Trainer Bernd Hollerbach tritt vor dem Relegationsrückspiel der Würzburger Kickers am Dienstag in Duisburg auf die Euphorie-Bremse.
Selbstverständlich tritt der Mann, der leidenschaftlich nicht nur in seinem Beruf das Gaspedal gerne durchtritt, nun kräftig auf die Euphorie-Bremse: "Es ist noch nicht vorbei, und es ist noch gar nichts entschieden", sprach Bernd Hollerbach am Sonntagvormittag, gut 38 Stunden, nachdem seine Würzburger Kickers im Hinspiel der Relegation zur Zweiten Fußball-Bundesliga den Traditionsklub MSV Duisburg mit 2:0 abgewatscht hatten - und damit die Tür in die zweite Beletage der Balltreter-Branche nahezu ausgehebelt.
Recht gut gelaunt stellte sich Hollerbach der Journaille: "Die Stimmung ist nicht so schlecht", und er gab auch zu, dass die Mannschaft am Freitagabend gerne noch etwas länger gefeiert hätte mit den Fans.
Der Zeitplan für die Mission Aufstieg sah aber Anderes vor: Rückfahrt ins Hotel, gemeinsames Abendessen, Pflege, Sauna und am Samstagvormittag das nächste Training.
Außer den 9806 Zuschauern in der ausverkauften Arena am Dallenberg verfolgten knapp 2,9 Millionen Menschen die in der ARD live übertragene Partie, nach der Duisburgs Trainer Ilia Gruev gestand: "Wir haben gewusst, dass es hier richtig schwer wird, und Würzburg hat das auch richtig gut gemacht." Da können allenfalls von der Arithmetik des Fußballs maximal unbefangene Menschen widersprechen.
Ein Extralob für Kurzweg
Die Kickers haben sich diese luxuriöse Ausgangsposition vor dem entscheidenden Rückspiel am Dienstag in Duisburg (19.10 Uhr, live in der ARD) durch einen leidenschaftlichen Auftritt verdient, der die Grenze zur Opferbereitschaft bisweilen überschritt.
Mit Peter Kurzweg und Clemens Schoppenhauer gingen nach Abpfiff gleich zwei Kickers-Akteure mit einem Turban vom Feld. "Sie sind wieder auf dem Weg der Besserung", meinte Hollerbach, er schien ganz angetan vom Einsatz der Seinen: "Die Jungs stehen für den Verein ein, sie stehen füreinander ein, da gibt jeder immer alles. Das ist toll."
Für seinen Linksverteidiger Kurzweg, der mit hingebungsvollem Eifer den Kung-Fu-Tritt von Kingsley Onuegbu an seinen Schädel provozierte, was den Schiedsrichter dazu zwang, Strafstoß zu pfeifen, hatte Hollerbach ein Extralob: "Es gibt nur wenige Spieler, die da den Kopf so hinhalten."
"Wir haben noch 90 Minuten, vielleicht auch mehr", sagte Gruev - und er wusste vermutlich in diesem Moment auch ganz genau, dass das ein wenig nach Pfeifen im Walde klang.
Deshalb eine kleine Exkursion ins Reich der Stochastik: Die Kickers erkämpften sich in der Runde noch vor dem souveränen Meister Dynamo Dresden die beste Auswärtsbilanz aller Drittligisten, sie holten in 19 Partien in der Fremde 36 von 57 möglichen Zählern, schossen dabei 21 Tore und fingen nur zehn, sie verloren nur einmal in diesem Jahr - und drei Tore kassierten sie auch noch nicht in einem Pflichtspiel. Zudem ist ihnen zuzutrauen, auch in Duisburg wenigstens ein Mal zu treffen.
Weil die deutsche Relegation nach internationaler Logik entschieden wird, scheint es also, als ob die Kickers sich intensiver mit den Auflagen befassen sollten, die die Deutsche Fußball Liga für einen Zweitligisten vorschreibt.
Strohhalm verrückte Rückrunde
Die Duisburger klammern sich nun an den Strohhalm ihrer "verrückten Rückrunde", wie es Gruev nannte.
Die Meidericher waren im Winter schon totgesagt und verbrachten 31 von 34 Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz. Eigentlich sollten sie durch ihren erstaunlichen Schlussspurt Selbstvertrauen getankt haben - das aber vergaßen sie offenbar an der Wedau. Allenfalls ein paar Minuten vor der Pause, als sie nach Kontern ihre beiden einzigen Torchancen versemmelten, deuteten die Duisburger ihre Zweitligatauglichkeit an. Ein Klassenunterschied war - über die 90 Minuten betrachtet - nie zu erkennen.
Thomas Brandstetter