Ungewöhnliche Themen und Stimmung: Das war der Kirchentag in Nürnberg
Autor: Agentur dpa
Nürnberg, Sonntag, 11. Juni 2023
Debatten um Klima und Wachstum, um Krieg und Frieden. In Nürnberg endet ein hochpolitischer Kirchentag - und einer, an dem einiges anders war als sonst.
Ein Bundespräsident, der sich Gedanken darüber macht, wie Wasser zu Wein wird. Ein CDU-Chef, der sich fragt, wie es nach dem Tod weitergeht - und ein bayerischer Ministerpräsident, der in der Bibel-Geschichte über Josef und seine Brüder vor allem «"Gute Zeiten, schlechte Zeiten" in der Bibel» sieht.
Spitzenpolitiker haben den Evangelischen Kirchentag in Nürnberg, zu dem rund 70 000 Besucher kamen, auch dazu genutzt, ihre religiösen Gedanken zu formulieren. Der eine mehr, der andere sehr viel weniger fundiert. In Erinnerung bleiben wird der Kirchentag aber nicht, weil die Politiker sich von ihrer religiösen Seite zeigten - sondern die evangelische Kirche sich explizit politisch präsentierte und ganz anders, als man es von ihr kennt.
Applaus für Bundeswehr-Inspekteur - trotz pazifistischer Stimmung
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, das Umfrage-Hoch der AfD, der Klimawandel: All dies macht der Kirchentag zum Thema und gibt Spitzenpolitikern viel Raum, das auch zu tun.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verteidigen den Asylkompromiss und ihre Außenpolitik im russischen Angriffskrieg, CDU-Chef Friedrich Merz wendet sich klar gegen jede Form von Appeasement-Politik Russland gegenüber. Alle drei bekommen am Samstag viel Applaus - ebenso wie am Vortag der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, mit seinem erwartbar klaren Ja zu Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet.
«Ich habe mit bebendem Herzen gewartet, wie er begrüßt wird», sagt Kirchentagspräsident Thomas de Maizière am Sonntag zum Abschluss der fünftägigen Veranstaltung. Das Kirchentagspublikum gilt traditionell als pazifistisch. Dass auch Breuer mit Applaus begrüßt worden sei, spreche für das offene und respektvolle Diskussionsklima.
Klimadebatte bekommt viel Raum
Einige Politiker wären früher vielleicht eher ausgebuht worden, sagt auch die Generalsekretärin des Kirchentags, Kristin Jahn. «Ist vielleicht auch gut, dass sich da was ändert.» Denn die gesellschaftlichen Herausforderungen seien groß und bräuchten ein Mit- und kein Gegeneinander.
Altbundespräsident Joachim Gauck greift das in einer Diskussionsrunde mit Baerbock auf und betont, Pazifismus sei eine wunderschöne Idee. «Leider hab ich aber lernen müssen, dass wir manchmal auch in einer romantischen Blase waren», sagt er, und «dass es einen Unterschied gibt zwischen unseren schönen Visionen und Wünschen und dem, was politisch machbar ist». Er betont: «Natürlich musst Du dem Überfallenen helfen. Was denn sonst?» Das sieht er wie Baerbock, die sagt: «Auf der Seite des Angreifers zu stehen, ist für mich keine Option.»