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Schwere Unwetter in Bayern: Schäden, Verletzte, Katastrophenalarm


Autor: Redaktion

Nürnberg, Sonntag, 20. August 2017

Das Unwetter über Bayern hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Mehrere Menschen wurden verletzt. Auch Mittelfranken hat es schwer erwischt.
In Stinzendorf (Landkreis Fürth) wurden mehrere Scheunen dem Erdboden gleichgemacht. Foto: NEWS5 / Schmelzer


Ein Unwetter mit Starkregen, Gewittern und zum Teil orkanartigen Sturmböen ist am Freitagabend über weite Teile Bayerns gezogen und hat zu großen Sachschäden geführt. Zahlreiche Menschen wurden verletzt. Die Veranstalter des Chiemsee-Summer-Festivals in Übersee (Landkreis Traunstein) sagten am Samstag den letzten Tag des Events ab. Die Verwüstung auf dem Gelände und die Schäden an den Bühnen seien zu groß, teilten die Veranstalter mit. Der Bahnverkehr war gerade in Ober- und Niederbayern am Samstag noch auf vielen Strecken wegen Ästen und Bäumen auf den Gleisen beeinträchtigt. Im Landkreis Passau wurde Katastrophenalarm ausgelöst.


Zwei Tote bei Aufräumarbeiten im Landkreis Passau

In Österreich kamen zwei Menschen ums Leben, nachdem ein Sturm ein Festzelt eingerissen hatte.

Allein die Einsatzzentrale des Präsidiums Oberbayern Süd verzeichnete zwischen 21.00 und 1.00 Uhr mehr als 700 Einsätze, Notrufe waren zeitweise überlastet. In München meldete die Berufsfeuerwehr 136 zusätzliche Einsätze wegen des Unwetters. Die integrierte Leitstelle Nürnberg erreichten nach Feuerwehr-Angaben unwetterbedingt rund 500 Notrufe bis zum Samstagmorgen, auch tagsüber waren die Einsatzkräfte weiter gefragt.

Überall ging es überwiegend um umgestürzte Bäume, die Straßen und Gleise blockierten, vollgelaufene Keller, überflutete Unterführungen, Blitzeinschläge und beschädigte oder abgedeckte Dächer. Teilweise fiel auch der Strom aus. Auf dem oberbayerischen Ammersee überraschte das Unwetter nach Polizeiangaben mehrere Segler derart, dass sie es nur mit Hilfe der Einsatzkräfte sicher an Land schafften. Auf dem Chiemsee suchte die Wasserwacht lange Zeit nach einem gekenterten Ruderboot. "Diese Mitteilung hat sich jedoch nicht bestätigt oder die Havarierten konnten sich selbst helfen", hieß es später.

Beim Chiemsee-Summer-Festival mussten am Freitagabend etwa 60 Menschen medizinisch versorgt werden - darunter auch viele, die von den Ereignissen verängstigt waren und psychologische Betreuung in Anspruch nahmen, wie die Organisatoren mitteilten. 20 Menschen seien ins Krankenhaus gebracht worden, teilte ein Pressesprecher mit: "Es gibt keine lebensbedrohlichen Verletzungen, was uns sehr erleichtert." Weil die Campingplätze verwüstet wurden, öffneten Notunterkünfte für die Besucher.

Das Echelon-Festival in Bad Aibling (Landkreis Rosenheim) wurde unterbrochen und erst am Samstagmittag wieder fortgesetzt. Dort wurden etwa zehn Menschen verletzt. Gäste kamen in einer Fliegerhalle unter.

Bei Siegsdorf (Landkreis Traunstein) mussten Feuerwehrkräfte einen Zug erden, nachdem dieser im Bereich einer herabgerissenen Stromleitung stehengeblieben war. Die etwa 90 Fahrgäste wurden in einer Turnhalle untergebracht.


Behinderungen auf Straßen und im Zugverkehr

Sowohl der Bahnverkehr als auch diverse Autobahnen und Bundesstraßen wurden zwischenzeitlich gesperrt, damit beispielsweise heruntergefallene Bäume weggeräumt werden konnten. So ging etwa auf Teilen der A8 und der A7 zwischenzeitlich nichts mehr. Ein Sprecher der Deutschen Bahn sagte, Störungen gebe es etwa von Mühldorf in Richtung Salzburg, Passau und Rosenheim sowie im Allgäu. Aber auch die Strecke Fürth - Cadolzburg war betroffen. Bis wann die Probleme behoben sind, war in der Nacht zum Samstag völlig unklar. Die Deutsche Bahn empfahl Reisenden, sich vor Fahrtantritt über ihre Verbindung auf m.bahn.de, in der DB Navigator-App und bei www.bahn.de/Reiseauskunft zu informieren. Auch zwischen Nürnberg und Bamberg gab es massive Probleme aufgrund einer Oberleitungsstörung. Erst am Samstagmorgen gab die Bahn Entwarnung, allerdings sorgte am Vormittag eine Stellwerksstörung in Baiersdorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) für Verzögerungen.


In München war am Freitagabend der S-Bahn-Verkehr für rund 40 Minuten komplett eingestellt worden, auch am Samstag kam es noch zu Einschränkungen. Die Bahn organisierte einen Schienenersatzverkehr mit Taxis. Nach Angaben der Bundespolizei mussten am Freitagabend die Fahrgäste in zwei S-Bahnen, die wegen umgestürzter Bäume liegengeblieben waren, stundenlang ausharren, bis die überlasteten Hilfskräfte eintrafen. Auch im Nah- und Fernverkehr gab es am Samstag weiter Einschränkungen. Wegen des Unwetters wurde auch die zweite Hälfte des Bundesliga-Auftaktspiels zwischen dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen verspätet angepfiffen.

In Neustadt an der Donau fuhr ein Zug auf einen Baum. Die Einsatzkräfte mussten 20 Fahrgäste und den Zugführer befreien. Niemand wurde verletzt. Auf der Autobahn 3 bei Passau-Nord stürzten 15 bis 20 Bäume auf die Fahrbahn. In Kirchdorf im Wald erlitt ein Musiker in einem Bierzelt einen Stromschlag. Ein Blitz hatte in das Festzelt eingeschlagen.

Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West sprach von rund 230 unwetterbedingten Einsätzen bis zum Samstagmorgen, ähnlich hoch war die Einsatzzahl in Niederbayern. Die A7 im bayerischen Allgäu musste für etwa eine halbe Stunde zwischen Kempten-Leubas und Dietmannsried voll gesperrt werden, um einen Baum von der Fahrbahn zu entfernen. Den Gesamtschaden allein im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Schwaben Süd/West schätzten die Beamten auf rund 150 000 Euro.

In Günzburg wurde das Volksfestgelände mit bis zu 5000 Besuchern vorsorglich geräumt. Die Abendveranstaltung der Allgäuer Festwoche in Kempten lief den Angaben zufolge hingegen planmäßig bis zum Ende.

In Weßling (Landkreis Starnberg) wurden ein 28 Jahre alter Mann und sein Kind auf einem Spielplatz von einem umstürzenden Baum verletzt. In der Oberpfalz wurden vier Menschen bei Verkehrsunfällen unter anderem wegen Aquaplanings verletzt.

Der Fährbetrieb zur Roseninsel im Starnberger See wurde eingestellt. Wie die Insel bleibe auch der Park Feldafing bis einschließlich Montag wegen entwurzelter Bäume gesperrt, teilte die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung am Samstag mit.


Sturmschäden in Franken: Burg Cadolzburg bleibt geschlossen

In Mittelfranken wurden Häuser abgedeckt und ein Wohnwagen umgeweht. Die Bayerische Schlösserverwaltung teilte mit, dass die Burg Cadolzburg (Landkreis Fürth) am Wochenende wegen Sturmschäden geschlossen bleibe. Dachziegel seien herabgestürzt.

Allein die Polizei habe in Mittelfranken seit 17.00 Uhr rund 170 wetterbedingte Einsätze gehabt, sagte ein Sprecher. Die Feuerwehr Nürnberg berichtete am Samstagmorgen von zirka 800 Notrufen zwischen 18 und 2 Uhr, 500 davon wegen des Unwetters. Die überwiegende Anzahl der Einsätze waren Bäume auf Gebäuden, Straßen, Gehwegen, Bahnlinien sowie vollgelaufene Keller. Im Stadtgebiet Nürnberg waren alle fünf Feuerwachen der Berufsfeuerwehr sowie sämtliche Freiwilligen Feuerwehren im Einsatz.

In Lauf an der Pegnitz (Landkreis Nürnberger Land) geriet ein Dachstuhl nach einem Blitzeinschlag in Brand. Durch Blitzeinschlag brannte auch eine Stromleitung in Oberreichenbach (Kreis Erlangen-Höchstadt). In Kalchreuth (Kreis Erlangen-Höchstadt) fielen mehrere Bäume um. Einer davon landete direkt auf der Motorhaube und Windschutzscheibe des Kleinwagens einer 32-jährigen Mutter, die mit ihrem Sohn (2) gerade nach Buchenbühl unterwegs war, wie die Polizeiinspektion Erlangen-Land berichtet. Wie durch ein Wunder blieben beide Fahrzeuginsassen unverletzt. Das Auto war nicht mehr fahrbereit und musste abgeschleppt werden. Der Sachschaden beläuft sich auf mindestens 3000 Euro.

Besonders heftig traf das Unwetter den Ortsteil Egersdorf bei Cadolzburg, ein Wohngebiet wurde durch umstürzende Bäume verwüstet, dort musste auch der Kranwagen der Feuerwehr Nürnberg zur Unterstützung tätig werden.

In Hiltmannsdorf im Landkreis Fürth stand das Wasser einen Meter hoch auf der Straße. In Keidenzell, ebenfalls Landkreis Fürth, war ein Auto zwischen mehreren Bäumen eingeschlossen. Die Feuerwehr Nürnberg war mit 30 Fahrzeugen inklusive fünf Drehleitern im Stadtgebiet Fürth tätig, um die dortigen Feuerwehren zu unterstützen. Auch am Samstag werden noch weitere Einsätze abzuarbeiten sein, hieß es von der Feuerwehr Nürnberg.

Auchim Landkreis Haßberge musste die Feuerwehr zu mehreren Einsätzen ausrücken. Bäume waren auf Straßen gestürzt und blockierten teilweise die Fahrbahnen. Verletzt wurde niemand.

Im Landkreis Coburg hat der Sturm eine Wanderhütte weggerissen und auf die Autobahn geweht. Die Verkerhspolizei Coburg musste eine Fahrspur der A73 für rund drei Stunden sperren.

Bei den heftigen Unwettern hat es Sturmböen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 135 Stundenkilometern und literweise Regen gegeben. Das berichtete am Samstag der Deutsche Wetterdienst (DWD) in München. Demnach zogen die Böen mit Orkanstärke vor allem über den Südosten Bayerns hinweg. Besonders betroffen war das Chiemgau, wo der DWD heftigere Windstärken gemessen hat als im Vorfeld prognostiziert. Auf einer Messstation in Vilsheim im niederbayerischen Landkreis Landshut wurden die kräftigsten Regenfälle mit bis zu 40 Litern pro Quadratmeter und Stunde festgehalten. dpa/ak