Für Mütter und Väter mit schweren Erkrankungen: Familien-Hörbuch selbst gestalten - das steckt dahinter
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Mittwoch, 29. März 2023
Podcasts und Hörbücher sind beliebt. Rund 42 Mio. Menschen nutzen sie laut Online-Audio-Monitor 2022 mindestens einmal pro Woche. Das Familienhörbuch produziert individuelle Audiobiografien, gesprochen von palliativ erkrankten Müttern und Vätern.
- Was ist das Familienhörbuch?
- Für wen ist das Familienhörbuch gedacht?
- Wie wird es produziert?
- Was kostet ein Familienhörbuch?
Die Familienhörbuch gGmbH ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Köln. Ein bundesweit aktives Team aus über 60 professionellen Audiobiograf*innen und Sounddesigner*innen produziert pro Jahr mittlerweile über 100 Familienhörbücher. Darin erzählen junge, unheilbar erkrankte Mütter und Väter ihr Leben, ihre Geschichte. Gesprochen mit ihrer eigenen Stimme, hinterlassen sie ihren oft noch kleinen und minderjährigen Kindern ein audiobiografisches Vermächtnis.
Für wen ist das Familienhörbuch gedacht?
Im Jahr 2017 gründete die Medizinjournalistin Judith Grümmer das Projekt Familienhörbuch. Es ist als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Daher ist und bleibt die Produktion eines Familienhörbuchs für die Projektteilnehmenden (so werden die Patienten*innen intern genannt) und ihre Familien kostenfrei.
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Zwei Voraussetzungen sind an die Möglichkeit geknüpft, ein Familienhörbuch aufnehmen zu können. Zum einen muss eine unheilbare Krankheit mit einer palliativen, lebensverkürzenden Diagnose vorliegen. Zum anderen müssen die potenziellen Teilnehmenden im Todesfall minderjährige Kinder hinterlassen. Denn das Familienhörbuch ist in erster Linie für Kinder gedacht, die in ihrem noch jungen Leben früh einen Elternteil verlieren.
Mehrere hundert Familienhörbücher sind auf diesem Wege schon entstanden. Geleitet von dem Gedanken, dass die Stimmen von Mutter und Vater das erste sind, das Kinder noch im Mutterleib hören, sollen mit einem Familienhörbuch diese Stimmen über den Tod des verstorbenen Elternteils hinaus weiterleben. Die Hörbücher werden auch wissenschaftlich begleitet. Nach einer bereits 2017-2019 von Prof. Dr. Radbruch und seinem Team durchgeführten und abgeschlossenen Studie an der Universitätsklinik Bonn, wird das Projekt seit Juni 2022 vom Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und der Klinik für Palliativmedizin des Uniklinikums Heidelberg (UKHD) untersucht. Ziel dabei ist herauszufinden, wie sich die Hörbücher auf die Trauerarbeit in den betroffenen Familien auswirken.
Wie wird es produziert?
Für die Produktion eines Familienhörbuchs sind bundesweit mittlerweile über 60 Audiobiograf*innen und Sounddesigner*innen im Einsatz. Interessierte wenden sich mit ihrem Anliegen in der Regel per Mail an das Familienhörbuch. Daraufhin erhalten sie einen sog. "Basisbogen", der ausgefüllt zurückgesandt wird. Nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen und einem positiven Entscheid beginnen die Vorplanungen des individuellen Familienhörbuches. Wenn an der Stelle der Eindruck eines vielleicht unnötig erscheinenden bürokratischen Prozesses entstehen mag, so dient dieser dazu, dass das kostenlose Angebot der Produktion eines Familienhörbuchs nicht ausgenutzt wird.
Audiobiograf*in und Teilnehmer*in vereinbaren in Folge mehrere Termine (bis zu sechs halbe Tage), bei denen Erinnerungen, Erfahrungen und Geschichten gesammelt und aufgezeichnet werden. Die Aufzeichnungen werden in einem den Lebensumständen angemessenen Zeitaufwand realisiert und können im Krankenhaus, im Hospiz, einem Hotel oder Zuhause erfolgen. Die erfahrenen und eigens zertifizierten Audiobiograf*innen unterstützen mit empathisch gestellten Fragen, sodass vielleicht auch zunächst noch vergessene Momente und Erlebnisse wieder ans Licht gelangen. Im Rahmen der Erzählungen lesen die Teilnehmenden Geschichten vor, singen Lieder, zitieren aus früheren Briefen oder tragen Gedichte vor. Selbst eigenes Tonmaterial aus ihrem Leben (Kassettenrecorder oder z.B. Tonmaterial aus alten Ferienvideos) und ausgewählte Musikstücke können eingebracht werden. Abschließend erarbeiten die Audiobiograf*innen mit den Teilnehmenden gemeinsam eine Struktur. Denn ein Familienhörbuch dauert meist mehrere Stunden. Mithilfe eines Inhaltsverzeichnisses können so später die einzelnen Kapitel leichter ausgewählt und angesteuert werden.