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Ruhestand ohne Krise: Coach gibt Tipps zum Übergang und zur Vermeidung des Empty-Desk-Syndroms


Autor: Antonia Kriegsmann

Deutschland, Samstag, 30. Dezember 2023

Viele freuen sich auf das Ende ihres Berufslebens und den Eintritt in die Rente. Doch dieser neue Lebensabschnitt kann auch einige Herausforderungen mit sich bringen. Ein Coach gibt wichtige Tipps für den Übergang - und wie man dem Empty-Desk-Syndrom entgegenwirken kann.
Wer in die Rente geht, sollte einige Dinge im Vorfeld beachten. Andernfalls könnte eine Sinnkrise drohen. Symbolbild: pixabay.com / stevepb


Für einen reibungslosen Übergang in die Rente gibt es einige Dinge zu beachten. Neben organisatorischen Fragestellungen sollte man jedoch nicht die soziale Komponente vernachlässigen. Der Beruf beinhaltet nämlich für viele Menschen soziale und identitätsstiftende Funktionen.

"Menschen, die kurz vor der Rente stehen, machen häufig dieselben Fehler, wie Studien und Umfragen zeigen", erklärt hierzu Sebastian Kernbach im Interview mit Zeit Online. Er ist Assistenzprofessor an der School of Management der Universität St. Gallen und forscht zum Thema Renteneintritt. Außerdem coacht er Menschen, um ihnen den Übergang vom Arbeits- ins Rentenleben zu erleichtern.  Seiner Meinung nach wird der Renteneintritt oft unterschätzt. Er rät deshalb, sich einige Jahre vor dem Ruhestand Gedanken zu machen.

In Rente gehen: Wichtige Funktionen des Berufs fallen plötzlich weg

Laut Kernbach gibt ein Beruf Menschen nicht nur eine Aufgabe, sondern auch das Gefühl, eine Rolle in der Gesellschaft auszuüben und einen Platz in ihr einzunehmen. Wenn Menschen in die Rente gehen, können sie deshalb das Gefühl haben, einen Teil ihrer Identität zu verlieren. Der Beruf erfüllt auch immer soziale Funktionen. Wer in Rente geht, verliert unter Umständen liebgewonnene Kollegen und den Arbeitsort, den man jahrelang aufgesucht hat. Dies treffe viele Menschen sehr hart, so der Experte. 

Besonders schwer sei der Übergang in die Rente auch für Menschen, die in ihren Berufen viel Verantwortung getragen haben. Kernbach erklärt dies damit, dass sich bei diesen Menschen die sozialen Kontakte häufig auf die Kollegen beschränken und sie diese als Freunde wahrnehmen. Mit dem Renteneintritt gehen diese Kontakte dann verloren.

Kernbach meint: "Die meisten Menschen haben eine sehr romantische Vorstellung von ihrer Rente." Als Beispiel nennt er eine Kursteilnehmerin, die sich zusammen mit ihrem Mann und Freunden ein Haus in Schweden gekauft hatte und plante, dort zu leben. Aber aufgrund von Unstimmigkeiten und der frühen Dunkelheit wurde das Haus bald wieder verkauft. Der Coach meint, dass es den meisten an Unterstützung für das Ausscheiden aus dem Berufsleben fehlt. 

In die Rente gehen: Empty-Desk-Syndrom kann drohen

Wer sich besonders stark mit seiner beruflichen Tätigkeit definiert, für den könne der Eintritt in die Rente schnell in eine existenzielle Krise führen. Einige Teilnehmer von Kernbachs Kursen fühlen sich in der Rente so nutzlos, dass sie depressive Symptome entwickeln. Diese Personen hätten dann Probleme damit, ihren Tag neu zu strukturieren und sich über die verfügbare Freizeit zu freuen.

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Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: "Empty-Desk-Syndrom", also die Angst vor dem leeren Schreibtisch. Der Begriff geht auf den Psychologen Otto L. Quadbeck zurück, der das Syndrom umfassend erforschte. Von diesem Syndrom könnten Tausende Rentner betroffen sein. Belastbare Zahlen gibt es zwar nicht, aber es lassen sich aus den vorliegenden Untersuchungen durchaus Schlüsse ziehen. Denn ältere Menschen sind in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt mittlerweile deutlich häufiger auf dem Arbeitsmarkt vertreten als noch vor einigen Jahren. Zwischen 2013 und 2022 stieg die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen hierzulande von 64  auf 73 Prozent.

Der finanzielle Aspekt spielt dabei zwar eine Rolle, ist aber nicht so wichtig wie andere Motive, wie eine repräsentative Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt. Ungefähr 90 Prozent der Befragten arbeiten im Rentenalter noch, weil sie den Kontakt zu anderen Menschen suchen, Spaß an ihrer Arbeit haben oder weiterhin eine Aufgabe brauchen.

Empty-Desk-Syndom: Diese Symptome können sich zeigen

Das "Empty-Desk-Syndrom" an sich ist zwar nicht als eigene psychosomatische Krankheit anerkannt. Seine starken Symptome lassen sich aber trotzdem ärztlich behandeln. Quadbeck nennt im Interview mit t-online zum Beispiel die folgenden Symptome:

  • Rückenschmerzen
  • Allergien
  • Essstörungen
  • Alkoholismus
  • Tabletten- und/oder Drogensucht
  • Herzbeschwerden
  • Depressionen und Selbstmordgedanken

Viele Betroffene fallen zum Rentenbeginn in ein emotionales Loch. "Sie empfinden eine tiefe Leere und haben das Gefühl, ohne ihre Tätigkeit keinen Zweck mehr zu erfüllen", erklärt auch Steffen Häfner, Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Zu einem Gefühl von Sinnlosigkeit und Wertlosigkeit kommen oft noch soziale Isolation und Einsamkeit. "Langeweile und Frust bis hin zu Depressionen treten als häufige Folgen auf", sagt der Psychotherapeut gegenüber web.de. Häufig kommt es auch zu Problemen in der Partnerschaft, weil sich gewohnte Strukturen verändern und die Person, die in Rente ist, plötzlich an allen Details des täglichen Lebens beteiligt ist. "Dies kann die Beziehung mit der Partnerin oder dem Partner belasten, der oder die sich möglicherweise durch den unerwünschten Eingriff in ihren Tagesablauf gestört fühlt." Die Hilfsorganisation Malteser empfehlt hier offen über die Situation zu sprechen, gemeinsam Pläne zu schmieden und darauf zu vertrauen, dass sich die Dinge fügen werden.

Experten empfehlen tiefe soziale Beziehungen, Hobbys pflegen oder Neues lernen

Damit Menschen keine Sinnkrise erleben, wenn sie in Rente gehen, betont Coach Kernbach gegenüber der Zeit die Bedeutung von tiefen sozialen Beziehungen und verweist auf eine Studie der Universität Harvard. "Dabei geht es weniger um die Anzahl der sozialen Kontakte, sondern darum, einige sehr gute Freundschaften zu haben, in denen man sich verletzlich zeigen kann."

Kernbach empfiehlt außerdem ehrenamtliche Tätigkeiten. Seiner Ansicht nach ist diese Art der Arbeit ein "wahres Wundermittel". Rentnerinnen und Rentner würden auf mehrfache Weise davon profitieren. So vermittelt die Arbeit ein gutes Gefühl und ermöglicht es, Beziehungen aufzubauen.

Die Malteser meinen, dass der Ruhestand der perfekte Moment ist, um etwas ganz Neues zu lernen oder Hobbys zu pflegen, für die lange keine Zeit war. Ob es eine Sportart wie Yoga oder Pilates, eine neue Fähigkeit wie Fotografieren, Töpfern oder Malen ist – es gibt jede Menge Hobbys, die ideal für Rentnerinnen und Rentner sind.  Auch Volkshochschulen bieten unterschiedlichste Kurse an, in denen man neue Dinge lernen kann und gleichzeitig Beziehungen aufbauen kann.

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