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Sonderurlaub bei Tod von Geschwistern: Wie viele Tage stehen dir zu?


Autor: Oliver Jung-Kostick

Deutschland, Donnerstag, 31. August 2023

Sonderurlaub beim Tod von Geschwistern? Was ist das überhaupt? Und wie gehst du am besten vor?
Der Tod von Geschwistern kann traumatisch sein.


Dein Bruder oder deine Schwester sind versterben. Zum Schmerz über den Todesfall gesellen sich die Formalitäten, die deine Familie zu erledigen hat. Für die Arbeit hast du gerade keinen Kopf – trotzdem musst du hingehen. Außer, du hast einen Anspruch auf Sonderurlaub.

Was ist Sonderurlaub?

Sonderurlaub ist nicht mit dem "normalen" Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zu verwechseln. Dieser dient dem Erholungszweck – wovon im Trauerfall keine Rede sein kann. Sonderurlaub hat eine andere gesetzliche Grundlage und wird nicht von deinem allgemeinen Urlaubsanspruch abgezogen. Wichtig ist die Entgeltfortzahlung bei beiden Urlaubsarten, obwohl du nicht gearbeitet hast. Davon zu unterscheiden ist die unbezahlte Freistellung.

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Die allgemeine Vorschrift für Arbeitnehmer*innen ist der § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Er regelt die Lohnfortzahlung in Fällen vorübergehender Verhinderung von Arbeitnehmer*innen:

  • Die Abwesenheit darf nicht erheblich sein. Was erheblich ist, regelt der Paragraf wegen der Überfülle denkbarer Fallgestaltungen nicht ausdrücklich, sondern überlässt die Auslegung den Arbeitsgerichten. Teilweise vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass es bei der Erheblichkeit auf die Dauer der Abwesenheit in Relation zur Dauer des Arbeitsverhältnisses ankommt. Deine Abwesenheit am Todestag und für die Beerdigung könnten daher das Kriterium "nicht erheblich" erfüllen.
  • Die Verhinderung liegt in persönlichen Gründen. Grundsätzlich könntest du arbeiten, es ist dir aber zurzeit psychisch nicht zumutbar. Dies ist ein klassischer Fall des § 616 BGB. Unproblematisch sind dabei 2–3 Tage Sonderurlaub denkbar, wenn es um so etwas Schwerwiegendes wie einen Todesfall im engsten Familienkreis geht.
  • Bei Verwandten in aufsteigender oder absteigender Linie (Eltern, Kinder, Enkel) ist dies juristisch unbestritten. Sie gelten als Verwandte 1. Grades. Geschwister gehören nicht dazu, obwohl sie dir sozial vielleicht sehr nahestehen. Sie sind Verwandte aus der Seitenlinie und damit Verwandte 2. Grades.

Trotzdem vertreten die meisten Fundstellen die Ansicht, dass dir auch beim Tod von Geschwistern 2–3 Tage Sonderurlaub zustehen.

Wo findest du die entsprechenden Regelungen?

Dein Anspruch auf Sonderurlaub kann sich

oder aus 

ergeben.

Als Auffangtatbestand kommt der schon oben erwähnte § 616 BGB in Betracht, der jedoch arbeitsvertraglich wirksam ausgeschlossen sein kann.

Für Beamt*innen existieren andere Rechtsvorschriften:

  • Für Bundesbeamte gilt die Sonderurlaubsverordnung (SUrlV). Hier ist keine Regelungen für den Tod eines Geschwisterteils enthalten. Deshalb müssen sie nach § 22 SUrlV vorgehen und Sonderurlaub in einem anderen Fall wegen eines wichtigen Grundes beantragen.
  • Landesbeamte haben in den beamtenrechtlichen Vorschriften ihres jeweiligen Dienstherrn eigene Regelungen, die nicht inhaltsgleich sein müssen.
  • Für Bayern gilt die Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (UrlMV). In der UrlMV ist der Todesfall eines Geschwisters nicht genannt. Hier kann der Sonderurlaub gewährt werden (§13 UrlMV).

Wie gehst du vor? Was tun, wenn der Betrieb nicht mitspielt?

Trotz Trauerfall besteht deine Verpflichtung zur vertragsgemäßen Arbeitsleistung prinzipiell fort. Die Arbeit ist dir jedoch nicht zumutbar. Willst du Sonderurlaub am Todestag deines Bruders oder deiner Schwester, musst du deinem Arbeitgeber mitteilen, was passiert ist und dass du der Arbeit heute fernbleiben willst. Gleiches gilt für die Beerdigung. Eventuell brauchst du eine Bestätigung für Todesfall und Beerdigung.

Wenn der Betrieb keinen Sonderurlaub gewähren will, müsstest du entweder

  • das zuständige Arbeitsgericht anrufen und per einstweiliger Verfügung durchsetzen, dass du der Arbeit fernbleiben darfst – am Todestag wenig wahrscheinlich. Ist bis zur Beerdigung genügend Zeit, kann dies jedoch ein Weg sein, auch wenn er dir unter den gegebenen Umständen furchtbar schwerfällt. Die Folge kann ein Arbeitsgerichtsprozess sein, indem die Frage deines Anspruchs auf Sonderurlaub und der Entgeltfortzahlung nachträglich geklärt wird.

oder

  • du gehst das Risiko ein, nach Mitteilung des Sonderurlaubsgrundes gegen den Willen des Betriebs der Arbeit fernzubleiben. Vielleicht reagiert dein*e Arbeitgeber*in mit Lohnkürzung oder Sanktionen wie Abmahnung, Kündigung etc. Dann müsstest du den Weg vors Arbeitsgericht beschreiten.

Alternativ kannst du der Arbeit fernbleiben, wenn ärztlich bestätigt wird, dass du von dem Tod deines Geschwisters so betroffen bist, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Das ist dann aber kein Fall von Sonderurlaub, sondern eine ganz normale krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Es gibt keine Auswirkungen auf deinen Urlaubsanspruch. Dein Lohn wird fortgezahlt.

Fazit

Dein Anspruch beim Tod eines Geschwisters ist nicht immer eindeutig geregelt. Tendenziell kannst du als Arbeitnehmer*in aber in den meisten Fällen mit 2–3 Tagen Sonderurlaub rechnen. Gibt es keine expliziten Regelungen, können letztendlich nur Arbeitsgerichte die Unklarheit per Urteil beseitigen. Wird dir Arbeitsunfähigkeit bestätigt, umgehst du diese Klippe elegant. In der Praxis dürften sich die meisten Arbeitgeber*innen kulant zeigen. Doch Kulanz ist eine freiwillige Leistung, auf die eben kein Anspruch besteht.

Es wäre wirklich furchtbar, im Trauerfall auch noch Stress mit dem Betrieb oder Dienstherrn zu bekommen. Doch vielleicht lässt es sich nicht vermeiden. Am besten rufst du einen Fachanwalt oder Fachanwältin für Arbeitsrecht an und verabredest zeitnah einen Termin.

Vor und nach dem Tod gilt es einiges geregelt zu wissen. Lies hier weiter, um informiert und vorbereitet zu sein: