Ruhestand ohne Krise: Coach gibt Tipps zum Übergang und zur Vermeidung des Empty-Desk-Syndroms
Autor: Antonia Kriegsmann
Deutschland, Samstag, 30. Dezember 2023
Viele freuen sich auf das Ende ihres Berufslebens und den Eintritt in die Rente. Doch dieser neue Lebensabschnitt kann auch einige Herausforderungen mit sich bringen. Ein Coach gibt wichtige Tipps für den Übergang - und wie man dem Empty-Desk-Syndrom entgegenwirken kann.
Für einen reibungslosen Übergang in die Rente gibt es einige Dinge zu beachten. Neben organisatorischen Fragestellungen sollte man jedoch nicht die soziale Komponente vernachlässigen. Der Beruf beinhaltet nämlich für viele Menschen soziale und identitätsstiftende Funktionen.
"Menschen, die kurz vor der Rente stehen, machen häufig dieselben Fehler, wie Studien und Umfragen zeigen", erklärt hierzu Sebastian Kernbach im Interview mit Zeit Online. Er ist Assistenzprofessor an der School of Management der Universität St. Gallen und forscht zum Thema Renteneintritt. Außerdem coacht er Menschen, um ihnen den Übergang vom Arbeits- ins Rentenleben zu erleichtern. Seiner Meinung nach wird der Renteneintritt oft unterschätzt. Er rät deshalb, sich einige Jahre vor dem Ruhestand Gedanken zu machen.
In Rente gehen: Wichtige Funktionen des Berufs fallen plötzlich weg
Laut Kernbach gibt ein Beruf Menschen nicht nur eine Aufgabe, sondern auch das Gefühl, eine Rolle in der Gesellschaft auszuüben und einen Platz in ihr einzunehmen. Wenn Menschen in die Rente gehen, können sie deshalb das Gefühl haben, einen Teil ihrer Identität zu verlieren. Der Beruf erfüllt auch immer soziale Funktionen. Wer in Rente geht, verliert unter Umständen liebgewonnene Kollegen und den Arbeitsort, den man jahrelang aufgesucht hat. Dies treffe viele Menschen sehr hart, so der Experte.
Besonders schwer sei der Übergang in die Rente auch für Menschen, die in ihren Berufen viel Verantwortung getragen haben. Kernbach erklärt dies damit, dass sich bei diesen Menschen die sozialen Kontakte häufig auf die Kollegen beschränken und sie diese als Freunde wahrnehmen. Mit dem Renteneintritt gehen diese Kontakte dann verloren.
Kernbach meint: "Die meisten Menschen haben eine sehr romantische Vorstellung von ihrer Rente." Als Beispiel nennt er eine Kursteilnehmerin, die sich zusammen mit ihrem Mann und Freunden ein Haus in Schweden gekauft hatte und plante, dort zu leben. Aber aufgrund von Unstimmigkeiten und der frühen Dunkelheit wurde das Haus bald wieder verkauft. Der Coach meint, dass es den meisten an Unterstützung für das Ausscheiden aus dem Berufsleben fehlt.
In die Rente gehen: Empty-Desk-Syndrom kann drohen
Wer sich besonders stark mit seiner beruflichen Tätigkeit definiert, für den könne der Eintritt in die Rente schnell in eine existenzielle Krise führen. Einige Teilnehmer von Kernbachs Kursen fühlen sich in der Rente so nutzlos, dass sie depressive Symptome entwickeln. Diese Personen hätten dann Probleme damit, ihren Tag neu zu strukturieren und sich über die verfügbare Freizeit zu freuen.
Bestseller 'Ruhestand für Anfänger' bei Amazon ansehenDieses Phänomen hat sogar einen Namen: "Empty-Desk-Syndrom", also die Angst vor dem leeren Schreibtisch. Der Begriff geht auf den Psychologen Otto L. Quadbeck zurück, der das Syndrom umfassend erforschte. Von diesem Syndrom könnten Tausende Rentner betroffen sein. Belastbare Zahlen gibt es zwar nicht, aber es lassen sich aus den vorliegenden Untersuchungen durchaus Schlüsse ziehen. Denn ältere Menschen sind in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt mittlerweile deutlich häufiger auf dem Arbeitsmarkt vertreten als noch vor einigen Jahren. Zwischen 2013 und 2022 stieg die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen hierzulande von 64 auf 73 Prozent.