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Not der Krankenkassen noch schlimmer: Milliardenloch immer größer


Autor: Dominik Jahn

Deutschland, Dienstag, 22. Juli 2025

Die Krankenkassen in Deutschland stehen vor einer großen finanziellen Herausforderung. Experten fordern dringend Reformen, um den steigenden Kosten entgegenzuwirken.
Die Krankenkassen in Deutschland stehen vor einem massiven Defizit von 12 Milliarden Euro, was bis 2027 zu einem signifikanten Anstieg der Beiträge führen könnte.


Plötzlich fehlen den Krankenkassen 12 Milliarden Euro. Das Defizit verdreifacht sich damit. Bisher war die Rede davon, dass den Kassen 2026 rund vier Milliarden Euro fehlen werden. Von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil wird es dafür aber keine Zuschüsse mehr geben, sondern lediglich ein Darlehen. Zu wenig finden Experten und sehen einen massiven "Erhöhungsdruck" für die Beiträge.

Laut einem Beitrag der Bild am Sonntag unter Berufung auf Prognosen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) soll es 2027 aber eben noch viel schlimmer kommen. Dann so heißt es, sollen den Krankenkassen bereits 12 Milliarden Euro fehlen. Bestätigen oder dementieren wollte man bei der Bundesregierung diese Zahl nicht. Anders hält es da der Chef der Techniker Krankenkasse (TK).

TK-Chef äußert sich über LinkedIn zum Milliardenloch der Kassen

Über die Plattform LinkedIn macht er seinem Unmut Luft. Jens Baas bestätigt dort "diese Prognose gerne". Der TK-Vorstandsvorsitzende wird sehr deutlich: "Dafür muss man nämlich weder hellseherisch Fähigkeiten haben noch eine Finanzgenie sein, sondern nur die aktuellen Zahlen anschauen: die Ausgaben steigen um 6–8 Prozent pro Jahr. Wie genau soll das also ohne Beitragssatzerhöhung und grundlegende Reformen funktionieren? Und das ist auch kein Geheimnis, ich selbst und viele andere weisen seit langem darauf hin."

Und auch für Finanzminister Lars Klingbeil hat Baas einige Hinweise parat. Der Minister hatte gegenüber bild.de darauf hingewiesen, dass man den Finanzminister nicht ständig anrufen könne, um mehr Geld zu fordern. Es brauche Strukturreformen, um die Beiträge stabil zu halten.

Dazu erklärt Baas: "Lieber Herr Klingbeil, Sie haben so recht! Ein Versicherungssystem muss sich in sich selbst und ohne Zuschüsse tragen können, und wir brauchen dringend echte Strukturreformen. Allerdings unterschlagen Sie das winzige Detail, dass unsere Versicherten und ihre Arbeitgeber jedes Jahr alleine schon 10 Milliarden Euro für die Versicherung von Bürgergeld-Empfängern aufbringen müssen! Eine Aufgabe, die unzweifelhaft in Ihr Ressort und von Steuern finanziert gehört.

Krankenkassen stellen klare Forderung

Jens Baas würde lieber auf "Zuschüsse" verzichten, macht er zum Abschluss klar, wenn die Bundesregierung den Krankenkassen "endlich die Gelder zukommen lassen", die ihnen "zustehen".

Baas: "Damit könnte der Beitragssatzanstieg übrigens fast komplett vermieden und die gewonnene Zeit für echte Reformen genutzt werden." Schon Anfang Juli hatte sich der TK-Chef in einem Beitrag der ZDF-Sendung WISO sehr klar zur Lage der Krankenkassen geäußert, wie inFranken.de berichtet hatte.

Schon dabei hatte er darauf hingewiesen, dass die Rechnung am Ende die Versicherten zahlen werden: "Wenn nichts passiert, dann steigen die Beiträge immer weiter. Es gibt keine natürliche Grenze." Und auch hier erklärte in aller Deutlichkeit: "Der Staat bedient sich relativ schamlos an den Geldern der gesetzlich Versicherten." Gemeint war, dass die gesetzlich Versicherten die Versicherungen von Bürgergeldempfängern zahlen. 

Beiträge bald bei über 18 Prozent

Mit dem derzeitigen Vorgehen der Bundesregierung drohen aber massiv steigende Beiträge. Bereits im Juli haben sechs Krankenkassen ihre Beiträge erhöht. Zu Beginn des Jahres waren es noch mehr. 

Aktuell liegt der durchschnittliche Krankenkassenbeitrag bei 17,5 Prozent. Für 2026 steht wegen der Vier-Milliarden-Lücke ein Anstieg um 0,2 Prozentpunkte im Raum. 2027 könnten nun noch einmal bis zu 0,6 Prozentpunkte hinzukommen – dann liegen die Beiträge bei 18,3 Prozent.

Laut Bild-Bericht würde dann bei einem Durchschnittsgehalt von 4000 Euro brutto, die Krankenversicherung 144 Euro im Jahr teurer werden.

Auch der GKV-Spitzenverband sieht den Staat in der Verantwortung

Auf Nachfrage beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen GKV zu den neuen Zahlen, heißt es gegenüber unserer Redaktion: "Kurzfristig sollte dafür die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldbezieher fair und korrekt vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, denn da geht es um 10 Milliarden Euro, die den Krankenkassen durch den Staat entzogen werden."

 Aber das reiche nicht, denn man würde auch "nachhaltige Strukturreformen" brauchen , "um die überbordende Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen". Ausgabensteigerungen von bis zu 10 Prozent könne "kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer finanzieren".