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Explodierende Beiträge der Krankenkassen: Diese Reform soll den Trend stoppen


Autor: Ellen Schneider, Agentur dpa

Deutschland, Mittwoch, 10. Sept. 2025

Den Krankenkassen fehlen Milliarden, die Sorge vor weiteren Beitragserhöhungen wächst. Tino Sorge (CDU) plädiert darum nun für ein gänzlich neues Modell.
Den Krankenkassen fehlen Milliarden, die Sorge vor weiteren Beitragserhöhungen wächst. Tino Sorge (CDU) plädiert darum nun für ein gänzlich neues Modell. Das könnte Versicherte massiv beeinflussen.


Mehrere Milliarden Euro sollen den Krankenkassen ab 2027 fehlen, die Ausgaben steigen immer weiter. "So kann es nicht weitergehen, solche Steigerungsraten hält kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer aus", betonte auch Oliver Blatt, Vorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, angesichts der neusten Kennzahlen. Ab 2026 könnten die Abgaben für Rente und Krankenkasse zudem für Gutverdiener steigen.

Auch weitere Beitragserhöhungen können aktuell nicht ausgeschlossen werden. Bundeskanzler Merz will daher die Leistungen kürzen, um Geld zu sparen. Tino Sorge (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium, bringt nun einen anderen Vorschlag ins Spiel, der die Beitrags-Explosionen seiner Meinung nach stoppen könnte. Er fordert die Einführung kostengünstiger Basistarife in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Versicherte könnten dann individuell Zusatzleistungen hinzubuchen.

Krankenversicherung als Baukasten-Modell? Was Tino Sorge zur Lösung der Kassen-Krise vorschlägt

"Immer neue Beitragsanstiege können keine Lösung sein", sagte der CDU-Politiker der Bild. Laut Ministerin Nina Warken (CDU) gehört dies nicht zu den Überlegungen, die Beiträge 2026 stabil zu halten. Von Kassen und Gewerkschaften kam Kritik. Konkret könnten Versicherte eine Vielzahl passgenauer Tarife angeboten bekommen, erläuterte Sorge. "Sprich: Kassen bieten viel günstigere Tarife an – die eine gute Grundversorgung beinhalten – und darüber hinaus weitere Pakete, die man individuell hinzubucht." Als Beispiel für zusätzliche Leistungen nannte er die Kostenübernahme bei Brillen: "Es wäre ein Gewinn, wenn man sich solche Bausteine in der GKV zusätzlich versichern könnte."

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Warken wies bei RTL/n-tv auf eine Kommission für eine grundlegende Reform hin, die im September die Arbeit aufnehmen soll. "Da kann das sicherlich auch mit beraten werden", sagte die Ministerin. "Das ist jetzt aber keine Maßnahme, die wir momentan vorbereiten." Dies sei nichts, "was ab Januar die Beiträge stabiler machen würde". Die Koalition will erneute Beitragsanhebungen Anfang 2026 noch abwenden. Hintergrund ist, dass bisher vorgesehene Finanzspritzen aus dem Bundeshaushalt nicht ausreichen, um absehbare Defizite auszugleichen.

Der Chef des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, sagte: "Diskussionen um Basis- und Zusatztarife für die 75 Millionen gesetzlich Versicherten lenken von dem eigentlichen Problem ab." Das seien kostentreibende Strukturen etwa bei Krankenhäusern oder nachteiligen Vorgaben für Preisverhandlungen der Kassen bei neuen Arzneimitteln. Die würden dadurch nicht geändert. Es brauche keine Diskussion um Tarife, sondern durchgreifende Reformen. Blatt warb erneut dafür, den Anstieg der Ausgaben ohne Leistungskürzungen zu begrenzen.

Macht Basistarif Krankenversicherung ungerechter? Grüne üben Kritik

Die Vize-Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Misbah Khan, kritisierte: "Ein Basistarif in der gesetzlichen Krankenversicherung würde das bestehende Zwei-Klassen-System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu einem Drei-Klassen-System ausbauen." Damit würde das System noch ungerechter und unsolidarischer. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte davor, die Grundversorgung zu einer Minimalversorgung zu machen. "Gute Gesundheitsleistungen dürfen nicht nur Luxus für Besserverdienende sein", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel.

Der Vorschlag werfe zudem Fragen auf. "Weitere Beitragssteigerungen sollen nicht kommen, und trotzdem soll sich niemand in seinem Versicherungsschutz verschlechtern – wie soll das gehen?" Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßte die Debatte. "Es geht nicht darum, den Versicherten etwas wegzunehmen. Eine gute und umfassende Versorgung muss gewährleistet sein – und zwar für alle", sagte Vorstandschef Andreas Gassen. "Aber warum sollten die Bürgerinnen und Bürger nicht selbst entscheiden können, ob sie freiwillig Pakete hinzuwählen oder nicht?"

Zusatzversicherungen zur gesetzlichen Krankenversicherung gibt es bereits. Wer zum Beispiel bessere Leistungen beim Zahnersatz oder eine Chefarztbehandlung im Krankenhaus wünscht, kann es über private Zusatzversicherungen absichern. Gesetzliche Kassen bieten grundsätzlich auch Wahltarife an. So gibt es Tarife, bei denen man eine Prämie bekommen kann, wenn man sich verpflichtet, immer zuerst in eine Hausarztpraxis zu gehen.

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