Muss eine Seniorin (77) ihre Wohnung für Asylbewerber räumen? Stadt Würzburg wehrt sich

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Weil die Stadt Würzburg nicht mehr in der Lage sei, mehrköpfige Familien unterzubringen, sei die Unterkunft von Krystyna Thiele in Erwägung gezogen worden, berichtet ein Sprecher der Stadt.
Würzburg: Muss Seniorin (77) ihre Wohnung für Asylbewerber räumen? Stadt wehrt sich
Collage inFranken.de (Symbolbild): Sabine van Erp (Pixabay) / Tama66 (Pixabay)

In Würzburg muss eine Rentnerin nach 23 Jahren ihr Zuhause verlassen. Der Grund: Mit ihren zwei Zimmern sei die Verfügungswohnung zu groß für die 77-Jährige, erklärt die Stadt. Ein Stadtsprecher setzt sich diesbezüglich zugleich gegen kursierende Behauptungen zur Wehr.

Ein Vorfall aus Würzburg sorgt aktuell weit über die Grenzen Frankens hinweg für Schlagzeilen: 23 Jahre lang hat Krystyna Thiele in ihrer von der Stadt gestellten Wohnung gelebt. Nun muss die 77-Jährige ihr Zuhause jedoch verlassen. Mit ihren zwei Zimmern sei die 44 Quadratmeter messende Verfügungswohnung zu groß für die allein lebende Seniorin, erklärt die Stadt. Der Platz wird demnach anderweitig benötigt. 

Ausgerechnet an ihrem Geburtstag habe Thiele erfahren, dass sie aus ihrer Wohnung im Würzburger Stadtteil Zellerau in wenigen Tagen ausziehen müsse, heißt es in einem Artikel der Mainpost. Dem Bericht zufolge suchten Mitarbeiterinnen der Stadt die Rentnerin persönlich auf: "Sie haben mir gesagt, dass die Wohnung für mich allein zu groß ist und dass sie meine Wohnung für eine Flüchtlingsfamilie brauchen", wird Thiele in dem Beitrag zitiert. Die Stadt Würzburg dementiert Letzteres jedoch entschieden.

Würzburger Rentnerin muss nach 23 Jahren aus Verfügungswohnung ausziehen - Stadt erklärt Hintergrund

"Es wurde nie gesagt, dass eine Flüchtlingsfamilie einzieht. Das ist aktuell auch nicht der Fall", betont ein Sprecher der Stadt im Gespräch mit inFranken.de. Das Thema "Menschen mit Migrationshintergrund als Nachmieter" sei von den städtischen Mitarbeiterinnen nie angesprochen worden. Eine Unterbringung von Flüchtlingen sei nicht geplant. "Insofern verwehren wir uns gegen diese Darstellung", erklärt der Sprecher.

Er bestätigt zugleich, dass die Seniorin ihre langjährige Bleibe hinter sich lassen muss. Verfügungswohnungen von Kommunen dienen grundsätzlich der vorübergehenden Unterbringung. Sie sind für Familien oder Einzelpersonen gedacht, die obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht sind. Die Betroffenen sind für gewöhnlich nicht in der Lage, sich selbst einen Wohnraum zu beschaffen oder bei Angehörigen unterzukommen. 

In Würzburg herrscht nach Schilderung des Stadtsprechers gegenwärtig akute Wohnungsnot in Hinblick auf Bedürftige. "Die Obdachlosenzahl hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt". Binnen einer Dekade ist die Anzahl demnach von 250 Menschen im Jahr 2013 auf 500 Wohnungslose in diesem Jahr gestiegen. "Wir müssen schauen, dass wir alle unterbringen."

 "Umverlegungen lassen sich mittlerweile nicht mehr vermeiden": Sprecher weist auf prekäre Entwicklung hin

Dem Sprecher zufolge verfügt die Stadt Würzburg derzeit über 140 Verfügungswohnungen in unterschiedlicher Größe. Hinzu kommen 80 Einzelzimmer. Knackpunkt im aktuellen Fall von Krystyna Thiele sind weniger die 44 Quadratmeter, sondern vielmehr die vorhandenen zwei Schlaf- beziehungsweise Wohnzimmer der Verfügungswohnung. "Eine Zwei-Zimmer-Wohnung bietet natürlich die Möglichkeit, mehrere Menschen oder sogar eine Familie darin unterzubringen", erklärt der Sprecher. Dass ein Bewohner die Verfügungswohnung wechseln muss, ist ihm zufolge nichts Außergewöhnliches. "Das ist ein normaler Vorgang, der öfter vorkommt."

Die Unterbringung erfolgt demnach befristet. "Per Antrag kann die Frist aber immer verlängert werden", konstatiert der Stadtsprecher mit Blick auf die 23-jährige Wohndauer am selben Ort im vorliegenden Fall. Laut Angaben der Stadt begründet die vorliegende Form der städtischen Notunterbringung kein privatrechtliches Mietverhältnis. Sogenannte "Umverlegungen" wie im Fall von Krystyna Thiele seien stets die "Ultima Ratio“. "Sie lassen sich jedoch mittlerweile nicht mehr vermeiden, da beispielsweise auch bei Familien mit Kindern das Kindeswohl an erster Stelle steht", heißt es vonseiten der Stadt. 

"Wir verstehen die Sorgen und Nöte von Frau Thiele und die mit einem Umzug gerade für Seniorinnen und Senioren verbundenen Beschwerden", hält der Stadtsprecher gegenüber inFranken.de fest. Der Würzburgerin sei bei ihrem Einzug im Jahr 2000 schriftlich mitgeteilt worden, dass die Unterkunft kostenpflichtig sei und kein Anspruch auf ein bestimmtes Zimmer oder eine bestimmte Wohnung bestehe. Da die Stadt aktuell nicht mehr in der Lage sei, mehrköpfige Familien unterzubringen, sei die Unterkunft von Krystyna Thiele diesbezüglich in Erwägung gezogen worden. "Aus diesem Grund fanden mit Frau Thiele mehrere Gespräche statt", berichtet der Sprecher.

"Sorgt momentan für einen Shitstorm": Stadtsprecher dementiert kursierende Behauptungen

Kritik übt der Sprecher derweil an Berichten, in denen die Rede sei, dass Thiele aus ihrer Wohnung herausmüsse, um Platz für Asylbewerber zu machen. Mitunter werde dabei auch behauptet, die 77-Jährige sei nun wohnungslos. Im Netz haben die entsprechenden Meldungen demnach einen Sturm der Entrüstung hervorgebracht. "Das sorgt momentan für einen Shitstorm", berichtet der Stadtsprecher. "Beides ist aber nicht der Fall." Weder sei der Einzug von Geflüchteten vorgesehen noch stehe die Rentnerin jetzt ohne Dach über dem Kopf da.

Nach Angaben der Stadt erhält die Rentnerin zeitnah ein Zimmer in einer Senioren-WG. "Das neue Zimmer ist etwa vergleichbar groß wie die bisherige Wohnung", sagt der Pressesprecher der Stadt. "Die gesundheitliche Situation von Frau Thiele wie auch die des sozialen Umfeldes wurden bei der Wahl der neuen Unterkunft mit einbezogen", so der Sprecher. "Während ihre jetzige Wohnung im ersten Stock und nicht barrierefrei ist, wird ihre neue Unterkunft in einer seniorengerechten WG und barrierefrei im Erdgeschoss eines Hauses im gleichen Stadtteil sein."

Insofern bleibe auch das soziale Umfeld das Gleiche. Auf derartige Punkte versuche man generell einzugehen. "Die nun angebotene Unterkunft bietet damit sogar eine Verbesserung der Wohnsituation gerade im Bereich Barrierefreiheit", konstatiert der Sprecher der Stadt Würzburg.

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