Zwei 17-jährige Kontrahenten haben die 16-Jährigen aus Heroldsberg in der Nacht auf Samstag (26.01.19) im Streit in die Gleise geschubst. Gegen 00.15 Uhr war es am Samstag laut Polizei zwischen mindestens fünf Jugendlichen am Bahnsteig aus "einem völlig nichtigen Anlass" zu einem Streit. Im Verlauf der Auseinandersetzung gerieten drei Jugendliche - alle 16 Jahre alt - ins Gleisbett. Während sich einer der Jugendlichen noch rechtzeitig aus dem Gleisbett retten konnte, wurden die anderen beiden 16-Jährigen von einer S-Bahn erfasst und mitgerissen. Sie waren sofort tot.
Die Heimatgemeinde Heroldsberg im Kreis Erlangen-Höchstadt trauerte am Samstagmittag. Während eines ökumenischen Trauergottesdienstes sagte der evangelische Pfarrer Thilo Auers in seiner Trauerrede, Gott halte die beiden "unendlich sanft in seinen Händen". Es gebe eine Zuversicht, die die Grenzen des Todes sprenge.
Ermittlungen wegen vorsätzlichen Totschlags
Nach der tödlichen Tragödie wird gegen zwei 17-jährige Jugendliche wegen vorsätzlichen Totschlags ermittelt. Dem bisherigen Kenntnisstand zufolge hätten die beiden jungen Männer billigend in Kauf genommen, dass ihre Kontrahenten von einem herannahenden Zug erfasst werden, sagte Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke der Deutschen Presse-Agentur.
Prozess gegen mutmaßliche S-Bahn-Schubser begonnen: "Erziehungsgedanke im Vordergrund"
Ein Ermittlungsrichter erließ gegen zwei 17 Jahre alte Jugendliche Haftbefehle wegen zweifachen Totschlags. Sie kamen in Untersuchungshaft.
Weiterhin Zeugen der Tat gesucht
Das Fachkommissariat der Kriminalpolizei Nürnberg richtete schließlich die Ermittlungskommission "Frankenstadion" ein. Es werden weiterhin Zeugen gesucht, die sachdienliche Wahrnehmungen zum Tatgeschehen gemacht haben. Hinweise können rund um die Uhr unter folgender Rufnummer beim Kriminaldauerdienst Mittelfranken hinterlassen werden: 0911/2112-3333.
Sollten zu den Geschehnissen auf dem Bahnsteig "Frankenstadion" digitale Aufzeichnungen in Form von Video- oder Bildmaterial vorhanden sein, bittet die Polizei darum, diese zur Verfügung zu stellen. Hier ist dies anonymisiert möglich.
Passanten oder Fahrgäste, die wegen des Ereignisses auf dem Bahnsteig Hilfe benötigen oder hierdurch in eine seelische Notlage geraten sind, können sich kostenfrei und auf Wunsch anonym an den Krisendienst Mittelfranken wenden. Die Angebote des Krisendienstes unterliegen sowohl der Schweigepflicht als auch dem Datenschutz.
Fußballverein der beiden getöteten Jungen trauert
Die beiden 16-Jährigen, die bei der Tat ums Leben gekommen sind, waren begeisterte Fußballer, wie Fotos der beiden Jungs an der Rathaustreppe in Heroldsberg im Landkreis Erlangen-Höchstadt zeigen. Der Fußballverein des Ortes, bei dem die Jugendlichen aktiv waren, veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite ein Foto, das zahlreiche Kerzen und Fotos in Gedenken an die beiden verunglückten Jungen zeigt. Eine für das Wochenende geplante Veranstaltung war wegen des tragischen Unglücks abgesagt worden.
"Es ist nicht in Worte zu fassen. Wir sind in einer gewissen Schockstarre", sagte die erste Vorsitzende des Turn- und Sportvereins Heroldsberg, Stefanie Piegert der Deutschen Presse-Agentur. Die 16-Jährigen hatten dort von Kindesbeinen an Fußball gespielt, zuletzt in der A-Jugend. "Es waren tolle Spieler, nette, freundliche Menschen." Die Spieler der beiden Erwachsenen-Mannschaften würden sich der Mitspieler der Jugendlichen annehmen und bei der Trauerarbeit helfen, sagte Piegert.
Einige Jugendliche, die das Unglück am Samstag hautnah miterlebt hatten, berichten gegenüber BR24 davon, die Bilder der traumatischen Nacht nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen. Auch schliefen sie schlecht. Gesprächsangebote durch Notfallseelsorger oder Krisendienste seien jetzt besonders wichtig, sagte Patrick Nonnell, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie im Kindes- und Jugendalter am Klinikum Nürnberg dem BR.
Der Psychologe hat auch eine Erklärung dafür, warum es häufig Jugendliche und junge Männer sind, die in Gewalt und Schlägereien verwickelt werden. Der Grund: Falsche Rollenvorbilder und Identifikationsfiguren. Gewalt bei Männern werde in der Gesellschaft häufig als positiv dargestellt - zum Beispiel in Filmen oder Serien. Jugendliche wetteifern dann einem starken Helden nach. Auch die Suche nach "Kick-Erlebnissen" spiele laut Nonnell eine gewichtige Rolle.
Heroldsberger beklagen sich über aggressive Journalisten und Kameramänner
Unterdessen beklagen sich einige Einwohner Heroldsbergs (die beiden Opfer stammen aus Heroldsberg im Kreis Erlangen-Höchstadt) über aufdringliche Journalisten und Berichterstatter. Bürgermeister Johannes Schalwig sagte gegenüber den Nürnberger Nachrichten: "Es ist einfach unmöglich, wie versucht wurde, Jugendliche abzufangen und aus ihnen etwas herauszuquetschen". Auch seien Jugendliche bis nach Hause verfolgt worden, um Details zu Samstagnacht zu erfahren. Ebenso ist von aggressiven Kameramännern die Rede, die sich am Rathausplatz positioniert hatten, wo Trauernde auf einer Treppe Lichter für die beiden getöteten Jugendlichen aufstellten. Einer der Kameramänner soll Umstehende beschimpft haben, als sie ihn aufforderten, an dem Ort der Trauer nicht zu filmen.
Laut dem Nürnberger Bericht gehen die Familien der beiden Opfer nun auch gegen die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung vor und haben eine Abmahnung geltend gemacht. Die "Bild" hatte Fotos der Verstorbenen veröffentlicht und dabei auch noch die Namen vertauscht. Auch eine Comic-Zeichnung zu dem Unglück empfanden Schüler im Ort als geschmack- und würdelos.
Tragödie in Nürnberg - Schweigeminute bei Club-Spiel
Der Fußball-Bundesligist 1. FC Nürnberg kündigte an eine Schweigeminute am Samstag im Vorfeld des Bundesliga-Heimspiels gegen den SV Werder Bremen (15.30 Uhr) an.
Was war der Grund für die Auseinandersetzung?
Wie die Jugendlichen ins Gleis gerieten und was den Streit auslöste, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. "Es kann noch kein Zwischenstand mitgeteilt werden, um nicht die noch anstehenden weiteren Zeugenvernehmungen zu beeinflussen", erklärte Staatsanwältin Gabriels-Gorsolke.
Diashows:
Zur Tatzeit warteten auf dem Bahnsteig laut Polizei rund 150 vor allem junge Menschen. Sie kamen von einer Party in einer nahegelegenen Diskothek und wollten mit einem der letzten Züge nach Hause fahren. Deswegen seien die Ermittlungen zum genauen Geschehen sehr schwierig, Dutzende Zeugen müssten befragt werden. Die Kripo wertet auch die Videoaufnahmen der Überwachungskameras aus dem Bahnhof aus.
Mehrere Notfallseelsorger und weitere Betreuungskräfte kümmerten sich um die Beteiligten und Betroffenen. Die Verkehrsaktiengesellschaft Nürnberg stellte zwei Linienbusse zum witterungsbedingten Aufenthalt zur Verfügung.
Tödliche Schlägerei an S-Bahnhof in Nürnberg - weitere Bilder
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Für die Dauer der Tatortaufnahme blieb die Strecke für den Zug- und S-Bahnverkehr über mehrere Stunden gesperrt. Es kam zu massiven Störungen im S-Bahn-Betrieb. ak/dpa
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