Druckartikel: Rente: Forderung "absurd" - im Ruhestand die Pflegekosten selbst tragen

Rente: Forderung "absurd" - im Ruhestand die Pflegekosten selbst tragen


Autor: Dominik Jahn

, Montag, 28. Oktober 2024

Die Finanzierung der Pflegeversicherung steht auf der Kippe. Der Sozialverband Deutschland hat gegenüber inFranken.de auf Forderungen der private Krankenversicherung (PKV) reagiert.


An den verschiedensten Stellen drohen für die Menschen in Deutschland die Kosten weiter zu steigen. So wird heftig über das Rentenpaket 2 diskutiert und die sich dadurch verändernden Beiträge für die Rentenversicherung. Zuletzt hatte dann noch Gesundheitsminister Karl Lauterbach darauf hingewiesen, dass die Finanzierung der Pflegeversicherung durchaus gefährdet sei. 

Die Lösung für einige Experten: Die Senioren sollten in der Rente ihre Kosten für die Pflege selbst tragen. Ähnlich deutlich, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf die Reform-Kritik reagiert hat, hat sich gegenüber inFranken.de der Sozialverband Deutschland (SoVD) zu der Pflege-Forderung geäußert.

In der Rente die Pflegekosten selber tragen – laut Gutachten möglich

Ein von der private Krankenversicherung (PKV) in Auftrag gegebenes und vom Institut der deutschen Wirtschaft durchgeführtes Gutachten, hat beim Vorsitzenden des PKV-Verbands, Thomas Brahm, zu folgender Erkenntnis geführt: "Allen Unkenrufen zum Trotz kann die große Mehrheit der Menschen die Pflegekosten im Alter eigenverantwortlich tragen." 

Und Brahm fordert: "Diese Tatsache sollte die Politik nutzen, um die Pflegeversicherung jetzt auf ein nachhaltig finanziertes und generationengerechtes Fundament zu stellen."

Das Gutachten: Mehr als 70 Prozent der Haushalte im Rentenalter in Deutschland könnten sich eine stationäre Pflege über mehrere Jahre leisten. Demnach verfügen Haushalte ab 66 Jahren in Deutschland im Schnitt über ein Nettovermögen von knapp 320.000 Euro (Immobilienvermögen eingerechnet). Darum könne man es laut den Autoren des Gutachtens den Haushalten auch zumuten, Vermögen zur Finanzierung potenzieller Pflegekosten einzusetzen und nicht die Kosten der Heimpflege pauschal zu subventionieren, "und nicht die Kosten der Heimpflege pauschal zu subventionieren, wie es derzeit durch den Leistungszuschlag geschieht".

Pflege in Rente selbst zahlen – "Studie entbehrt jeder Grundlage"  

Auf Nachfrage unserer Redaktion hat sich die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier sehr deutlich zu den Forderungen geäußert. Die Zuschüsse zu den Eigenanteilen, so erklärt es Engelmeier, sind Zuschüsse für pflegebedingte Kosten in der stationären Pflege. Sie sind demnach für viele Heimbewohner essenziell, um die mittlerweile astronomischen Eigenanteile überhaupt noch ansatzweise bewältigen zu können.

Engelmeier: "Die Behauptung der Studie entbehrt daher aus unserer Sicht jeder Grundlage. Denn die finanziellen Belastungen der Heimbewohner liegen bundesweit im Durchschnitt bei 3.123 Euro im Monat – ohne Zuschüsse." In NRW seien es sogar bereits 3.444 Euro. 

Und die SoVD-Vorstandsvorsitzende legt nach: "Bei einer Durchschnittsrente von 1.550 Euro brutto ist die Behauptung, dass fast drei Viertel der Pflegebedürftigen eine solch teure Heimbetreuung über mehrere Jahre ohne Zuschüsse stemmen können, schlicht absurd."

Sozialverband sieht in Bürgerversicherung die Lösung

Einig ist man sich bei Tatsache, dass "dem Pflegesystem der Kollaps droht". Man brauche laut Michaela Engelmeier "schnell eine umfassende Reform". Die Lösung könne aber nicht sein, bei der Finanzierung noch mehr an das Ersparte der Betroffenen heranzugehen. Das wäre "ein fatales Signal an alle Pflegebedürftigen".

Der Sozialverband weist darauf hin, dass die knapp fünf Millionen betroffenen Menschen und ihre Angehörigen schon jetzt unter enormem finanziellen und emotionalen Druck stehen würden. Höhere Eigenanteile und steigende Beiträge seien für viele nicht mehr tragbar. 

Die Lösung könnte in den Augen des SoVD eine Bürgerversicherung sein. Michaela Engelmeier: "Der SoVD fordert daher eine Pflegevollversicherung zur Absicherung des gesamten Pflegerisikos. Das umfasst auch die pflegebedingten Kosten in stationären Einrichtungen. Würden also alle Bürger in Deutschland – also auch Beamte und Besserverdienende – in die soziale Pflegeversicherung einzahlen, könnten die Pflegekosten auf breitere Schultern verteilt werden."

Solch eine Bürgerversicherung würde demnach den Haushalt der Pflegeversicherung erheblich stärken. Das würde, so erläutert es Engelmeier weiter, "die Versicherten nicht nur vor stärkeren Beitragssatzerhöhungen bewahren, sondern könnte sogar Beitragssenkungen ermöglichen".

Pflege in der Rente selbst zahlen – die Leistungen nach Pflegegrad

Für Menschen in einem Pflegeheim sind die Kosten für Pflege und Betreuung der größte Anteil der monatlichen Kosten. Hier übernehmen die Pflegekassen einen Teil.

Wer einen anerkannten Pflegegrad hat, der kann sich darauf verlassen, dass die Kassen einen Teil übernimmt. Die Leistungen der Pflegeversicherungen sind dabei abhängig vom jeweils ausgewiesenen Pflegegrad und werden dann direkt an das Pflegeheim weitergeleitet. Die anfallenden Kosten übersteigen dabei meist die bereitstehenden Leistungen. Alle übrigen Beträge müssen die Betroffenen selbst zahlen - es handelt sich dabei um den sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE).

  • Pflegegrad 1: Monatliche Leistung 125 Euro als Betreuungsleistung
  • Pflegegrad 2: Monatliche Leistung 770 Euro
  • Pflegegrad 3: Monatliche Leistung 1262 Euro
  • Pflegegrad 4: Monatliche Leistung 1775 Euro
  • Pflegegrad 5: Monatliche Leistung 2005 Euro

Amazon-Buchtipp: Pflege organisieren und finanzieren *

Artikel enthält Affiliate Links