Wie sich die Arbeitswelt verändert: Wenn Mitarbeitende nicht mehr ins Büro wollen
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Dienstag, 26. Sept. 2023
Homeoffice funktionierte während der Lockdowns besser als vermutet. Mit Blick auf den Wandel in der Arbeitswelt tun sich aber selbst Tech-Größen wie Facebook, Apple und Google zunehmend schwer, Mitarbeitende wieder ins Büro zu bekommen.
- Vor- und Nachteile von Homeoffice
- Freiheit und Selbstbestimmung
- Wird Unternehmenskultur überbewertet?
- Was das für Unternehmen und unsere Gesellschaft bedeuten kann
Am Anfang war nicht nur das Wort, sondern auch harte Feldarbeit gefragt. Um sich das tägliche Brot auf dem Teller zu verdienen, musste im wahrsten Sinne des Wortes geackert werden. Da nicht alle Menschen Bauer und Landwirt sein konnten, entwickelte sich zunächst ein "naturaler Tauschhandel". Erst mit Geld – erste Münzen gehen nach aktuellem Stand der Forschung auf die Lyder etwa 600 vor Christus zurück – entstand ein verbindlich anerkanntes Tauschmittel. Damit war die Grundlage für einen späteren währungsbasierten und grenzüberschreitenden Handel aller möglichen Güter und Dienstleistungen geschaffen. Der Wandel in der Arbeitswelt ging weiter: Weil sich technischer Fortschritt in den letzten 250 Jahren über Industrialisierung, Automatisierung und Digitalisierung rasant entwickelt hat, wird heute ein Großteil der Arbeitsleistung Büro an Schreibtischen erbracht.
Vor- und Nachteile von Homeoffice
Während der Corona-Lockdowns wurden sehr viele Mitarbeitende nach Hause ins Homeoffice geschickt. Mit Blick auf die Arbeitsproduktivität funktionierte dies laut Umfragen überwiegend besser als vorher vermutet. So hat sich Homeoffice zwischenzeitlich als Arbeitsmodell etabliert. Eine aktualisierte Studie der Hans-Böckler-Stiftung besagt, dass im laufenden Jahr 2023 rund 75 % der Beschäftigten, die während der Corona-Zeit zu Hause gearbeitet haben, auch weiterhin zumindest teilweise im Homeoffice tätig sein wollen. Lediglich 15 Prozent der Befragten gaben zur Antwort, dass ihren Vorgesetzten Anwesenheit noch sehr wichtig sei; vor der Pandemie seien es noch 60 Prozent gewesen.
Video:
Dabei sind, laut Angaben der Stiftung aus vorherigen Studien, die Erfahrungen von Beschäftigten im Homeoffice durchaus unterschiedlich: 77 Prozent gaben an, Homeoffice würde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. 60 Prozent waren überzeugt, dass sie ihre Arbeit in den eigenen vier Wänden sogar effektiver organisieren könnten als im betrieblichen Büro. Gleichzeitig waren es jedoch auch 60 Prozent der Befragten, die den Eindruck schilderten, dass im Homeoffice "die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen". Ein weiteres Ergebnis der Untersuchungen zeigte, dass extrem flexible Arbeitszeiten häufig zulasten der Beschäftigten gehen. Denn wer im Homeoffice arbeite, könne abends nicht richtig abschalten.
Ob Homeoffice nun Fluch oder Segen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu führt die Hans-Böckler-Stiftung aus, dass es zum einen auf die Unternehmenskultur ankomme. Arbeitgeber und Vorgesetzte müssten zum Gelingen zunächst die richtigen Voraussetzungen schaffen, wozu u. a. auch die Formalisierung und Regelung der mobilen Arbeit von zu Hause aus gehöre. Ein weiterer Aspekt betrifft die Grundsätze des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die im Homeoffice nicht aufgehoben, jedoch schwieriger zu kontrollieren seien. Selbstverständlich gehöre auch eine professionelle Ausstattung (Smartphone, Laptop, Software) sowie die von den Mitarbeitenden zu gewährleistenden Rahmenbedingungen (stabile Internetverbindung, geeigneter Arbeitsplatz, Erreichbarkeit) dazu.
Freiheit und Selbstbestimmung
Technischer Fortschritt gründet nicht nur auf einem unermüdlichen menschlichen Forschungsdrang und auf wirtschaftlichen Interessen, sondern folgt auch dem Drang, kontinuierlich Arbeitserleichterungen schaffen zu wollen. Wofür ein Bauer früher Wochen benötigte, das schafft heute ein Mähdrescher in wenigen Stunden. So wurde Arbeit auch in anderen Bereichen im Laufe der Zeit zunehmend produktiver, effektiver und effizienter. Es braucht daher einerseits immer weniger (personellen), andererseits aber stets vermehrt spezialisierten (technischen) Arbeitseinsatz. Die steigenden Anforderungen in der Arbeitswelt erfordern deshalb mehr denn je Bildung und Qualifizierung. Eine weitere Begleiterscheinung hoher Produktivität und Effizienz ist, dass Menschen in solchen Volkswirtschaften vermeintlich mehr (freie) Zeit haben.
Diese Entwicklung lässt sich sehr anschaulich an der Zusammensetzung unseres Bruttoinlandsproduktes (BIP) ablesen. Hiermit wird allgemein die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft beschrieben. Diese unterscheidet man üblicherweise nach drei Sektoren: Land- und forstwirtschaftliche Produktion sowie Fischerei (Primärsektor), industrielle Produktion (Sekundärsektor) und die Produktion von Dienstleistungen (Tertiärsektor). Aktuell liegt laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Anteil des Dienstleistungssektors an der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung bei 69 % und vereint rund drei Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse. Auffällig ist zudem, dass ca. 80 Prozent aller Unternehmen in Deutschland der Dienstleistungsbranche zuzuordnen sind.