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Würzburg: Landrat sendet dramatischen Hilferuf - "gesamtes Asyl-System läuft über"


Autor: Ralf Welz

Würzburg, Mittwoch, 10. Mai 2023

Im Raum Würzburg spitzt sich die Flüchtlingskrise immer weiter zu. "Wir sind kurz vorm Limit", betont Landrat Thomas Eberth (CSU). Er fordert die Bundesregierung auf, die Sorgen der Kommunen ernstzunehmen.
Auch das Palatinum in Ochsenfurt ist seit Dezember 2022 wieder eine Flüchtlingsunterkunft geworden. Stockbetten, Mehrbettzimmer und Versorgung werden über das Landratsamt Würzburg organisiert. Vor dem Einzug der ersten Geflüchteten machten sich (v.l.) Ochsenfurts zweite Bürgermeisterin Rosa Behon (CSU), Thomas Kossner (Hochbauverwaltung Landratsamt) und Landrat Thomas Eberth (CSU) ein Bild von der Ausstattung.


  • Flüchtlingsstrom reißt nicht ab: Würzburger Landrat schlägt Alarm
  • "Geld allein reicht nicht, das System läuft über": Behörde sendet Hilferuf
  • Vor Flüchtlingsgipfel: CSU-Kommunalpolitiker nimmt Bundesregierung in die Pflicht
  • "Sind kurz vorm Limit": Wohnraum für Asylbewerber im Raum Würzburg Mangelware

In vielen Regionen wird die Unterbringungen von Geflüchteten sowie von Asylbewerbern und Asylbewerberinnen zunehmend zum Problem. Der nicht nachlassende Zustrom von Menschen aus Krisengebieten stellt die Kommunen vor gewaltige Herausforderungen. Vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern am Mittwoch (10. Mai 2023) in Berlin werden die Forderungen vielerorts immer lauter. Auch in der Würzburger Region befinden sich die Behörden an der Belastungsgrenze. "Der Landkreis Würzburg ist fast am Limit bei der Unterbringung von Geflüchteten und an Integration ist gar nicht zu denken", betont Landrat Thomas Eberth (CSU) im Vorfeld des Treffens von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten. 

Wohnraum für Flüchtlinge im Raum Würzburg wird knapp - Landrat appelliert an Bundesregierung

Der Würzburger Landrat nimmt diesbezüglich die Ampel-Koalition in die Pflicht. "Wir brauchen dringend eine europäische Verteilung und damit eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen und das liegt allein in der Verantwortung der Bundesregierung", wird Eberth in einer Pressemitteilung des Würzburger Landratsamts zitiert. "Der Ukraine-Krieg hat die Wohnraumsituation seit Februar 2022 nochmals verschärft und Unterkünfte werden knapp" berichtet die Behörde.

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Wie in vielen anderen Kommunen seien geeignete Unterbringungsmöglichkeiten auch im Raum Würzburg Mangelware. Laut Angaben des Landratsamts bestehen im Landkreis aktuell bereits 41 dezentrale Unterkünfte in 26 der 52 Landkreisgemeinden. Demnach leben dort derzeit insgesamt 828 Menschen. Dazu kämen vier staatliche Gemeinschaftsunterkünfte (GU) in Aub, Giebelstadt und zwei in Ochsenfurt mit insgesamt 261 Bewohnern sowie zwei Notunterkünfte in Rottendorf (61 Bewohner) und Unterpleichfeld (noch nicht belegt).

"Insgesamt organisiert der Landkreis Würzburg derzeit die Unterbringung von rund 900 Personen in Eigenregie", erklärt das Landratsamt.  Davon kommen demzufolge 300 Menschen aus der Ukraine, 287 aus Afghanistan, 218 aus Syrien und 112 aus Somalia sowie weitere 233 Menschen aus sonstigen Herkunftsländern. 

"Immer schwieriger, neue Unterkünfte zu finden": Landkreis stößt zunehmend an seine Grenzen

Der Behörde zufolge leben darüber gegenwärtig 2488 aus der Ukraine geflohene Menschen in der Region. Diese seien zum großen Teil in privaten Wohnungen untergebracht. Der Dank des Landrats gilt diesbezüglich der Bevölkerung. "Das Engagement der Menschen für die geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer war herzzerreißend", konstatiert Eberth, "ohne dieses hätten wir die Herausforderung nicht meistern können." Doch inzwischen stoße man in der Region an seine Grenzen.

"Nun wird es aber immer schwieriger, neue Unterkünfte zu finden, die der Landkreis als dezentrale Unterkunft einrichten kann. Dabei werden uns von der Regierung von Unterfranken stetig Neuzugänge zugewiesen", schildert der CSU-Politiker die angespannte Situation vor Ort. Wie viele Geflüchtete in einer Region aufgenommen werden, ist vorab gesetzlich geregelt. Die Quoten orientieren sich dabei am sogenannten Königsteiner Schlüssel. Auch im Landkreis Kulmbach wurde die dezentrale Unterbringung zuletzt zunehmend zum Problem.

Der Landrat wendet sich angesichts der prekären Situation mit einem eindringlichen Appell zu Wort. Er bittet gerade die Gemeinden, die bisher noch keine Flüchtlingsunterkunft angeboten haben, noch einmal genau zu prüfen, ob nicht doch Möglichkeiten bestehen. "Wir wollen keinesfalls in die Situation kommen wie in den Jahren 2015 und 2016, wo wir Turnhallen belegen mussten, um den Menschen überhaupt ein Dach über dem Kopf anbieten zu können", stellt Eberth klar. 

"Sind im Landkreis Würzburg kurz vorm Limit": CSU-Politiker sendet Hilferuf 

Allzu rosig fällt der Blick des Würzburger Kommunalpolitikers gleichwohl nicht aus. "Auch Innenminister Joachim Herrmann hat in einer Videoschalte mit den Oberbürgermeistern und Landräten wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation und damit Reduzierung der Flüchtlingszahlen gemacht", berichtet das Landratsamt. Eine Entlastung für die Kommunen erwarte Landrat Eberth beim Flüchtlingsgipfel von Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten nicht, heißt es in der Pressemitteilung des Amts. 

"Die Aufgabe der Unterbringung von Geflüchteten liegt bei den Kommunen, das betont die Bundesregierung derzeit gebetsmühlenartig", so Eberth. Das Problem: Für die Migrations- und Asylpolitik sei die Bundesregierung verantwortlich. Nur sie könne Maßnahmen zur besseren Verteilung und Begrenzung der Migration ergreifen, heißt es vonseiten des Landratsamts. Nicht jede Kommune habe allerdings leerstehende Bundesliegenschaften. "Die Landkreise und Kommunen müssen also finanzieren, organisieren und personell stemmen, was Berlin bestimmt", heißt es in der Mitteilung der Würzburger Behörde weiter.

Der Landrat sendet diesbezüglich einen Hilferuf. "Wir sind im Landkreis Würzburg kurz vorm Limit", hält Eberth fest. Denn es gehe schlussendlich nicht nur um die räumliche Unterbringung der Menschen in der Region. "Eine Flüchtlingsunterkunft ist schließlich nicht für einen dauerhaften Aufenthalt gedacht und geeignet“, gibt der 47-Jährige zu bedenken. "Dennoch belegen rund ein Drittel der dortigen Bewohner die Plätze als sogenannte Fehlbeleger, die längst in eigene Wohnungen ziehen könnten - wenn diese denn da wären", schildert Eberth die Problematik.

Landrat warnt vor Überlastung: "Das gesamte Asyl-System läuft gerade über"

Er warnt vor einer Überlastung. "Das gesamte Asyl-System läuft gerade über, denn Wohnungen fehlen, es fehlen Kita- und Schulplätze und die Mitarbeitenden in den Jobcentern und Ausländerbehörden können die Antragsflut kaum bewältigen. Über eine vernünftige Integration, selbst von Vermittlung in Lohn und Brot sind wir meilenweit entfernt", beklagt der CSU-Politiker. In Zapfendorf (Landkreis Bamberg) führte eine geplante Container-Unterkunft für Asylbewerber unlängst zu beängstigenden Szenen in der Ortschaft. 

Mit Blick auf die anhaltende Flüchtlingskrise fordert der Würzburger Landrat von der Bundesregierung, "nicht immer nur vom Geld zu sprechen", sondern eine bessere europäische Verteilung der Flüchtlinge und damit eine Zuwanderungsbegrenzung nach Deutschland. "Damit wir hier in unseren Gemeinden überhaupt die Chance haben, die Menschen, die bereits zu uns gekommen sind, sinnvoll und menschenwürdig zu integrieren." Eberth ruft die Verantwortlichen in Berlin dazu auf, die Sorgen der Kommunen ernstzunehmen. "Geld allein reicht nicht, das System läuft über", heißt es in der Pressemitteilung des Landratsamts wörtlich. 

Nachdem eine Gesetzesänderung nur mittelfristig umzusetzen wäre, hoffe der Würzburger Landrat auf eine höhere finanzielle Beteiligung des Bundes zur Flüchtlingsunterbringung. Er appelliert außerdem erneut an die Gemeinden, Kirchen, aber auch an Privatleute, Unterbringungsmöglichkeiten zu melden.