Reiche fordern ebenfalls Anhebung des Rentenalters
"Ohne eine entschlossene Reformagenda droht die Rentenversicherung zu einer zunehmenden Belastung des Bundeshaushalts zu werden – und zur tickenden Zeitbombe für die Generationengerechtigkeit", warnen die Berater, zu denen auch "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm gehört. Werde das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten, müsse mit einem drastischen Anstieg der Kosten gerechnet werden. Mehr als 90 Milliarden Euro müssten zusätzlich aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden.
Die Berater drängen daher auf eine rasche Anhebung des Rentenalters in Deutschland. "Eine weitere Anhebung des Rentenalters müsste jetzt auf den Weg gebracht werden", heißt es in einem neuen Impulspapier des Beraterkreises für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik.
"Die steigende Lebenserwartung bedeutet, dass ohne eine Anpassung des Renteneintrittsalters nicht nur die Rentenbezugsdauer immer mehr zunimmt, sondern auch die Jahre als Rentner bei guter Gesundheit", so die Ökonomen. "Deshalb sollte das Renteneintrittsalter angepasst werden." Konkret schlagen sie vor, dass künftig zwei Drittel der gewonnenen Lebenszeit auf die Erwerbsphase entfallen, ein Drittel auf den Ruhestand. Noch vor wenigen Wochen hatte Reiche jedoch gesagt: "Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen."
Renten-Plan der Regierung eine "Verzögerungstaktik"?
"Ausgehend von den mittleren Annahmen des Statistischen Bundesamtes würde das bedeuten: Ab 2031 – wenn die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre abgeschlossen ist – müsste das Rentenalter etwa alle zehn Jahre um ein halbes Jahr steigen", schreiben Reiches Berater nun. Die Grenze von 69 Jahren wäre demnach "erst Anfang der 2070er Jahre" erreicht.
Die Wirtschaftsexpertinnen und -experten sprechen sich für eine automatische Kopplung des Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung als "die konsequenteste Lösung" aus. Dabei fordern sie Tempo: "Eine weitere Anhebung des Rentenalters müsste jetzt auf den Weg gebracht werden." Wenn die Politik damit bis zur nächsten Legislaturperiode wartet, bleibt kaum Zeit für eine faire und rechtzeitige Umsetzung. "Die derzeitige Verzögerungstaktik lässt das Zeitfenster für eine sozialverträgliche Anpassung zunehmend kleiner werden."