Mordverdacht: Den "Besoffensten" hinters Steuer gesetzt - 20-Jährige tot gefahren
2017 verlor eine 20-Jährige ihr Leben, weil ein damals 18-Jähriger sie nach einem Weinfest überfahren hat. Der Beifahrer soll ihn dazu angestiftet haben. Die weiteren Mitfahrer sollen mit Absicht den 18-Jährigen ans Steuer gesetzt haben - er war "am besoffensten".
20-Jährige tot gefahren - "Besoffenster" saß mit Absicht hinterm Steuer.
Foto: Thinkstock
Im Prozess um die totgefahrene 20-jährige im Landkreis Würzburg erhärtet sich der Verdacht des Mordes. Nach einem Weinfest im April 2017 haben drei Deutsche absichtlich den "Besoffensten" ans Steuer eines Autos gesetzt. Während der Fahrt sollen sie ihn angestiftet haben, gezielt auf eine 20-Jährige zuzufahren. Eine Zeugenaussage passt gut ins Bild.
Update vom 24.09.2020, 15.45 Uhr: Mordverdacht erhärtet sich - "Fahr sie um oder überfahr sie!"
Im Berufungsprozess um eine totgeraste 20-Jährige hat sich der Verdacht erhärtet, der betrunkene Fahrer wäre gezielt auf die Fußgängerin zugerast. "Fahr sie um oder überfahr' sie", soll der Beifahrer des Unfallwagens scherzhaft zum alkoholisierten Fahrer gesagt haben. So zitierte ein Ermittler eine Zeugin bei seiner Befragung am Donnerstag vor dem Landgericht Würzburg. Der Beifahrer hätte demnach nicht gedacht, dass der Fahrer tatsächlich auf die Frau zusteuern würde. Der Aussage nach, hätten die drei Mitfahrer den damals 18-jährigen Deutschen nach dem Weinfest im April 2017 bewusst ans Steuer gesetzt, da er "am besoffensten" war und am wenigsten zu befürchten hätte.
Nach dem Aufprall ist der Fahrer auf der Ortsstraße in Richtung Untereisenheim (Landkreis Würzburg) weitergefahren und ohnmächtig geworden. Wie die Zeugin erfahren haben soll, wären die Mitfahrer daraufhin ausgestiegen und hätten das Auto absichtlich einen Abhang herunterfahren lassen. Die drei Deutschen liefen weiter und legten sich schlafen. Rettungskräfte fanden den bewusstlosen Mann am Steuer, nur wenige Meter entfernt von der schwer verletzten Frau. Laut dem Polizisten passt die Aussage der Zeugin "sehr gut ins Bild".
Das Gericht setzte die Hauptverhandlung im Berufungsprozess, in dem es um fahrlässige Tötung geht, am Donnerstag aus. Man wolle zunächst den neuen Ermittlungsansätzen nachgehen. Dem Vorsitzenden Richter zufolge kommt auch eine Verurteilung wegen Mordes gegen den Hauptangeklagten und wegen Anstiftung zum Mord gegen den Beifahrer in Betracht.
In Erster Instanz wurden beide zu Geldstrafen verurteilt.
Update vom 18.09.2020, 13.25 Uhr: Dramatische Wende - Zeugin spricht von "Anstiftung zum Mord"
Der Prozess um die Todesfahrt von Eisenheim (Lkr. Würzburg) nimmt eine dramatische Wende: In erster Instanz war der alkoholisierte Unfallfahrer Nicolas H. im Herbst 2019 noch zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt worden, weil er 2017 die 20-jährige Fußgängerin Theresa Stahl auf dem nächtlichen Heimweg totgefahren haben soll. Doch jetzt gehen Ermittler der Spur nach, ob nicht ein weit schwereres Verbrechen vorliegt: Mord und Anstiftung zum Mord durch einen Mitfahrer.
Am 9. September hatte in Würzburg die Berufungsverhandlung des Falles begonnen. Direkt danach haben Ermittler aus dem Umfeld der Angeklagten Hinweise erhalten, die den Fall in neuem Licht erscheinen lassen: Einer der vier Männer im Auto soll erzählt haben, der Fahrzeuglenker habe – animiert von einem Mitfahrer – die arglose Fußgängerin am Straßenrand gezielt angepeilt und Gas gegeben. Dies würde zu bislang getätigten Zeugenaussagen passen, die beschrieben: Der Wagen habe plötzlich einen Schlenker auf Theresa zu gemacht. Bisher war man davon ausgegangen, dass der betrunkene Fahrer lediglich Schlangenlinie gefahren war.
Anstiftung zum Mord: "Hopp, fahr auf die zu!"
Die neuen Hinweise müssen den Ermittlern zumindest so glaubwürdig erschienen sein, dass sie den Beifahrer am Mittwoch (16. September 2020) festnahmen – nach Informationen dieser Redaktion wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord. Er soll sinngemäß zum Fahrer gesagt haben: „Hopp, fahr auf die zu!“
Am Donnerstag wurde der junge Mann am Landgericht Würzburg vorgeführt und dann in Untersuchungshaft genommen. Die Festnahme bestätigte auf Anfrage Thorsten Seebach, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nähere Details zu den laufenden Ermittlungen nannte er nicht.
Fahrer Niclas H. war am Nachmittag noch auf freiem Fuß. Sein Anwalt Hanjo Schrepfer nannte die „plötzliche Zeugenaussage nach so langer Zeit befremdlich“. Auf der Grundlage dieser Zeugenaussagen „lässt sich ein dringender Mordverdacht gegen meinen Mandanten nicht begründen“. „Wir hoffen bis zuletzt, dass sich jeder meldet und dabei hilft, die Sache aufzuklären, der etwas über den Fall weiß“, sagt Rechtsanwalt Philipp Schulz-Merkel. Er vertritt den Vater der getöteten Theresa Stah
Prozess könnte von vorne beginnen
Der Berufungsprozess am Landgericht Würzburg – bisher unter der Anklage der fahrlässigen Tötung in einem und der unterlassenen Hilfeleistung in drei Fällen – wird nächste Woche fortgesetzt. Bestätigen sich dort die belastenden Aussagen, wird er wohl schnell beendet und beginnt beim Schwurgericht als Mordprozess von vorne. Das Urteil in erster Instanz aus dem Herbst 2019 gegen Niclas H. hatte für helle Empörung gesorgt. Ein Gutachter hatte den jungen Mann im ersten Prozess am Amtsgericht für schuldunfähig erklärt. Da konnte ihn der Richter nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilen, sondern nur zu einer Geldstrafe wegen fahrlässigen Vollrausches.