Nebenkläger forderten Verurteilung wegen Totschlags
Die Nebenkläger forderten: Die beiden Angeklagten jeweils wegen Totschlags in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig zu sprechen und zu Jugendstrafen von vier Jahren und sechs Monaten (Angeklagter C.) beziehungsweise fünf Jahren und drei Monaten (Angeklagter K.) zu verurteilen.
Die Frage des Tötungsvorsatzes sehe Anwalt Schmitt , der die Opferfamilien vertritt, anders. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Tötungsvorsatz zu bejahen sei. In Zusammenschau der Beweismittel, insbesondere der Auswertung des Videos sowie der geschilderten Wahrnehmungen der Zeugen, gehe die Nebenklage davon aus, dass die Angeklagten den Zug kommen sahen. Es liege daher direkter Tötungsvorsatz vor. Jedenfalls hätten die Angeklagten durch ihr extrem gefährliches Handeln den Tod der beiden Jugendlichen billigend in Kauf genommen.
So liefen die einzelnen Prozesstage ab
Beim letzten Prozesstag am Mittwoch (11.12.2019) zeigten die Angeklagten Reue: An diesem Tag wurden ihre Entschuldigungsbriefe an die Opferfamilien verlesen, die bei der Attacke am S-Bahnhof Frankenstadion ihre Kinder verloren hatten, erklärt Gerichtssprecher Weitner.
Zusätzlich wurden Unterlagen verlesen, aus denen hervorgeht, dass die Angeklagten 10.000 Euro beziehungsweise 10.250 Euro an die Opferfamilien gezahlt haben.
Zusammenfassung des vierten Prozesstages: Weiterer Angeklagter gesteht seine Schuld ein
Am vierten Verhandlungstag habe auch der Angeklagte Mehmet K. den Tatvorwurf "Körperverletzung mit Todesfolge" zugegeben, sagte Sprecher Weitner. Er ist als Zuschauer bei der nicht-öffentlichen Verhandlung zugelassen. Während sich der Angeklagte Kirian D. bereits am ersten Prozesstag persönlich bei den Opferfamilien entschuldigt und den Tatvorwurf eingeräumt hatte, war K.s Erklärung am Mittwoch (20. November 2019) dessen erstes Schuldeingeständnis. Er räumte ebenfalls ein, dass er geschubst habe, jedoch nicht mit einem heranfahrenden Zug gerechnet habe. Erst hinterher sei erst ihm klar geworden, wie gefährlich das Gerangel am Bahnsteigrand gewesen sei. Er mache sich seitdem Vorwürfe.
Zusammenfassung des dritten Prozesstages: Gericht setzt weitere Verhandlungstermine an
Fünf Jugendliche, die sich in der Nacht auf den 26. Januar 2019 am Bahnsteig aufgehalten hatten, wurden am Montag als Zeugen vernommen, wie der Gerichtssprecher Friedrich Weitner mitteilte.
Als letzte habe die Ermittlungsbeamtin der Kriminalpolizei ausgesagt, die in der Tatnacht Rufbereitschaft hatte. Sie habe noch in der Nacht erste Zeugen auf der Dienststelle befragt.
Polizei vernahm 185 Zeugen
Insgesamt habe die Polizei im Laufe der Ermittlungen etwa 185 Zeugen vernommen, die meisten von ihnen Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren. Auch am dritten Prozesstag seien den Prozessbeteiligten wieder und wieder Videosequenzen aus der Überwachungskamera vorgespielt worden. Die Angehörigen der Opfer seien die ganze Zeit dabeigeblieben - nur eine Mutter sei auch an diesem Tag immer vor die Tür gegangen.
Neue Zeugen geladen: Auskunft über Überwachungskameras erhofft
Auf Anregung der Nebenkläger wurde ein weiterer Jugendlicher als Zeuge geladen und auf Wunsch der Verteidiger ein weiterer Polizeibeamter, sagte Weitner. Dieser solle Auskunft darüber geben, wie hoch und in welchem Winkel zum Bahnsteig die Überwachungskamera am S-Bahnhof Frankenstadion hängt. Dieses Detail soll helfen, die Kameraperspektive zu klären und damit Fragen wie diese: Sahen die schubsenden Jugendlichen am Gleis die Lichter des Zuges schon oder konnte das nur die Kamera mit ihrer Vogelperspektive?
Höchststrafe: Zehn Jahre für 18-jährige Angeklagte
Die beiden 18-jährigen Angeklagten aus Zirndorf erwartet jeweils höchstens zehn Jahre Haft dafür, dass sie den Tod zweier 16-jähriger Jungen aus Heroldsberg (Landkreis Erlangen-Höchstadt) verantworten. Sie sollen eines der beiden Opfer von hinten so geschubst haben, dass er bei seinem Sturz ins Gleisbett zwei weitere Jugendliche mitriss. Überlebt hat den Sturz auf die Gleise nur einer der dreien, ein Bekannter der Angeklagten.
Zusammenfassung des zweiten Prozesstages: Freunde und Mütter der Getöteten kommen zu Wort
Am Freitag, dem zweiten Prozesstag, war mit Spannung die Zeugenaussage des Jungen erwartet worden, der den Sturz ins Gleisbett überlebt hat. Er machte allerdings von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
"Sehr emotionaler" Prozesstag: Nur wenige Details gelangen nach außen
Auch sonst gelangten am zweiten Tag nur wenige Details aus der nicht-öffentlichen Verhandlung nach außen. Als weitere Zeugen wurden Jugendliche aus der Heroldsberger Clique gehört, dem Heimatort der getöteten Jungen. Benjamin Schmitt, Nebenkläger-Anwalt der Opferfamilie Ballmann, beschrieb den zweiten Prozesstag als "sehr emotional". Der Richter habe auch die Mütter der getöteten Jungen gefragt, wie es ihnen gehe. Zum Inhalt der Aussagen machte er keine Angaben.
Zusammenfassung des ersten Prozesstages: Mutter kann Video nicht ertragen
Zum Prozessauftakt um das tödliche S-Bahn-Drama in Nürnberg entschuldigten sich die Verteidiger der beiden Angeklagten bei den Familien der beiden getöteten 16-Jährigen. Als das Videomaterial aus einer Überwachungskamera im Gerichtssaal an die Wand geworfen wird, geht die Mutter eines Opfers nach draußen. Anders als ihr Mann, der die Aufnahmen schon mehrere hundert Male angeschaut hatte, wollte sie sich das nie antun. Und auch der Lokführer schildert die dramatischen Sekunden.
Videoaufnahmen kursieren an Schulen: "Aggressive Grundstimmung" sichtbar
Nach der Tat im Januar waren Videoaufnahmen an Schulen im Umlauf gewesen. Nürnbergs dritter Bürgermeister warnte damals vor "grausamen Szenen". Im Gerichtssaal wurden die Videos mit Pausen mehrfach angeschaut. Ein weiteres Video zeigte einen der Angeklagten beim Verlassen der Diskothek. Bereits dort sei er in eine andere Auseinandersetzung verwickelt gewesen, berichtet ein Opferanwalt, "eine aggressive Grundstimmung" sei sichtbar gewesen.
Großes Medieninteresse am ersten Prozesstag
Unter großem Medieninteresse startete am Donnerstag (14. November 2019) der Prozess um die S-Bahn-Schubserei am Nürnberger S-Bahnhof Frankenstadion mit zwei Toten am Landgericht Nürnberg-Fürth. Allerdings mussten die Kameras während der Verhandlung draußen bleiben, da die beiden 18-jährigen Angeklagten zum Tatzeitpunkt im Januar 2019 noch minderjährig waren und Jugendsachen nie öffentlich sind. Die beiden Schüler aus Zirndorf waren direkt nach der Tat festgenommen worden und sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage: Körperverletzung mit Todesfolge.
Richter zeigen Menschlichkeit: Aufrichtige Anteilnahme im Gerichtssaal
Der Prozess begann dann mit einer ungewöhnlich menschlichen Geste des leitenden Richters, wie der Justizpressesprecher später mitteilte. Die Richter hätten den Opferfamilien ihre aufrichtige Anteilnahme ausgesprochen, alle Anwesenden hätten sich angeschlossen.
18-Jähriger bekennt sich zur Tat und gesteht Schuld ein
Zunächst lasen die Verteidiger Erklärungen und Entschuldigungen der beiden angeklagten 18-jährigen Männer aus Zirndorf vor und bestritten eine Tötungsabsicht. Er möchte sich aufrichtig entschuldigen für das Leid, ließ der eine Angeklagte seinen Anwalt mitteilen. Er habe durchaus damit gerechnet, dass sein Kontrahent auf die Gleise fallen und sich verletzen könnte. An einen Zug habe er jedoch nicht gedacht.
Kaum seien die Jugendlichen im Gleis gewesen, sei auch schon ein Zug gekommen und der Angeklagte sei entsetzt weggelaufen. Nach den Äußerungen seines Verteidigers stand der junge Mann auf, um sich selbst zu äußern. Er bekenne sich zur Tat und wisse, er könne nichts wieder gutmachen. Eine Polizeibeamtin schilderte am ersten Prozesstag, wie sie Kleidungsstücke und Leichenteile im Gleisbett aufgesammelt habe. Dem Rechtsmediziner zufolge seien die Jugendlichen sofort tot gewesen.
Lokführer als Zeuge: Pfeifsignal wegen vieler Menschen am Bahnsteig
Am Nachmittag des ersten Prozesstags kamen Polizeibeamte, ein Bahnbeamter und der Lokführer zu Wort. Obwohl auf der Strecke 120 Stundenkilometer erlaubt gewesen seien, sei der Zug nur mit 88 Stundenkilometern unterwegs gewesen. Weil er im Fahrplan lag, sei er bewusst langsamer als erlaubt gefahren, berichtete der Lokführer. Er habe viele Menschen am Bahnsteig gesehen und ein Pfeifsignal abgegeben.
Sicherheitskonzept nur bei Großveranstaltungen: Diskobesucher werden durch Schilder gewarnt
Weder Lautsprecherdurchsagen noch die Anzeigetafeln warnen am S-Bahnhof Frankenstadion vor durchfahrenden Zügen. Der Bahnbeamte erklärt, dass es für Fußballspiele und andere Großveranstaltungen extra Sicherheitsvorkehrungen gebe, nicht jedoch, wenn die Disko schließe. In dieser Nacht warnten nur gelbe Dreiecksschilder.
Lokführer fuhr "leises S-Bahn-Modell": Notbremsung kommt zu spät
Ein Polizeibeamter berichtete von seinen Untersuchungen zu der Frage, ob man herannahende Züge hören könne. Dies hänge von der Art des Zuges und der eigenen Position ab, nicht immer seien sie rechtzeitig zu hören. Auch der Lokführer erwähne, dass er ein leises S-Bahn-Modell gefahren sei. Plötzlich seien drei bis vier Personen vom Bahnsteig gefallen und er habe sofort die Notbremsung eingeleitet. Er sei "fix und fertig" gewesen. Anberaumt waren vier Verhandlungstage, an denen 17 Zeugen gehört werden sollen. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch (18. Dezember 2019) fallen.
Sprecher betont "Erziehungsgedanken" beim Prozess
Ein Gerichtssprecher erklärte vor Verhandlungsbeginn, dass die Strafkammer während des Prozesses einen sogenannten richterlichen Hinweis geben könne, um die Anklage zu ändern. An der Länge der Strafe würde das nicht unbedingt etwas ändern, denn zehn Jahre sind unabhängig vom Schuldspruch die längste Strafe für Jugendliche. "Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund", betonte der Sprecher.
Tathergang am S-Bahnhof Frankenstadion: Drei Jugendliche ins Gleisbett gestoßen
Für Luca Ballmann und Frederik Wilke aus Heroldsberg (Landkreis Erlangen-Höchstadt) endete ein Diskobesuch tödlich. Mit ihren Freunden wollten sie wie viele andere Teenager auch nach einer U-18-Party kurz nach Mitternacht am 26. Januar 2019 mit der S-Bahn nach Hause fahren.
Streit am Bahngleis: Schüler aus Zirndorf stoßen 16-Jährigen in die Gleise
Am Bahngleis kam es zu einem Streit zwischen mehreren Jugendlichen, wie es in der Anklageschrift heißt. Nach einer Rangelei stießen die beiden angeklagten Schüler aus Zirndorf einen 16-Jährigen von hinten in die Gleise. Wegen des dichten Gedränges stürzten zwei weitere 16-Jährige mit nach unten. Während sich ein Jugendlicher rechtzeitig zur Seite rollen konnte, wurden Frederik und Luca von einem herannahenden Zug erfasst. Sie hatten keine Chance, wie die Anklageschrift deutlich macht: Sie erlitten "massivste Verletzungen", Körperteile seien vollständig zertrümmert worden.
Sicherheitskonzept an Bahnsteigen: Reichen Warnschilder nicht aus?
In Deutschland passiert es immer wieder, dass Menschen vor die Gleise gestoßen werden. Besonders großes Aufsehen erregte der Tod eines achtjährigen Jungen in Frankfurt/Main, den ein Mann im Juli dieses Jahres vor einen ICE gestoßen hatte. Danach waren Forderungen nach Schranken an Bahngleisen laut geworden. Auch das Nürnberger S-Bahn-Drama gibt Anlass über verstärkte Sicherheitsvorkehrungen an Bahngleisen nachzudenken. Wie ein Bahnsprecher mitteilte, gebe es bisher Durchsagen nur, wenn ein Zug mit mindestens 160 Stundenkilometern durch einen Bahnhof rast.