Trauer bewältigen: Das passiert mit deinem Körper nach einem Todesfall
Autor: Evelyn Isaak
Deutschland, Freitag, 28. April 2023
Das geliebte Haustier oder eine Person aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis: Ein Verlust ist niemals leicht und zieht eine Phase der Trauer mit sich.
Verliert man eine geliebte Person oder ein geliebtes Tier, zieht dies einen intensiven Schmerz des Verlustes mit sich. Wie du persönlich trauerst, ist natürlich vollkommen individuell.
Um den Prozess des Trauerns besser verstehen zu können, unterscheidet man in Trauerpsychologie zwischen mehreren Phasen des Trauerns, die häufig durchlaufen werden. Diese kann man sich auch als eine Art Traueraufgaben vorstellen.
Der Prozess des Trauerns: Das 4-Phasen-Modell nach Kast
Trauern findet bei jeder*m individuell statt. Die Sichtweisen und Empfindungen in Bezug auf das Trauergefühl sind dabei sehr persönlich und vielfältig. Damit das Gefühl der Trauer besser begriffen und verstanden werden kann, beschäftigen sich Forschende der Trauerpsychologie seit Jahren damit. In der psychologischen Trauerforschung ist vor allem das Phasenmodell bekannt, welches, wie der Name es bereits erahnen lässt, das Trauern in mehrere Phasen unterteilt. Hier unterscheidet man zwischen verschiedenen Erklärungsansätzen. Darunter fallen beispielsweise jene nach Elisabeth Kübler-Ross, Verena Kast, Yorick Spiegel und George Bonanno. In diesem Artikel stellen wir dir das Modell der Psychologin Verena Kast vor, welches eine Unterteilung in vier Phasen vornimmt.
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Das viergliedrige Trauerphasen-Modell kann Betroffenen und Angehörigen dabei helfen, den Trauerprozess besser zu verstehen. Der Prozess charakterisiert sich durch einen klaren Anfang, nämlich den Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres. Wie genau dieser Beginn sich ausgestaltet, ist jeweils am Einzelfall zu betrachten. Am Ende der Trauer, quasi als Ziel, steht eine Neuorientierung. Wichtig zu beachten ist, dass jede der Phasen nur exemplarisch ist: Wie lange sie dauert, wie sie sich im Einzelnen ausgestaltet und wie intensiv sie wahrgenommen wird, hängt unter anderem von der eigenen Persönlichkeit, den Umständen des Todes sowie der Beziehung zur verstorbenen Person ab.
Die erste Trauerphase beschreibt das "Nicht-Wahrhaben-Wollen" und dauert wenige Stunden bis hin zu mehreren Wochen. Der Tod eines Menschen oder eines Haustieres schockiert und verletzt immer; auch dann, wenn er vielleicht bereits aufgrund einer schweren Krankheit vorherzusehen war. Es ist vollkommen normal, dass die erste Reaktion Ratlosigkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit mit einschließt. Man kann sich ein Leben ohne diese Person kaum vorstellen. Die Phase kennzeichnet sich häufig durch eine Art ungläubige Starre oder eine Verstörung bis hin zur Apathie. Der Schock des Todes kann schwer wiegen, sodass viele Menschen einen Kontrollverlust oder sogar einen Zusammenbruch erleiden. Häufig gehen damit körperliche Reaktionen wie motorische Unruhe, ein erhöhter Puls, Schweißausbrüche sowie Übelkeit oder Erbrechen einher. Möchtest du einem Menschen, der sich in dieser Phase befindet, helfen, kannst du dies auf verschiedene Weisen tun. Wichtig ist, immer mit der Person direkt zu kommunizieren, deine Hilfe anzubieten und nachzufragen, was du tun kannst. Häufig sind schon unkomplizierte Handlungen wie das Übernehmen der alltäglichen Besorgungen oder die Hilfe bei Regelungen, die den Todesfall betreffen, nützlich. Letzteres könnte zum Beispiel die Organisation der Bestattung oder der Trauerfeier sein. Sei für die trauernde Person da, höre ihr zu, falls sie sprechen möchte, und zeige ihr, dass jegliche Gefühle in Ordnung sind.
Rat und Unterstützung im Trauerfall: Bei trauer.inFranken.deDie weiteren drei Phasen und mögliche Bewältigungshilfen
Im Anschluss an die erste Phase steht im Modell die Phase der "Aufbrechenden Emotionen". Die Ungläubigkeit und Apathie, die sich zu Beginn oft äußern, wandeln sich in verschiedenste Gefühle. Diese können beispielsweise Wut, Zorn, Schmerz, Angst, Traurigkeit oder sogar Freude sein. Es kommen Fragen wie "Warum trifft es mich?" oder "Wie konnte er*sie mich im Stich lassen?" auf. Mögliche auftretende Schuldgefühle kann die trauernde Person gegen sich selbst, aber auch gegen die verstorbene Person richten. Wie intensiv die Gefühle sind, hängt meist davon ab, wie nahe man dem oder der Verstorbenen stand. Alle Gefühle, die auftauchen, haben eine Daseinsberechtigung und sollten nicht unterdrückt werden, da sie im schlimmsten Fall zu dauerhafter Schwermut und Depressionen führen könnten. Lasse Gefühlsausbrüche zu, wenn sie auftreten und erkenne diese als Teil des Heilungsprozesses an. Bei aufkommenden Schuldgefühlen ist es ratsam, diese zwar zur Kenntnis zu nehmen, sie aber nicht zu bekräftigen. Mögliche Hilfen in der Phase sind das Aussprechen von Problemen und das Mitteilen von Erlebnissen oder Erinnerungen. Als Außenstehende*r kannst du die trauernde Person dazu inspirieren, mit etwas zu beginnen, das eine Art alltägliche Hilfe darstellen kann. Solche Hilfen könnten beispielsweise Tagebücher, Malen, Spaziergänge, Entspannungsübungen, Yoga oder Bäder sein.
Buchtipp: 'Es ist okay, wenn du traurig bist: Warum Trauer ein wichtiges Gefühl ist und wie wir lernen, weiterzumachen' - hier ansehenDas "Suchen und Sich-Trennen" charakterisiert die dritte Trauerphase. Sie kann Wochen, Monate oder Jahre dauern. Wird etwas verloren, beginnt man automatisch entweder bewusst oder unbewusst damit, es zu suchen. In der Trauer bezieht sich diese Suche auf den realen Menschen, das Leben mit ihm und die geteilten Erinnerungen. In der Phase erkennt man häufig, dass Trauernde sich Gewohnheiten der erstorbenen Person aneignen und sich immer wieder an Erinnerungen festhalten. Das Erinnern an schöne Erlebnisse kann dabei helfen, die Trauer zu erleichtern. Während der intensiven Auseinandersetzung mit der verlorenen Person kann es zu einem schmerzhaften, aber gleichzeitig auch wunderschönen Begegnungsgefühl kommen. In einigen Fällen kann dazu kommen, dass mit den Toten gesprochen wird, da die Gegenwart der Person noch gespürt wird. Es findet ein Prozess des Suchens und Findens statt, der bis hin zum Wieder-Trennen reicht. Dieser ist notwendig, um nicht in der Trauer zu verharren und sich wieder positiv dem Leben zu stellen. Im Mittelpunkt der Trauerarbeit steht hier, sich mit der verstorbenen Person und ihrem Tod auseinanderzusetzen. Wichtig ist, dass du alle Erlebnisse der Vergangenheit aussprichst. Es kann helfen, sich jemandem anzuvertrauen und sich selbst Zeit zu lassen, in den Erinnerungen zu schwelgen. So kann es zunehmend leichter fallen, Abschied zu nehmen. Häufig entwickeln Trauernde in der Phase suizidale Gedanken. In dem Falle ist es noch einmal besonders wichtig, den trauernden Menschen kontinuierlich zu begleiten. Grundsätzlich hilft es Trauernden oft, wenn du geduldig bist, zuhörst, sie ernst nimmst und nicht darauf drängst, den Verlust zu akzeptieren. Kommen erste Ansätze der Neuorientierung auf, kannst du als Außenstehende*r aktiv unterstützen und Hilfestellung anbieten.