"Alice-im-Wunderland"-Syndrom bei Kindern: Anzeichen und Symptome - was Eltern wissen sollten

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Das Syndrom ist nach der bekannten Kinderbuch-Figur Alice benannt.
Das Syndrom ist nach der bekannten Kinderbuch-Figur Alice benannt.
CC0 / Pixabay / Liliya_Arslanova

Das Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS) ist eine neurologische Erkrankung, die bei Kindern und Erwachsenen zu visuellen Verzerrungen führen kann. Doch was steckt dahinter?

  • Was ist das Alice-im-Wunderland-Syndrom?
  • Symptome und Ursachen
  • Wie kann man es behandeln?

Es ist ganz normal, dass Kinder eine blühende Fantasie haben. Berichtet dein Kind hingegen immer wieder von Dingen, die für dich wie seltsame Sehstörungen erscheinen, könnte das sogenannte Alice-im-Wunderland-Syndrom dahinter stecken. Was genau das im medizinischen Sinne bedeutet, welche Symptome sich äußern und ob eine Behandlung notwendig ist, erfährst du hier.

Grundlegendes über das Alice-im-Wunderland-Syndrom

Im Online-Magazin Parents.com berichtet Lindsey Getz, Mutter eines 9-jährigen Sohnes, dass ihr Sohn ihr während einer Grippe einmal sagte, dass sie sehr winzig aussehe. Fast so, als sei sie geschrumpft. Da ihr Sohn fiebrig war, machte sie sich keine Sorgen. Ein weiteres Mal, wieder gesund, äußerte er ihr gegenüber, dass er das Gefühl habe, dass der Raum um ihn herum plötzlich zu schrumpfen scheine. Sie recherchierte im Internet und stieß auf das Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS). Sie war sich sofort sicher, dass ihr Sohn das seltene Syndrom hat.

Der Name Alice-im-Wunderland-Syndrom kommt nicht von irgendwoher: Er bezieht sich auf die bekannte Figur Alice aus dem Kinderbuch Alice im Wunderland von Lewis Carroll. Hier passieren viele unglaubliche Dinge, so wie Arme und Beine, die ins Unermessliche wachsen oder eine plötzlich schrumpfende Umgebung. Auf diese Weise verzerrt nehmen von dem Syndrom betroffene Kinder und Erwachsene ihre Umgebung auf. Eingeführt wurde der Begriff im Jahr 1955 durch den britischen Psychiater John Todd.

Das AIWS ist eine neurologische Erkrankung, die das Gehirn dabei beeinträchtigt, sensorische Eingaben zu verarbeiten. In der Regel hält die gestörte Verarbeitung nur vorübergehend an und ist auch nicht schädlich für Betroffene. Das Syndrom gilt als selten, weshalb bisher wenig daran geforscht wurde. 

Typische Symptome und Ursachen

Lindsey Getz hat sich bei Expert*innen informiert. Anjan Chatterjee, M.D., ein kognitiver Neurologe und Gründungsdirektor des Penn Center for Neuroaesthetics, erläuterte gegenüber Getz, dass die sensorische Verzerrung entweder in Form einer Mikropsie oder einer Makropsie auftaucht. Bei ersterer Form ist es so, dass die Objekte in der Umwelt von Betroffenen als kleiner als sie tatsächlich sind wahrgenommen werden. Umgekehrt kommen Betroffene bei der Makropsie Dinge größer vor, als sie sind.  MaryAnn Mays, M.D., ebenfalls von der Cleveland Clinic, erklärte Getz weiter, dass es beim AIWS zeitweise zu einem Gefühl der Depersonalisierung kommen kann. Dies meint, dass Betroffene sich so fühlen, als würden sie sich von ihrem Körper lösen. Anschließend haben sie das Gefühl, als würden sie auf sich selbst herabblicken können. Ein verändertes Zeitgefühl gilt als weiteres häufiges Merkmal des AIWS. Hier sind zwei Varianten möglich: Entweder fühlt sich die Zeit für Betroffene stark gedehnt an oder sie läuft wie in einem Zeitraffer. Sogenannte "Episoden", also Phasen, in denen Symptome auftreten, halten meist mehrere Minuten an.

Weitere typische Symptome sind:

  • Angst- und Panikzustände
  • starke Müdigkeit
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Kopfschmerz
  • Metamorphopsie
  • Blässe
  • Verwirrtheit
  • Bei Kindern: verändertes Verhalten, wie beispielsweise ein plötzlicher Spielstopp und Rückzug, sowie Stille/Ängstlichkeit
  • Überempfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen

Überwiegend tritt das AIWS bei Kindern auf, jedoch können auch Erwachsene betroffen sein. Das Syndrom tritt meist gemeinsam mit anderen Erkrankungen auf:

  • Atypische Aura bei Migräne oder Epilepsie
  • Migräneattacken
  • Temporallappenepilepsie
  • Gehirnläsion
  • Delir
  • Hohes Fieber
  • Drogenmissbrauch
  • Hypnagoge Halluzinationen: Diese treten beim Wechsel vom Wachzustand zum Schlafen auf.
  • Virusinfektionen, wie beispielsweise das Epstein-Barr-Virus

So sieht die Behandlung aus

Tritt das AIWS bei deinem Kind auf, musst du dir in der Regel keine Sorgen machen: Spätestens im Laufe der Pubertät verschwinden die Symptome meist. Gehen keine gefährlichen Begleitsymptome mit dem AIWS einher, bedarf es keiner Behandlung. Ein Besuch beim Arzt oder einer Ärztin ist empfehlenswert, um eine andere, möglicherweise ernsthafte Erkrankung auszuschließen. Im Fall von Lindsey Getz Sohn blieben die Episoden während seiner Grippe-Genesung bestehen. Als Symptome wie Fieber nachließen, traten teilweise immer noch minutenlange Episoden auf. Die Anfälle ließen nach der Genesung immer weiter nach, bis sie ganz verschwanden.

Eine erprobte Therapie beim AIWS gibt es nicht, da diese in der Regel nicht notwendig ist. Im Fokus der ärztlichen Behandlung steht also, die Grunderkrankung zu behandeln.

Als Elternteil kannst du dein Kind nach Anweisung des Arztes oder der Ärztin dabei unterstützen, die Begleiterkrankung zu behandeln. Wird das AIWS beispielsweise durch eine Migräne ausgelöst, können von dem Arzt oder der Ärztin verschriebene Migränemedikamente der visuellen Verzerrung entgegenwirken. Weiter solltest du versuchen, während der Episoden ruhig zu bleiben und dein Kind zu beruhigen. Merkst du, dass dein Kind sehr ängstlich oder panisch ist, bleibe selbst möglichst ruhig und vermittle ihm Sicherheit.

Fazit

Bei Verdacht auf das Alice-im-Wunderland-Syndrom bei deinem Kind, solltest du dies von einem Arzt oder einer Ärztin abklären lassen. Häufig ist das AIWS auf eine Grunderkrankung zurückzuführen, die ärztlich diagnostiziert und behandelt werden kann. Wird die Grunderkrankung erkannt und behandelt, verschwindet in den meisten Fällen auch das AIWS. Konkrete therapeutische Maßnahmen für das AIWS sind bisher nicht erforscht und in der Regel nicht notwendig.