Das Zimmer der Verwirrung ist das dritte Zimmer, das du durchschreiten musst. Trauer, Frust und Verlustgefühle machen sich in dir breit. Du realisierst, dass das Alte nicht mehr da ist, nicht mehr gilt oder nicht mehr passt. Weil du die neue Situation noch nicht beherrschen kannst und du dich deshalb unsicher, hilflos und ohnmächtig fühlst, befindest du dich nun im Tal der Tränen. Das ist mit der wichtigste Punkt, an dem du angekommen bist. Im dritten Zimmer passiert das Umdenken und Lernen. Denn erst, wenn du erkennst und verstehst, dass die Veränderung ein Teil deines Lebens werden muss, kann die Bereitschaft auf das Neue wachsen. Bevor du dann in das vierte und letzte Zimmer gehen kannst, entwickelst du Vorstellungen und Bilder von dem Neuen. Im vierten Zimmer, dem Zimmer der Erneuerung, werden diese Bilder schärfer und klarer. Das Neue wird in die Tat umgesetzt. Du probierst neue Sachen aus, passt dich an, machst Erfahrungen, lernst aus Rückschlägen und gewinnst nach und nach wieder an Sicherheit. Jetzt, wo du wieder Orientierung und langsam das Gefühl bekommst, handlungsfähig zu werden, öffnet sich dir wieder die Tür zum Zimmer der Zufriedenheit. Du bist bereit für die nächste Runde.
Diese Gefühlskurve durchlaufen wir bei Veränderungen
Wie im Abschnitt zuvor erwähnt, basiert das Modell der vier Zimmer der Veränderung auf der in 5 Phasen verlaufenden Trauerkurve von der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross. Sie unterscheidet in ihrem 1969/1970 veröffentlichten Buch "On Death and Dying" fünf Sterbephasen, die auf zahlreichen Interviews mit Sterbenden und Trauernden beruhen. Die Phasen nennt sie: Verleugnung und Isolation, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Trauernde durchlaufen diesen Ablauf, um den Verlust eines nahestehenden Menschen zu verkraften und die damit einhergehenden Veränderungen für das eigene Leben zu meistern. Im Alter, wenn sich die eigene natürliche Lebenszeit auch ohne Unfall oder Krankheit dem Ende neigt, werden wir diese Phasen auch durchlaufen. Sie dienen dazu, den inneren Frieden zu finden, um loslassen und gehen zu können.
In den 80er-Jahren wurde dieses Modell dann im Zuge von Change-Management-Konzepten für die zunehmenden Veränderungen in der Arbeitswelt adaptiert. Hier haben beispielsweise die Wissenschaftler Joe B. Hurst und John W. Shepard das sogenannte "Roller Coaster Modell" entwickelt, die "Achterbahn der Gefühle". Dieses Modell umfasst sieben Phasen von Lebenskrisen, die in ihrer Abfolge folgendermaßen beschrieben werden: Schock, Verneinung, Einsicht, Akzeptanz, Ausprobieren, Erkenntnis und Integration.
Ob nun in fünf Phasen, wie bei der Trauerkurve, oder in sieben Phasen: Veränderungen machen etwas mit uns. Auf careelite.de wird anschaulich beschrieben, warum uns Veränderungen meist schwerfallen: "Umstände oder Verhaltensweisen, an die wir gewöhnt sind, geben uns das Gefühl von Sicherheit und Stabilität. Jede Veränderung interpretieren wir dabei als Destabilisation und damit als negativ, selbst wenn die Gewohnheit zu unseren eigenen Ungunsten besteht." Beliebte Beispiele aus dem Alltag sind das Aufhören mit dem Rauchen, die Umstellung der Ernährung oder eine vermehrt sportliche Betätigung. Obgleich wir wissen, dass Rauchen, zu viel Fett, Zucker und Fleisch sowie zu wenig Bewegung unserer Gesundheit nicht förderlich sind, fällt es uns schwer, hier dauerhaft Veränderungen in unseren Alltag einbauen. Stattdessen haben wir immer gern ein paar Entschuldigungen parat (Verleugnung und Verneinung). Erst wenn zum Beispiel gesundheitliche Konsequenzen akut werden, kommen wir zu einer Einsicht. Idealerweise gefolgt von der Akzeptanz und dem Ausprobieren neuer Lebens- oder Ernährungsformen. Wenn sich hier die Erkenntnis verfestigt und zu einer Überzeugung reift, kann die Veränderung in den Alltag integriert werden. Aus eigener Erfahrung wirst du vielleicht wissen, dass es ohne diese wirkliche Überzeugung sehr schwerfällt, eine gewünschte Veränderung dauerhaft beizubehalten.
So gelingt Veränderung
Das Modell zu erklären, ist das eine. Die vier Zimmer nach und nach zu durchschreiten etwas anderes. Wie eingangs erwähnt, hängt es u. a. sehr von deiner Persönlichkeitsstruktur und deiner Einstellung zu Veränderungen ab, ob du sie leicht oder schwer nimmst. Der Grund und die Folgen sind sicher ebenso bedeutsam. Ein Wohnortwechsel, z. B. bedingt durch eine neue Arbeitsstelle, ist sicher nicht vergleichbar mit der Situation, wenn du plötzlich durch einen Unfall oder eine unheilbare Krankheit zu einschneidenden Veränderungen gezwungen wirst. Jedoch unterscheidet das Modell hier nicht nach den Gründen für die Veränderung. Wenngleich das Durchschreiten der vier Zimmer im Falle von Unfall oder Krankheit vermutlich deutlich schwerer fallen wird, als im Falle eines Wohnort- oder Stellenwechsels.
Durch die vier Zimmer der Veränderung zu gehen braucht Zeit, Bereitschaft und Willen zur Veränderung, Bewusstsein und Einsicht, Achtsamkeit und letztlich auch ein klares Ziel. Eine gute Grundausstattung an Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft, schwierige Lebenssituationen und Krisen angehen zu können, schadet sicherlich auch nicht. Es mag entlastend sein, zu wissen, dass unser Gehirn per se auch kein großer Freund von Veränderungen ist. Selbst wenn es mitunter durch seine Plastizität große Kapazitäten und Potenziale bereithält, so ist es doch in seiner natürlichen Funktion zunächst darauf ausgelegt, sehr effizient zu arbeiten. Das heißt, mit wenig Aufwand die lebensnotwendigen Funktionen sicherzustellen. Veränderungen bedeuten für unser Gehirn auch Stress. Es werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Kurzfristig führt dies zu einer Leistungssteigerung. Langfristiger Stress kann dagegen auch Erkrankungen zur Folge haben. Gleichwohl ist unser Gehirn natürlich darauf ausgelegt, zu lernen und Veränderungen erfolgreich zu begegnen. Das lehrt uns die Evolution.
Zwei wichtige Aspekte für das Gelingen von Veränderung sind zum einen die erwähnte Einstellung und zum anderen das Verhalten. Es gibt dazu kleine Hilfestellungen, um von der Komfortzone in die Wachstumszone zu gelangen: Nicht zu viel auf einmal wollen, sich Zeit nehmen, sich über den Prozess der Veränderung und die Konsequenzen bewusst werden, kleine Ziele (Milestones) setzen und sich dazu mit Freund*innen austauschen. Es mag, jedoch individuell unterschiedlich, auch helfen, sich das Worst-Case-Szenario auszumalen. Also, was kann im schlimmsten Fall passieren? Wohl wissend, dass aus Erfahrung nur die wenigsten Dinge so eintreffen, wie unser Kopfkino es manchmal vorgibt.
Fazit
Vor Veränderungen kannst du dich grundsätzlich nicht schützen. Selten sind die Zeitpunkte, Umstände oder Anlässe im Leben perfekt für eine Richtungsänderung. Du kannst jedoch den Umgang mit Veränderung erlernen. Dazu braucht es immer einer gewissen Energie und Tatkraft. Mit dem Wissen um die vier Zimmer der Veränderung, den dich erwartenden Gefühlskurven sowie ein paar kleinen Tipps für das Angehen von Veränderungen solltest du positiv gestimmt den Rundlauf von Zufriedenheit, Ablehnung, Verwirrung und Erneuerung starten können.