Unbemerkt schwanger - Blitzgeburt im Badezimmer

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Glückliche Mutter: Susanne Krieg hält ihr Söhnchen Luca in einer Schweinfurter Klinik im Arm. Foto: privat
Glückliche Mutter: Susanne Krieg hält ihr Söhnchen Luca in einer Schweinfurter Klinik im Arm. Foto: privat
Susanne und Ronny Krieg zuhause. Foto: Groscurth
Susanne und Ronny Krieg zuhause. Foto: Groscurth
 
Ein Frauenarzt bei der Untersuchung. Foto: Archiv
Ein Frauenarzt bei der Untersuchung. Foto: Archiv
 
 
 

Eine junge Frau denkt an eine Verstopfung und bringt dann einen kleinen Jungen zur Welt. Ihre Schwangerschaft will sie nicht bemerkt haben.

Irgendwie kann Susanne Krieg noch gar nicht so recht fassen, was da genau in der Nacht auf vergangenen Montag passiert ist. Die 24-Jährige leidet unter starken Bauchschmerzen, geht gegen 0.30 Uhr ins Bad und dort geschieht das Unglaubliche: Die junge Frau bekommt ein Baby, einen Jungen. 2450 Gramm schwer, 47 Zentimeter groß.

Dass sie schwanger war, will sie nicht bemerkt haben. Ihr Ehemann Ronny ist völlig von der Rolle, als er von seinem Bett aus das Baby schreien hört, rasch rennt er zu seiner Frau. "Ich musste wirklich zwei Mal hinsehen. Susanne hielt einen Säugling in ihren Armen", erinnert sich der frisch gebackene Papa zurück. Er war es, der die Nabelschnur mit einer Haushaltsschere durchschnitt, seine Schwester anrief und ihr von der Sturzgeburt erzählte. Die verständigte den Notarzt, der das Baby in eine Schweinfurter Klinik brachte, wo es heute noch liegt. "Unser Zwerg hat eine Magensonde, weil er zu wenig trinkt. Kommende Woche soll er aber aus der Klinik kommen", hofft die Mama. Immer wieder guckt sie sich das Foto ihres Sohnes an und strahlt über das unerwartete Glück.


Keine Schwangerschaftsbeschwerden

Kann man ihr das alles glauben? Immer wieder kursieren solche Geschichten über unbemerkte Schwangerschaften. Monatelang sind Frauen ahnungslos. Meistens erfahren sie erst einige Wochen vor der Geburt, dass sie guter Hoffnung sind (siehe unten). Aber Fälle, dass Mütter bis zuletzt gar nichts mitbekommen, sind selten. Susanne Krieg beteuert im Gespräch mit uns: "Ich habe nichts bemerkt. Ich habe zwar in den vergangenen Monaten etwas an Gewicht zugelegt, aber ich schob das auf meinen Appetit. So etwas wie Übelkeit, die etwa andere Frauen zu Beginn einer Schwangerschaft plagt, kannte ich auch nicht. Mir fiel nur auf, dass ich ein wenig kurzatmiger beim Treppensteigen wurde."

Und wie geht es für die junge Familie weiter? Zunächst einmal muss Susanne Krieg in einem Schnellkurs Babypflege üben. "Andere Frauen lernen das während der Schwangerschaft, können sich auf das Baby vorbereiten. Doch das habe ich eben nicht tun können."


Größere Wohnung ist ihr Traum

Ihr Luca wird zunächst in eine Pflegestelle gebracht, wo sich auch seine Mama unter Anleitung um ihn kümmern kann. "Ich hoffe, dass alles gut geht und unser Kleiner bald zu uns kommt." Papa Ronny wird bis dahin das Schlafzimmer für Luca neu streichen - " ganz in blau" verrät er stolz.

Ihr Traum? "Es wäre schön, wenn wir bald eine etwas größere Wohnung finden würden", sagt seine Frau. Sie genießt ihr neues Leben als Mutter: "Es war zunächst ungewohnt, aber mittlerweile habe ich realisiert, dass mein Zwerg wirklich da ist." Dank der ungewöhnlichen Geburt nachts im Bad.


Hilfe für junge Familie

Spenden Die Stiefschwester der jungen Mutter Susanne Krieg ruft nun zu Spenden auf. Bianca Barthelmes meint: "Da beide so überraschend Eltern wurden, haben sie jetzt natürlich keinerlei Ausstattung für das Baby. Leider lässt die finanzielle Lage keinen Neukauf zu. Wer könnte Babysachen von Kleidung bis hin zu einer Wickelkommode spenden? Wir sind in dieser Lage für alles dankbar."

Kontakt Wer der Familie helfen möchte, kann sich unter bianca.barthelmes@web.de melden - als Betreff bitte schreiben: "Hilfe für Luca".



Das sagen Experten zur unbemerkten Schwangerschaft

In den sozialen Medien wird derzeit heftig diskutiert, ob eine unbemerkte Schwangerschaft wie in Schweinfurt wirklich möglich ist. Wie aber bewerten Mediziner dieses Phänomen? In den meisten Fällen ist eine Schwangerschaft nun wirklich nicht zu übersehen. Die Periode bleibt aus und der Bauch wird immer praller und runder. Kaum vorstellbar, dass es Frauen gibt, die eine Schwangerschaft überhaupt nicht bemerken. Und dass auch ihre Umwelt nicht sieht, dass bald ein Baby kommen wird.

Doch tatsächlich ist das Phänomen der unerkannten Schwangerschaft gar nicht so selten. Der Gynäkologe Jan Wessel geht davon aus, dass in Deutschland etwa 1500 Schwangerschaften zunächst unbemerkt bleiben - davon 300 Fälle sogar bis zur Geburt. "Dass eine Frau erst bei der Geburt von ihrer Schwangerschaft erfährt, kommt dreimal so häufig vor wie eine Drillingsgeburt", sagt Wessel. Für seine Habilitation erstellte er die weltweit umfassendste Studie zu dem Thema, in die sämtliche Berliner Geburtskliniken einbezogen waren. Anhand der Mutterpässe erfassten Krankenhäuser und weitere Einrichtungen, etwa Geburtshäuser und Arztpraxen, ein Jahr lang alle Fälle in der Stadt, bei denen die Schwangerschaft erst ab der 20. Woche medizinisch festgestellt worden war - oder sogar erst bei der Geburt.

Die betroffenen Frauen wurden von Wessel ausführlich befragt und untersucht. 65 von ihnen waren nicht frühzeitig zum Frauenarzt gegangen, weil sie monatelang gar nicht bemerkten, dass sie schwanger waren. Und zwölf davon hatten sogar bis zur Geburt nie den Gedanken gehabt, dass sie ein Kind erwarteten - darunter eine Mutter von Zwillingen, die in der 39. Woche überraschend geboren wurden.


Unerkannte Schwangere: Selbst Ärzte liegen manchmal falsch

Offenbar erkennen sogar Ärzte manchmal nicht, dass sie eine hochschwangere Patientin vor sich haben. Wessel schildert den Extremfall einer 33-Jährigen, die im siebten Monat auf den Gedanken kam, dass sie schwanger sein könnte. Doch der Frauenarzt, den sie aufsuchte, habe auf eine Unterleibsentzündung getippt, berichtete die Frau. Weil sie immer weiter zunahm, sei sie zu einer anderen Ärztin gegangen - die die Schwangerschaft ebenfalls nicht festgestellt habe. Der Hausarzt der werdenden Mutter schickte die Patientin schließlich zur Computertomographie, um ein Karzinom auszuschließen. Auch dort sei die Schwangerschaft nicht aufgefallen, man habe lediglich Gallensteine diagnostiziert. Noch am Abend brachte die Frau zu Hause ihr Kind zur Welt. Sie war bereits in der 40. Woche.

Aber warum fällt der Babybauch nicht auf? Bei einer verdrängten Schwangerschaft wölbt sich der Bauch manchmal sehr viel weniger als üblich oder überhaupt nicht, ist das Ergebnis einer französischen Studie. Das ändere sich aber, sobald der Arzt die Schwangerschaft feststellt: Der Bauch werde danach oft sehr schnell größer.
Selbst der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, Dr. Christian Albring, hat schon eine Frau entbunden, die mit starken Unterleibsschmerzen in seine Praxis kam. Es handelte sich aber um Geburtswehen. Von der Schwangerschaft hatte die werdende Mutter nichts geahnt.


Blutungen werden falsch interpretiert

Betroffen sind meist sehr junge Frauen oder Frauen mit Gewichtsproblemen. Albring erklärt: "Ist eine Frau übergewichtig, hat unregelmäßig ihre Blutungen und der Muttterkuchen liegt so, dass die Frau Kindsbewegungen erst spät oder nur schwer spüren kann, ordnet die Frau die Schwangerschaftszeichen einfach falsch ein. Die Kindsbewegungen werden dann als Blähungen fehl gedeutet, die Gewichtsschwankungen hat die Frau sowieso."

Auch während der Schwangerschaft könne es zu Blutungen kommen. Das sind dann zwar keine Regelblutungen, sondern meist Blutabsonderungen - bedingt durch die Lage des Mutterkuchens oder aufgrund von Scheidenentzündungen. Das missinterpretieren Frauen als Menstruation.

Neben unregelmäßiger Periode können aber auch noch andere Ursachen für das Nicht-Wahrnehmen der Schwangerschaft verantwortlich sein, beispielsweise dass die Schwangere einfach verdrängt, was da in ihrem Körper vorgeht. Andreas Birkhofer, Facharzt für Psychotherapie, erklärt, dass oft ein seelischer Konflikt schuld ist: "Indem eine werdende Mutter ihre Schwangerschaft verdrängt, kann sie zumindest vorübergehend eine innere psychische Stabilisierung erreichen."