Erziehung von introvertierten Kindern: Herausforderungen und Chancen

4 Min
Introvertierte Kinder brauchen Zeit für sich.
Introvertierte Kinder brauchen Zeit für sich.
CC0 / Pixabay / Pezibear

Introversion bei Kindern ist ein Thema, das vor allem die Eltern beschäftigt. Wir erklären dir, worauf du bei der Erziehung deines introvertierten Kindes achten solltest und welche Herausforderungen und Chancen es gibt.

  • Eine Introversion ist eine normale Persönlichkeitseigenschaft
  • Introvertierte Kinder müssen nicht zu gesellschaftlichen Kontakten gezwungen werden
  • Bestärke dein Kind und gehe gezielt auf ihn oder sie ein

Introvertierte Kinder wirken auf den ersten Blick oft verschlossen, gehen nur zögerlich auf andere Kinder zu und mögen große Menschenmassen oft nicht. Viele dieser Kinder brauchen Zeit, um sich in unserer kommunikationsstarken und lauten Welt zurechtzufinden. Als Elternteil kannst du deinem Kind dabei helfen. Wir erklären dir, wie das funktioniert.

Was ist Introversion?

Eine Introversion ist eine angeborene Persönlichkeitseigenschaft, bei denen Menschen eher eine nach innen gerichtete Haltung haben. Das Gegenteil davon ist die Extraversion – diese Menschen sind eher nach außen gewandt und verhalten sich entsprechend. Introvertierte Kinder fokussieren ihre Aufmerksamkeit und Energie stark auf das eigene Innenleben. Beispielsweise verhalten sie sich in Gruppen eher beobachtend, still und zurückhaltend.

Das wird im gesellschaftlichen Kontext häufig negativ wahrgenommen, ist es jedoch nicht. Das Bedürfnis nach Geselligkeit ist lediglich geringer, diese Kinder sind in der Regel weder einsam noch unglücklich. Stattdessen benötigen sie sogar Zeit für sich, um neue Energie zu tanken. Die Interaktion mit anderen Menschen kostet sie einiges an Kraft. Zudem ist die Introversion nicht gleichzusetzen mit Schüchternheit. Letztere Eigenschaft zeichnet sich insbesondere durch die Angst eines Menschen vor zwischenmenschlichen Beziehungen aus, dieses Merkmal muss bei einer introvertierten Person nicht zwingend vorhanden sein.

Als Elternteil bist du gefragt, damit dein Kind mit dieser Besonderheit umgehen kann. Gleichzeitig werden introvertierte Kinder häufig missverstanden. Sie sind auch mit sich selbst ganz zufrieden und müssen nicht animiert werden, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten. Es ist nicht so, dass introvertierte Menschen kein Interesse an Freundschaften oder gesellschaftlichen Events hätten, sie suchen genauso wie die meisten anderen Menschen soziale Kontakte und Freundschaften. Lediglich der Umfang und Umgang ist ein anderer.

Introversion und Selbstbewusstsein

Durch die schüchterne Wirkung von introvertierten Kindern nach außen hin, werden sie häufig für diese Eigenheit kritisiert und Außenstehende drängen Hilfe auf, obwohl keine benötigt wird. Die Kinder werden dazu gezwungen, mit anderen zu spielen oder dazu angehalten, nicht so schüchtern zu sein. Das ist einerseits gut gemeint, kann andererseits jedoch das Selbstbewusstsein negativ beeinflussen, denn bereits junge Kinder spüren, wenn Eltern oder Erzieher*innen unzufrieden zu sein scheinen. Im Rahmen deiner Erziehung hast du durchaus einen Einfluss auf die Ausprägung der Introversion, viel mehr jedoch darauf, wie dein Kind damit umgeht. In keinem Fall solltest du versuchen, das introvertierte Kind umzuerziehen. Grundsätzlich ist die Introversion eine normale Persönlichkeitseigenschaft, die in uns veranlagt ist oder eben nicht.

Diese Eigenschaft ist teilweise genetisch bedingt. Durch deine Erziehung hast du einen direkten Einfluss darauf, wie dein Kind die Introversion erlebt. Ganz wichtig ist zu betonen, dass eine Introversion nicht schlecht ist und auch nicht geheilt werden muss. Diese Persönlichkeitseigenschaft geht genau wie alle anderen Eigenschaften mit verschiedenen Stärken und Schwächen einher. Viele Eltern machen sich Sorgen, dass das eigene Kind nicht genügend Freund*innen hat. Doch introvertierte Kinder benötigen gar nicht so viele Freunde, sondern pflegen lieber ein bis zwei intensive Kontakte. Damit dein Kind durch den eigenen Rückzug nicht zu einsam wird, kannst du als Elternteil ein wenig helfen und regelmäßige Treffen mit diesen Personen ermöglichen.

Gleichzeitig planen introvertierte Kinder sehr gerne. Spontane Ausflüge sind nicht unbedingt gut geeignet, sorge stattdessen dafür, dass sich dein Kind gut auf den Tag einstellen kann. Wenn der Tag voll mit verschiedenen Aktivitäten und neuen Begegnungen war, dann solltest du deinem Kind abends ausreichend Zeit geben, um sich zu entspannen. Auch ein ungeplantes Wochenende ist eine gute Idee, so haben die introvertierten Kinder Möglichkeiten, eigene Ideen umzusetzen.

Beachte ebenso diese zwei Besonderheiten von introvertierten Kindern:

  • Die Frage: "Wie war es heute?" ist für introvertierte Kinder nicht einfach zu beantworten. Erwarte keine ausführlichen Geschichten, sondern gib deinem Kind zunächst die Zeit, eigene Gedanken entsprechend zu ordnen.
  • Wenn dein introvertiertes Kind ein eher extrovertiert es Geschwisterkind hat, dann gilt es, gezielt für Ruhezeiten zu sorgen, bevor wieder miteinander gespielt wird. Das introvertierte Kind kommt ansonsten nicht zur Ruhe.

So unterstützt du dein introvertiertes Kind

In jedem Fall solltest du akzeptieren, dass dein Kind introvertiert ist und annehmen, dass es nicht unbedingt gerne mit anderen Menschen kommuniziert oder ständig in Gesellschaft sein möchte. Unterstütze dein Kind in seiner oder ihrer Introversion. Führe es beispielsweise schrittweise an neue Dinge heran, gib deinem Kind immer die Chance, zurückzuweichen und übe keinen Druck aus. Introvertierte Kinder benötigen häufig länger, um sich auf neue Situationen einzustellen. Lob hilft ebenfalls: Wenn sich dein Kind etwas getraut hat, was vorher nicht möglich war, dann erkenne die Fortschritte an.

Gibt einem Kind zudem ausreichend Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Animiere es trotzdem hin und wieder nach draußen zu gehen oder beispielsweise Sport zu treiben. Du kannst ihm oder ihr zum Beispiel Mannschafts- oder Einzelsportarten vorschlagen. Kontakte zu Gleichaltrigen sind wichtig, motiviere dein Kind ohne Druck hin und wieder trotzdem zu geselligen Anlässen zu gehen, in der Regel bereitet das auch introvertierten Menschen Freude. Introvertierten Kinder, die besonders emotional verschlossen sind, tut auch ein Haustier gut. Das kann das Selbstbewusstsein stärken, ist natürlich kein Ersatz für eine Freundschaft.

Wichtig ist, dein Kind nicht zu Aktivitäten zu drängen und keinen Druck auszuüben; sorge stattdessen für eine verständnisvolle und akzeptierende Umgebung. Während unsere Gesellschaft vor allem dazu tendiert, Extraversion zu honorieren, hat die Introversion ebenso viele Vorteile. Diese Kinder schließen tiefere Beziehungen, sind deutlich reflektierter und stärken damit die eigene Kreativität und den Intellekt. Gleichzeitig sind introvertierte Kinder selbstständig und erledigen Arbeiten zuverlässig. Sie sind weniger abhängig von der ständigen Anwesenheit anderer Menschen und damit unabhängiger von unserer Gesellschaft im Allgemeinen.s

Fazit

Nimm die Introversion deines Kindes im ersten Schritt an. Anschließend kannst du es gezielt fördern, aber immer mit der Option, sich zurückziehen zu können. Nur so haben introvertierte Kinder die Möglichkeit, wieder Energie zu sammeln.