Zeltstadt in Nürnberg: Viele Flüchtlinge bleiben nur eine Nacht

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Viele Feldbetten reihen sich aneinander in der Zeltstadt in Nürnberg. Foto: Nikolas Pelke
Viele Feldbetten reihen sich aneinander in der Zeltstadt in Nürnberg. Foto: Nikolas Pelke

Jeden Abend kommen neue Flüchtlinge nach Nürnberg. In einer Zeltstadt in einem Freibad am Stadion werden bis zu 850 Menschen mit warmen Essen, einem schmalen Bett und beheizten Zelten versorgt. Die meisten Flüchtlinge bleiben nur eine Nacht.

Aus einem Freibad hat Nürnberg eine Zeltstadt für Flüchtlinge gemacht. Auf den ersten Blick erinnert die Szenerie an den Sommer. Palmen und Liegestühle stehen im Sand. Noch mag die Zeltstadt im Schatten des Franken-Stadions nach Camping ausschauen. Aber schon bald werden die Nächte kälter. Die Feuerwehr bereitet sich schon auf schlechteres Wetter vor.

"Wir haben gerade alle Wege mit Hackschnitzeln befestigt, damit wir hier kein Matschproblem bekommen", sagt Matthias Ottinger von der Berufsfeuerwehr der Stadt. Die Becken hat die Feuerwehr schon lange abgeriegelt. "Wir wissen nicht ob die Menschen schwimmen können. Um kein Risiko einzugehen, sind alle Schwimmbecken abgeriegelt", sagt der Leiter des Einsatzstabes.


Jeden Abend kommen neue Flüchtlinge in der Zeltstadt an. Am nächsten Tag reisen die meisten Flüchtlinge weiter. Am Dienstagmorgen haben sich noch rund 400 Menschen im Stadionbad aufgehalten. Am frühen Nachmittag sind nur noch knapp 100 Flüchtlinge da. "Wir bereiten uns auf den nächsten Ansturm vor. Das bayerische Sozialministerium hat angekündigt, dass am Abend rund 560 weitere Personen mit Bussen und einem Sonderzug aus dem Raum Passau nach Nürnberg in die Zeltstadt kommen", sagt Ottinger.

Die Feuerwehr nutzt die kurze Verschnaufpause, um sich auf die Neuankömmlinge vorzubereiten. Hygiene-Pakete werden gepackt. Ein Lieferwagen vom Großmarkt steht vor dem Eingang, um die Essensvorräte zu erneuern. Auch an Spielzeug für die Kinder hat die Feuerwehr gedacht. Derweil stehen die meisten Menschen in der Essensausgabe. Ein Mann bringt seinen kleinen Sohn mit einer Mittelohrentzündung zu den Sanitätern vom Arbeiter-Samariter-Bund. Im großen Zelt hocken die Flüchtlinge auf ihren Feldbetten.

Viele genießen in aller Stille die warme Mahlzeit. Andere suchen eine freie Steckdose, um das Mobiltelefon aufzuladen. Der 24-jährige Mehdi aus dem Iran erzählt, wie er mit seinen Freunden nach Deutschland geflohen ist. Vier Wochen habe die beschwerliche Reise gedauert. "Jetzt wollen wir nach Hamburg. Dort wohnt mein Vater. Meine Freunde haben auch Verwandte in Hamburg." Amir Ali ist aus Afghanistan geflohen. Der 15-Jährige weiß noch nicht genau, wo seine Reise einmal enden soll. "Ich will in den Norden. Nach Schweden oder Norwegen. Ich muss noch einen Freund anrufen, damit er auch nach Nürnberg kommt", sagt Amir Ali und schnappt sich ein Telefon.

Mittlerweile habe es sich herumgesprochen, dass Nürnberg eine ordentliche Zeltstadt für Flüchtlinge zu bieten hat. "Bei uns muss niemand frieren. Die Zelte sind mit festem Boden und Heizung ausgestattet", sagt Ottinger, der Einsatzleiter von der Feuerwehr. Freilich funktioniere die Zeltstadt-Lösung nur im Herbst. "Für den harten Winter mit langen Frostperioden reichen die Zelte nicht mehr aus." Trotz der langen Flucht seien die Flüchtlinge in einer erstaunlich guten Verfassung, berichtet Ottinger. Vorher habe man die Flüchtlinge nur aus dem Fernsehen gekannt. Nun seien sie in Nürnberg angekommen. Derweil bringen Georg und Ulla Illauer vom benachbarten Club-Bad in großen Kartons Brötchen und Eis vorbei. "Bevor wir es wegschmeißen, bringen wir es doch lieber den Kindern hier", sagen die Kioskbetreiber.


Feuerwehr hat alle Hände voll zu tun

Um die Betreuung kümmern sich Mitarbeiter des Sozialreferats. Dort koordiniert man auch den Einsatz ehrenamtlicher Helfer. Die Feuerwehr hat schon alle Hände voll zu tun, die Logistik rund um die Uhr aufrecht zu erhalten. Container für den Müll müssen jederzeit bereit stehen. Den meisten Müll verursache die Einmal-Bettwäsche. Für rund 850 Menschen sei die Zeltstadt ausgelegt. "Das funktioniert noch gerade so. Aber wenn noch mehr Flüchtlinge nach Nürnberg kommen, geraten wir schnell an unsere Kapazitätsgrenze", ist sich Ottinger sicher.

"Die Feldbetten werden im ganzen Land knapp. Letzte Woche hat ein Feldbett noch 50 Euro gekostet. Heute müssen sie für ein Feldbett schon 100 Euro bezahlen." Mit "Krisengewinnlern" hat die Feuerwehr schon negative Erfahrungen machen müssen. Busunternehmen würden beispielsweise plötzlich Mondpreise verlangen. "Die ehrenamtlichen Helfer sind die Einzigen, die nichts an den Flüchtlingen verdienen wollen."

Von diesen negativen Seiten bekommen die jüngsten Flüchtlinge freilich nichts mit. Ein Mädchen mit schwarzen Locken und dunklen Augen hüpft mit einer Banane in der Hand durch das Zelt. Ein kleiner Junge zerlegt freudestrahlend ein Feldbett. "Hauptsache der Junge hat was zum Spielen", sagt Ottinger und lacht für einen kurzen Moment. Dann bimmelt erneut sein Telefon. Nach dem Anruf ist der Ernst schnell zurück auf seiner Miene. "Die 460 Flüchtlinge sollen jetzt nicht erst um 19.30 Uhr sondern schon um 18 Uhr kommen", sagt Ottinger und verschwindet im einem der vielen Zelte.