Ein Augenarzt in Franken macht seine Praxis vorzeitig dicht. Grund sei die in seinen Augen "desaströse Gesundheitspolitik". Seine Prognose fällt düster aus: "Ich sehe echt schwarz für die Zukunft der Patientenbetreuung."
- Ochsenfurt: Augenarztpraxis macht in Kürze zu - Nachfolger mit Rückzieher
- Bisheriger Praxisinhaber hört vorzeitig auf - nach über 26 Jahren
- "Es existiert viel Frust": Scharfe Kritik an Politik und Krankenkassen
- Mediziner mit vielen Vorwürfen - Verbandssprecher widerspricht entschieden
Augenarzt Dirk Werdermann gibt seine Praxis im unterfränkischen Ochsenfurt (Landkreis Würzburg) auf - nach mehr als 26 Jahren. Der Facharzt für Augenheilkunde beendet seine Tätigkeit zum 31. März vorzeitig. Als Grund für seine Entscheidung nennt der Mediziner eine "desaströse Gesundheitspolitik". Gegenüber inFranken.de übt der 63-Jährige harsche Kritik an Krankenkassen und politischen Entscheidungsträgern.
Ochsenfurt: Augenarzt gibt Praxis vorzeitig auf - heftige Kritik an Politik und Krankenkassen
Die Schließung seiner Praxis sei das Ergebnis eines langen Prozesses, erklärt Werdermann gegenüber inFranken.de. "Vor 25 Jahren konnte man die gleiche Anzahl an Patienten noch mit einem weitaus geringeren Aufwand betreuen." Dadurch sei zugleich mehr Zeit für den Einzelnen verfügbar gewesen. "Heute braucht man zwei bis drei Mal so viel Personal." Als Hauptgründe nennt der Arzt "das Mehr an unnötiger Bürokratie, fehlgerichtete Gesetzesänderungen und die zwangsweise, mit Strafzahlungen versehene, übereilte Einführung einer unausgereiften Digitalisierung, die nur Mehrkosten und Mehrarbeit ohne Vorteile" schaffe. Nach seiner Auffassung gebe es diverse überflüssige Auflagen, Vorschriften und Dokumentationspflichten sowie einen unverhältnismäßigen IT-Betreuungsaufwand. "Ich hatte schon Tage, an denen ich im Stillen hoffte, es kommt jetzt keiner, damit ich meine Zettelwirtschaft und meine Updates erledigen kann", gesteht er. "Das darf doch nicht sein."
inFranken.de hat den GKV-Spitzenverband mit den geäußerten Vorwürfen konfrontiert. Der Verband fungiert laut Eigenbeschreibung als zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland. "Wie viel Personal für den Betrieb einer bestimmten Praxis nötig ist, können wir nicht beurteilen", teilt GKV-Pressereferent Helge Dickau mit. Eine möglichst effiziente Bewältigung von Verwaltungsaufgaben sei gleichwohl im Interesse des gesamten Gesundheitssystems. Welche Regelung überflüssig oder sinnvoll sei, "ist wohl abhängig von der Perspektive", erklärt der Sprecher. Der Augenarzt moniert indessen, dass das kassenärztliche Abrechnungssystem zu kompliziert und darauf angelegt sei, "im Zweifel nichts zu zahlen".
Würden Formvorschriften nicht beachtet oder mengenmäßige Grenzwerte nicht eingehalten, gebe es für die Praxis kein Geld, so der Vorwurf des Mediziners. "Das eigentliche Geschäft ist nicht mehr kostendeckend und nur die Zusatzgeschäfte dienen dem Überleben." Diese Behauptung sorgt aufseiten der Kassen derweil für Verwunderung - "angesichts der Reinerträge, die erwirtschaftet werden". "Die Augenheilkunde rangiert hier weit oben mit einem jährlichen Reinertrag von circa 350.000 Euro je Praxisinhaber", entgegnet Dickau. "Dass es nach Erreichen eines mengenmäßigen Grenzwertes kein Geld mehr gibt, ist falsch." Richtig sei vielmehr, dass die Vergütung für viele Leistungen gedeckelt sei, um eine Mengenausweitung über den medizinischen Nutzen hinaus zu verhindern.
Arzt beklagt stagnierendes Einkommen - Verbandssprecher widerspricht: "Nullrunden gibt es nicht"
Nach Werdermanns Auffassung seien unter anderem die Privatpatienten ein unverzichtbares Zusatzgeschäft für die Praxen. "Sie quersubventionieren sozusagen unfairerweise das Gesundheitswesen", kritisiert der 63-Jährige. Kostenpflichtige Zusatzuntersuchungen für Kassenpatienten würden dagegen von den Krankenkassen "öffentlich massiv diskreditiert", obwohl einige davon unverzichtbar und Stand der modernen Medizin seien, moniert der Ochsenfurter Augenarzt. Auch gegen diese Vorwürfe setzt sich der Verbandssprecher entschieden zur Wehr.
"Davon, dass Privatversicherte das GKV-System 'quersubventionieren', kann keine Rede sein." Der Anteil, den Privatversicherte an den durchschnittlichen Einnahmen einer Praxis haben, nehme seit einigen Jahren leicht ab und liege aktuell bei circa einem Viertel. Kostenpflichtige Zusatzuntersuchungen, sogenannte IGeL-Leistungen, könne man ferner nicht pauschal bewerten. "Manche haben einen Nutzen, andere schaden eher oder haben zumindest keinen nachweisbaren Nutzen", erklärt Dickau. "In der Augenheilkunde wird zum Beispiel häufig eine Augeninnendruckmessung angeboten, um das Risiko des grünen Stars zu vermindern. Studien bewerten diese Untersuchung allerdings eher negativ."
Ich kann die persönliche Lage des Arztes nicht beurteilen, aber da er längst nicht der Einzige ist, der verzweifelt ist oder ebenso verzweifelt Nachfolger sucht, ist da wirklich eine falsche Politik seit Jahren am Werk. Es fehlen Ärzte, aber mit einem Abi mit 1,2 ist man bestimmt nicht doof, aber eine Chance auf einen Studienplatz ist gleich 0. Und die Aussage, dass die Privatpatienten die Praxen subventionieren müssen, kann ich nur unterstreichen. Da bekommt der Arzt den zweieinhalbfachen Betrag (mit Begündung auch den dreieinhalbfachen Satz) für genau dieselben Handgriffe. Nur werden die "Privaten" gerne von den "Kassenpatienten" geschmäht, wegen der angeblich besseren Behandlung. Von wegen - die (Privat-)Patienten zahlen unverhältnismäßig drauf. Während die gesetzlichen Kassen die Beiträge prozentual vom Arbeitslohn berechnen, arbeiten die Privaten kostendeckend, d.h. die Kosten und der erwartete Gewinn werden auf die Personenzahl umgelegt. Da zahlt eine Halbtagskraft der unteren Gehaltsklassen genauso viel wie eine Ganztagskraft in den obersten Diensträngen. Da zahlt dann einer 10 % Krankenkassenbeitrag, der nächste legt 30 % seines Gehalts für die selben Leistungen hin, obwohl immer öfter Leistungen beim Patienten hängenbleiben, da der Arzt berechnet, die Krankenkasse aber die Erstattung als unberechtigt ablehnt. Das ist für Ärzte und Patienten eine schlimme Sache. Immer öfter kann man froh sein, wenn man seit Jahren "Bestandspatient" bei einem Arzt ist, da die aus Überlastung eine Aufnahmesperre haben. Und wenn es in Ochsenfurt - also einer Kleinstadt- schon so eng wird, was sollen dann die Menschen in kleinen Orten machen. Die bekommen keinen eigenen Arzt mehr in den Ort und werden evtl. im Umland auch nicht angenommen.