- Urteil gegen Nürnberger S-Bahn-Schubser ist rechtskräftig
- Bundesgerichtshof lehnt Antrag auf Revision ab
- Die Eltern der verstorbenen Jugendlichen hatten im Januar 2020 Revision eingelegt
- Wegen Körperverletzung mit Todesfolge waren beide Angeklagte jeweils zu über drei Jahren Haft verurteilt worden
- An der S-Bahn-Station Frankenstadion hatten sie im Januar 2019 zwei Jugendliche ins Gleisbett gestoßen - ein Zug überrollte die 16-Jährigen
Update vom 05.08.2020: Urteil gegen Nürnberger S-Bahn-Schubser ist rechtskräftig
Das Urteil im Nürnberger S-Bahn-Schubser-Prozess ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof lehnte den Antrag der Nebenklage auf Revision ab, wie der Bayerische Rundfunk berichtet. Die damals 17-jährigen Täter waren wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu dreieinhalb und dreieinviertel Jahren Haft verurteilt worden.
Schon während des Prozesses hatten die Nebenkläger, die Eltern der beiden verstorbenen Jungen, gefordert, die Täter wegen Totschlags zu verurteilen. Dazu kommt es nun aber nicht.
Die beiden Angeklagten hatten in einem Gerangel im Januar 2019 drei Jugendliche auf die Bahngleise geschubst. Zwei von ihnen wurden daraufhin von einem Zug erfasst und getötet
Die Verteidiger der beiden jugendlichen Täter bestritten eine Tötungsabsicht.
Meldung vom 02.01.2020: Nebenkläger legen Revision ein
Der tödliche Streit an einer S-Bahn-Station in Nürnberg beschäftigt nun auch den Bundesgerichtshof. Die Nebenkläger, die Eltern der beiden getöteten Jugendlichen, haben Revision gegen die Jugendstrafe der Täter eingelegt. Das bestätigt eine Sprecherin des Landgerichts Nürnberg-Fürth am Donnerstag (02.01.2020). Im Dezember (18.12.2019) wurden die zur Tatzeit 17-Jährigen zu einer Haftstrafe von dreieinhalb und dreieinviertel Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof muss nun das Urteil prüfen.
Nach einem Discobesuch hatte es am S-Bahnhof Frankenstadion eine Auseinandersetzung gegeben. Dabei landeten drei 16-jährige Jugendliche im Gleisbett. Einer von ihnen konnte sich im letzten Moment durch einen Sprung retten, die anderen beiden wurden von einem einfahrenden Zug überrollt und getötet.
Vater: "Urteil am unteren Ende der Fahnenstange"
Nach der Urteilsverkündung waren die Eltern der getöteten Jungen gefasst vor die Kameras getreten und hatten ihre Enttäuschung über das "Urteil am unteren Ende der Fahnenstange" geäußert, wie es Georg Ballmann, der Vater einer der zwei getöteten Jungen, ausdrückte.
Die Familien hatten vergeblich gehofft, dass das Gericht ihrer Einschätzung folgt und ein Urteil wegen Totschlags spricht und höhere Haftstrafen verhängt. "Zumindest einer der Jugendlichen hätte den Zug wahrnehmen müssen", ist sich Vater Ballmann sicher.
Video zeigt: Opfer wollten Situation entschärfen
Die getöteten Jugendlichen haben nichts falsch gemacht. Das habe der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung gleich zu Beginn betont, teilte Gerichtssprecher Friedrich Weitner mit. Vielmehr hätten sie sich von Aggressionen der Gruppe um die beiden Angeklagten nicht provozieren lassen, sondern ruhig reagiert und um Beschwichtigung bemüht. Das zeige das Überwachungsvideo, das wichtigste Indiz der Verhandlung, deutlich.
Opferfamilien wollten Verurteilung wegen Totschlags
Ein weiteres wichtiges Beweismittel war die Audioaufnahme eines Zeugen, auf der ein deutliches Warnsignal der S-Bahn zu hören ist. Deswegen glauben die Opferfamilien, die als Nebenkläger auftraten, dass zumindest einer der beiden Angeklagten den Zug hätte wahrnehmen müssen. Sie plädierten daher auf eine Verurteilung wegen Totschlags.
Dieser Einschätzung folgte die Kammer jedoch nicht. Sie sei überzeugt, dass die Jugendlichen mit der Auseinandersetzung beschäftigt gewesen seien und hätten nicht auf Züge geachtet hätten, so Gerichtssprecher Weitner. Dazu kommt: Der Zug, ein neueres Modell, war sehr leise, am Bahnsteig dagegen war es laut und eine Warndurchsage gab es nicht.
Als der Zugführer den zweiten Warnpfiff abgegeben hatte, wären die beiden Opfer bereits im Fall gewesen, heißt es weiter in der Urteilsbegründung. Es gebe kein Motiv, warum die beiden Angeklagten die zwei Jugendlichen aus Heroldsberg hätten töten wollen. Auch hatten sie während der Verhandlung eine Tötungsabsicht wiederholt abgestritten. Gegen die Absicht spreche auch, dass sie nach dem Vorfall geschockt und in Panik davongelaufen seien.
Gerichtssprecher: Erziehungsgedanke im Vordergrund
Die Täter sollen eine Strafe erhalten, die ihnen die furchtbare Dimension ihrer Tat vor Augen führe, habe einer der Nebenkläger einmal gesagt. Das Gericht sei der Ansicht, dass sie mit ihrem Urteilsspruch dieser Forderung genauso gerecht geworden sei wie der besonderen Verantwortung, die es im Jugendstrafrecht habe, so Weitner.
Zwar hätten die Angeklagten ein hohes Maß an Fahrlässigkeit an den Tag gelegt, doch nicht Abschreckung oder Vergeltung zählen beim Strafmaß. Vielmehr stünde der Erziehungsgedanke Vordergrund: Die Angeklagten sollen eine Perspektive für ein künftig straffreies Leben nach ihrer Haftstrafe haben.
Neue Anklage gegen überlebenden Jugendlichen?
Zudem könnte einen weiteren Prozess um die S-Bahn-Schubser geben. Der dritte Jugendliche, der ebenfalls ins Gleisbett gefallen war und sich aber vor dem durchfahrenden Zug retten konnte, habe seinen Sohn vor dem Sturz auf die Gleise gegen die Schläfe geschlagen, sagte Vater Georg Ballmann nach der Urteilsverkündung. Dieser gehörte ebenfalls zur Gruppe der Aggressoren um die Angeklagten.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bestätigte am Donnerstag (19.12.2019), dass gegen einen weiteren Jugendlichen wegen eines Schlags ermittelt werde. Dieser habe mit dem Sturz ins Gleisbett jedoch nichts zu tun. Ob die Ermittlungen in eine Anklage münden, sei noch völlig offen, sagte eine Sprecherin. Bereits im Sommer sei ein anderer Jugendlicher, der am Gerangel beteiligt war, zu einem Dauerarrest verurteilt worden. Diese jugendliche Haftstrafe ist zwischen einer und vier Wochen lang und wird erzieherisch begleitet.
Hauptprozess: Verteidiger hatten für Bewährungsstrafen plädiert
Am Montag (16.12.2019) waren die Plädoyers im Hauptprozess gehalten worden. Die Verteidiger beantragten maximal zwei Jahren Haft für ihre Mandanten. Diese solle zur Bewährung ausgesetzt werden.
Verteidiger: Das spricht für die Angeklagten
Die Verteidiger beider Männer betonten, wie stark die Angeklagten das Geschehene bereuten und dies auch während der Verhandlung gezeigt hätten. Das werde auch dadurch deutlich, dass einer der beiden dabei behilflich gewesen sei, das Leben des dritten Opfers zu retten. Die Angeklagten hatten bereits zuvor in Briefen bei den Familien der beiden getöteten Jugendlichen um Entschuldigung gebeten. Sie zahlten Beträge von 10.000 Euro beziehungsweise 10.250 Euro. Die lange Untersuchungshaft sowie die Medienberichterstattung seien zudem stark belastend gewesen.
Staatsanwaltschaft bleibt dabei: Körperverletzung mit Todesfolge
Diese Strafe forderte die Staatsanwaltschaft: Die Staatsanwaltschaft blieb bei ihrer umstrittenen Einschätzung: Sie sieht keinen Tötungsvorsatz. Die beiden Angeklagten sollen wegen Körperverletzung mit Todesfolge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gesprochen werden. Sie beantragte, den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und fünf Monaten zu verurteilen.
Staatsanwältin überzeugt: Angeklagte haben den Zug nicht wahrgenommen
Die Staatsanwältin zeigte sich zunächst davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt im Wesentlichen so bestätigt habe, wie es auch in der Anklageschrift geschildert worden ist. Aus ihrer Sicht habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Angeklagten den herannahenden Zug wahrgenommen hätten, weshalb kein Tötungsvorsatz vorliege. Die Angeklagten hätten den Tod der beiden Jugendlichen auch nicht billigend in Kauf genommen. Es verbleibe daher beim Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge.
Eltern halten Einordnung für Verharmlosung der Tat
Die Eltern der Opfer halten die rechtliche Einordnung als Körperverletzung mit Todesfolge für eine Verharmlosung der Tat. Es gebe "zahlreiche Anhaltspunkte, die den Verdacht nahelegen, dass hier der Tod billigend in Kauf genommen ist" sagte Benjamin Schmitt, Anwalt der Opferfamilie Ballmann, im Vorfeld des Prozesses.
Seinen Mandanten gehe es nicht um eine möglichst hohe Strafe, sondern um eine "angemessene rechtliche Würdigung der Tat". Für die Opferfamilien gehe ein sehr belastendes Verfahren zu Ende, so Schmitt. Ihnen gehe es vor allem um eine umfassende Aufarbeitung des Geschehens und nicht etwa um Rache oder Sühne. Die beiden Väter der getöteten Jugendlichen gaben persönliche Erklärungen ab. Diese Kritik äußerten die beiden Vater der getöteten Jungen auch im September in der Fernsehsendung "SternTV". Bei RTL berichteten sie über das Leid ihrer Familien.