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Kinder erziehen ohne zu schreien: Streng sein, ohne laut zu werden


Autor: Evelyn Isaak

Deutschland, Dienstag, 23. Mai 2023

Die Kindererziehung stellt Eltern täglich vor große Herausforderungen. Dabei fällt es vielen nicht leicht, streng zu sein, ohne zu schreien.
Schreien in der Erziehung löst bei dem Kind oft Unverständnis aus.


Bei der Erziehung der Kinder kann es in schwierigen Situationen dazu kommen, dass die Stimme mal etwas lauter wird. Gerade in der Trotzphase ist es oft schwer, ruhig zu bleiben. Schreien und Schimpfen hat bei Kindern jedoch in vielen Fällen keinen Effekt und bewirkt nicht das, was du eigentlich möchtest. Wie du auch ohne Schreien erziehen kannst und was das Schreien mit den Kindern macht, verraten wir dir.

Tipps für eine Erziehung ohne Schreien

Wut und Geschrei kann Eltern häufig mit einem unguten Gefühl bis hin zu einem schlechten Gewissen zurücklassen. Oftmals ist es aber so, dass man sich als Elternteil nicht anders zu helfen weiß, als die Stimme anzuheben. Insbesondere dann, wenn das Kind sich in einer Trotzphase befindet, kann der Geduldsfaden schnell reißen. Möchtest du als Elternteil in der Erziehung auf das Schreien verzichten, kann dir dies mithilfe einiger Tipps sicher gelingen.

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In ihrem Buch "Mama, nicht schreien!"* geben die Mütter und Familienexpertinnen Jeannine Mik und Sandra Teml-Jetter zahlreiche Tipps, wie die Erziehung auch ohne Schreien funktionieren kann. Der erste Tipp ist, herauszufinden, woher deine Wut eigentlich kommt. Ist es wirklich die Situation, die dich grade so wütend macht, dass du dein Kind anschreien musst? Oder ist es eher der Stress auf der Arbeit oder die Müdigkeit, die dich ungeduldig machen? Gestehst du dir den wahren Grund für deine Wut ein, kann es einfacher sein, zukünftig anders zu handeln.

Zudem kannst du versuchen, aktiv etwas gegen den Auslöser zu tun. Bist du zum Beispiel müde und ausgelaugt, könntest du anpeilen, am Abend etwas früher ins Bett zu gehen. Vielleicht kann jemand auch für dich ein paar Stunden die Betreuung deines Kindes übernehmen, sodass du dich ausruhen kannst. Anschließend wirst du dich vermutlich viel besser und ganz ohne Schreien auf deine Kinder einlassen können.

Mögliche Gründe, weshalb dein Kind dich wütend macht

Auch Danielle Graf, Bloggerin, Podcasterin und Bestseller-Autorin, berichtet in ihrem Buch "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn"* über die Erziehung ganz ohne Schreien. Sie weist darauf hin, dass Eltern den Entwicklungsstand des Kindes oftmals falsch einschätzen. Es ist nämlich so, dass das Empathievermögen sich durchschnittlich erst ab 4 Jahren entwickelt. Es gelingt deinem Kind also in der Regel erst mit einem Alter von über 4 Jahren, sich auch nur ansatzweise in deine Rolle und deine Gefühle einzufinden. Für Kinder ist es dementsprechend oft unverständlich, woher das Schreien kommt.

Weshalb dein Kind nicht hört oder trotzig reagiert, kann ganz verschiedene Gründe haben. Ein Grund dafür kann sein, dass es ganz natürlich nach Autonomie strebt. Dies meint: Es will eigene Erfahrungen machen und eigene Entscheidungen treffen. Da wir als Erwachsene bereits sehr gefestigte Denkmuster und Verhalten haben, wollen wir dem Kind die Suche nach uns bekannten Antworten ersparen. Jedoch ist es für das Kind sehr wichtig, ständig selbst etwas Neues zu entdecken und auch Versuche zu machen, die scheitern.

Wirft dein Kind nun beispielsweise den Löffel immer wieder vom Tisch, könnte es sein, dass es sich dafür interessiert, ob der Löffel immer gleich schnell fliegt und immer in die gleiche Richtung. Vielleicht fliegt er ja auch einmal hoch statt runter? Dich kann dies natürlich schnell ärgern, da du die Grundsätze der Gravitation bereits kennst. Das Kind möchte sie jedoch gerne selber herausfinden und experimentieren. Hier gilt es, etwas Verständnis aufzubringen und zu versuchen, die Situation und die Gedanken des Kindes zu verstehen.

Stresssituationen entschärfen: So kann es gelingen

In ihrem Buch "Hätte ich netter schimpfen sollen?"* gibt die Kinder-, Jugend- und Sachbuchautorin und Lehrerin Heidemarie Brosche Praxisanleitungen und Hilfestellungen für eine Erziehung ohne Schreien. Wie sie gegenüber Eltern.de erklärt, versuchen es viele Elternteile in der Regel zunächst ruhig und gelassen. Erst wenn das nicht auf Gehör stößt, wird die Stimme oft lauter. Das Schreien entsteht dann häufig auch durch Zeitdruck und die ohnehin schon gegebene nervliche Anspannung.

Folgende Tipps gibt die Expertin, um das Schreien in Stresssituationen zu vermeiden:

  • Versuche einen Perspektivenwechsel: Überlege dir, was dein Kind gerade denkt. Wie empfindet es diese Situation? Wieso reagiert es nicht auf deine Aufforderungen?
  • Überlege dir, ob es bestimmte Zeiten oder Orte gibt, an welchen es häufig eskaliert. Vielleicht könntest du aktiv versuchen, diese Konfliktsituationen zu entschärfen oder sogar zu vermeiden.
  • Bitte andere um Hilfe, wenn du gerade sehr gestresst bist und mit der Situation nicht klarkommst.

Darüber hinaus gibt Brosche Tipps für das "nettere Schimpfen". Dies kann so ablaufen, dass du etwas, was dir wichtig ist, noch einmal mit Nachdruck sagst. Das ist noch kein Schimpfen und auch kein Schreien. Generell ist es wichtig, dass du deine Aufforderung klar formulierst. So gehst du sicher, dass das Kind richtig versteht, was du meinst. Möchtest du etwas an deinem Kind kritisieren, solltest du ihm klarmachen, dass die Kritik sich rein auf das Verhalten bezieht. Andernfalls könnte das Kind sich persönlich angegriffen fühlen. Zuletzt kann es helfen, die Liebe für dein Kind auch in Konfliktsituationen zu zeigen. So kannst du deinem Kind beispielsweise ein kleines Lächeln schenken oder ihm über den Arm streicheln. Dann merkt dein Kind, dass du es immer noch lieb hast und du dich gerade nur über die Situation selbst aufregst.

Das macht Schreien mit dem Kind

Das Kind anzuschreien, kann größere Folgen haben, als du vielleicht denkst. Schreist du dein Kind an, erzeugst du damit psychischen Druck; auch dann, wenn du es wahrscheinlich nicht verletzend oder böse meinst. Zudem ist es oft so, dass dein Kind insbesondere in jüngerem Alter gar nicht wirklich versteht, weshalb du laut wirst. Die Situation vollständig zu greifen, ist für die Kleinen nicht so einfach.

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Schreien in der Erziehung fällt unter die sogenannte emotionale Gewalt. Frühe Erfahrungen emotionaler Gewalt können laut einer Studie der Universität Leipzig rund um die Psychotherapeutin Franziska Schlensog-Schuster schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit der Kinder haben. Emotionale Gewalt führe bei jüngeren Kindern bis acht Jahren vor allem zu Störungen des Sozialverhaltens, bei älteren eher zu Depressionen und Angststörungen.

Es sind die Erlebnisse aus der Kindheit, die uns noch ein ganzes Leben lang prägen. Sind diese Erinnerungen stark negativ konnotiert, kann es dem Kind zukünftig schwerer fallen, sich selbst zu akzeptieren. Darüber hinaus können emotionale Gewalterfahrungen in der Kindheit dazu führen, dass das Kind im späteren Leben nur schwer Beziehungen mit anderen Menschen eingehen kann.

Fazit

Schreien in der Erziehung wird auch emotionale Gewalt genannt. Diese kommt sehr häufig vor, findet öffentlich bisher jedoch wenig Beachtung. Als Elternteil solltest du versuchen, in deiner Erziehung auf das Schreien zu verzichten. Sicherlich ist dies nicht immer einfach, jedoch solltest du die möglichen Folgen für das Kind immer im Hinterkopf behalten.

Bist du mit der Erziehung deines Kindes überfordert, solltest du nicht zögern, dir Hilfe zu suchen. Hier findest du einige Anlaufstellen, die dir gerne bei Schwierigkeiten helfen.