Wie sich Kinder durch Muttermilch genetisch verändern können: Das steckt dahinter

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Muttermilch kann die Gesundheit eines Kindes erwiesenermaßen fördern.
Muttermilch kann die Gesundheit eines Kindes erwiesenermaßen fördern.
Bild: Pexels / Анастасия Войтко

Muttermilch beeinflusst die genetische Entwicklung bei Kindern. Welche Vorteile das Stillen hierbei bietet, sowie weitere spannende Erkenntnisse zur epigenetischen Bedeutung der Muttermilch, erfährst du hier.

Bereits vor der Geburt machen sich Mütter und Väter in der Regel viele Gedanken um die Gesundheit ihres Schützlings. Wie kannst du dein Baby am besten unterstützen? Eine Rolle spielt die sogenannte Epigenetik. Hier kannst du nachlesen, was genau sich hinter dem Begriff verbirgt, was Muttermilch damit zu tun hat und erhältst praktische Tipps.

Was steckt hinter Epigenetik?

Dein Körper besteht aus mehr als 250 verschiedenen Zelltypen. Alle diese Zelltypen besitzen dasselbe Genom. Das Genom wird auch Erbgut genannt und beinhaltet alle in einer Zelle vorhandenen Erbinformationen. Zellen mit demselben Genom können allerdings dennoch verschiedene Aufgaben übernehmen. So erfüllt beispielsweise die Muskelzelle andere Aufgaben als die Leberzelle. Eine Erklärung dafür, dass dies funktioniert, ist die Epigenetik.

Sogenannte epigenetische Modifikationen beschreiben reversible, also umkehrbare, chemische Veränderungen der DNA oder der Histone. Unter Histonen versteht man die Proteine, die die DNA verpacken. Diese Veränderungen sorgen dafür, dass bestimmte Proteine, die die Genexpression vermitteln, entweder angezogen oder abgestoßen werden. Die Genexpression beschreibt also den Vorgang, bei dem eine genetische Information umgesetzt und für die Zelle nutzbar gemacht wird. Die epigenetischen Modifikationen können verschiedene Zelltypen definieren und die Genexpression beeinflussen.

Um eine Modifikation an der DNA oder den Histonen zu bedingen, ist immer ein Enzym notwendig. Das zur epigenetischen Modifikation gehörende Enzym nennt man "writer". Weitere Enzyme können die Modifikationen entfernen, diese nennt man "eraser". Eine dritte Gruppe an Enzymen, die "reader", liest die Modifikationen. Dass epigenetische Modifikationen streng reguliert sind, aber auch immer wieder verändert werden können, liegt an diesen drei Enzymklassen.

Die Rolle der Vererbung in der genetischen Prägung

Im Laufe deines Lebens können sich die epigenetischen Modifikationen also immer wieder verändern. So nehmen unter anderem dein Lebensstil, Stress, Krankheiten und deine Ernährung Einfluss auf das epigenetische Programm der Zellen. Mit der fötalen Genexpression beginnt die frühe Entwicklung des Körpers und seiner Organe.

2.1 Übertragung epigenetischer Informationen

Dass neben der genetischen Information auch epigenetische Veränderungen an die nächste Generation vererbt werden, zeigte bereits 2017 eine Studie des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik. Es können beispielsweise Stress-bedingte Chromatinveränderungen zwischen Generationen vererbt werden. Geforscht wurde an Fruchtfliegen. Anhand der Untersuchungen konnten Nicola Iovino, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut Freiburg, und sein Team aufzeigen, dass epigenetische Veränderungen von der Mutter auf den Embryo übertragen werden.

2.2 Einfluss auf die Genexpression

Veränderungen in der Genexpression können beispielsweise aufgrund der Ernährung erfolgen. Wird die Genexpression früh durch eine Störung verändert, wie beispielsweise durch eine Fehl- oder Mangelernährung, kann dies zu dauerhaften strukturellen Veränderungen der Gewebe und Organe führen. Wie schwer und in welcher Weise die Veränderungen stattfinden, hängt unter anderem vom Zeitpunkt und der Dauer der Störungen ab. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass es einen epigenetischen Zusammenhang zwischen deiner Ernährung während der Schwangerschaft und der körperlichen Entwicklung des Kindes im späteren Alter gibt. Die Studie von Godfrey et al. konnte zeigen, dass bestimmte epigenetische Veränderungen an den Promotoren von Genen mit späterer Adipositas bei Kindern zusammenhängen. Diese Veränderungen waren mit der Kohlenhydrataufnahme der Mütter während der frühen Schwangerschaft verbunden. Die epigenetische Prägung eines Kindes kann allerdings nicht nur während, sondern auch nach der Geburt geschehen. Das Ausmaß des Effekts wird allerdings nach und nach geringer. Dies zeigten beispielsweise Studien mit eineiigen Zwillingen.

Wissenschaftlich belegte Vorteile des Stillens für die Genetik

3.1 Stärkung des Immunsystems

Als wichtigster Einfluss auf die gesundheitliche Prägung eines Kindes nach der Geburt gilt die Muttermilch. Ob zur Reduktion des Adipositasrisikos oder zur Vorbeugung bestimmter Krankheiten im späteren Leben: Stillen ist ein wichtiger Schutzfaktor. Aufgrund seiner besonderen Zusammensetzung liefert Muttermilch dem Baby die wichtigsten Nährstoffe. Das Immunsystem des Babys kann durch die Muttermilch erwiesenermaßen gestärkt werden.

3.2 Langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit

Die Zeit von der Empfängnis bis hin zu dem Alter von zwei Jahren gilt als jene, in der viele epigenetische Faktoren die Chance auf eine spätere Gesundheit erhöhen können. Dies sind etwa die ersten 1.000 Tage im Leben eines Kindes. Die Ernährung von Mutter und Kind in dieser Zeit beeinflusst die Entwicklung der körperlichen Organe, ihre Funktionsweise sowie den Stoffwechsel. Es ist wichtig zu beachten, dass sich der Bedarf eines Säuglings im ersten Lebensjahr sowie im Verlauf des Kleinkindalters immer wieder verändert. Somit muss auch die Ernährung regelmäßig individuell angepasst werden.

Neben der Stärkung des Immunsystems hat Stillen weitere wissenschaftlich erwiesene Vorteile für das Kind. So unterstützt es beispielsweise eine gesunde Darm-Mikrobiota und die Gehirnentwicklung des Babys. Weiter senkt Stillen das Risiko für Durchfall und Mittelohrentzündungen. Stillen kann sich zudem präventiv auf die Entwicklung von Adipositas, Diabetes mellitus und Allergien auswirken. Ehemals gestillte Kinder leiden im späteren Leben seltener an Übergewicht und Diabetes Typ 2.

Praktische Tipps zum Stillen und zur Förderung einer gesunden Entwicklung

4.1 Optimale Stilldauer

2016 ist im Deutschen Ärzteblatt die umfängliche Übersichtsarbeit "Stillen und Beikost" erschienen. Ausschließliches Stillen wird hier in den ersten vier bis sechs Monaten als optimal eingestuft. Ebenso empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Babys in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen. Beikost sollte zwischen dem Beginn des 5. und dem Beginn des 7. Lebensmonats eingeführt werden. Auch nach der Einführung von Beikost sollte weiter gestillt werden. Abstillen ist demzufolge nicht dem Einführen von Beikost gleichzusetzen. Von der Nationalen Stillkommission gibt keine eindeutige Empfehlung dafür, wann abgestillt werden sollte. Dies muss immer im Individualfall entschieden werden und so, wie es für dich und dein Baby am besten passt.

4.2 Ernährung der stillenden Mutter

Stillst du als Mutter, senkt sich auch für dich langfristig das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen und Diabetes Typ 2 ab. Doch wie solltest du dich am besten in der Stillzeit ernähren? Das Europäische Institut für Stillen und Laktation empfiehlt dir als Mutter grundsätzlich eine ausgewogene und vielfältige Ernährung. Am besten richtest du dich nach deinen persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten.

Dein Körper benötigt für die tägliche Bildung von Muttermilch allerdings eine leicht erhöhte Energiezufuhr. Pro Tag benötigst du etwa 500 zusätzliche kcal. Dieser Wert kann bei dir individuell höher liegen, beispielsweise dann, wenn du sehr schlank bist oder während der Schwangerschaft nur sehr wenig zugenommen hast. Eine moderate Gewichtsabnahme von bis zu 2 kg pro Monat wird als gut eingestuft, sofern sie durch körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung erreicht wird.

Fazit

Es ist wissenschaftlich belegt, dass nicht nur die vererbte DNA selbst, sondern auch vererbte epigenetische Modifikationen zur Regulierung der Genexpression des Kindes beitragen. Muttermilch kann in dem Zuge die epigenetische Prägung des Kindes nach der Geburt positiv beeinflussen. Das ausschließliche Stillen wird von vier bis zu sechs Monaten nach der Geburt empfohlen. Wann du abstillst, ist final deine Entscheidung.

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