Neun syrische Flüchtlinge sind am Dienstag in Bayern angekommen: Eine Familie und ein alleinstehender junger Mann zogen im Übergangswohnheim Nürnberg ein.
Enge Jeans, grellorange Strumpfhosen unter kurzem Rock, lockige Mähnen - die Mädchen sehen westlich, modisch und fröhlich aus. Sie lachen, als sie aus dem Bus klettern. Vor über einem Jahr ist ihre Familie aus der syrischen Hauptstadt Damaskus geflohen. Jetzt sind sie angekommen. Fürs Erste. Nach gut fünf Stunden Fahrt im Kleinbus vom Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen haben sie die vorerst letzte Station ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg erreicht: das staatliche Übergangswohnheim der Regierung von Mittelfranken in Nürnberg.
Mutter Fatima trägt einen bodenlangen schwarzen Mantel und hat ihr Haar mit einem Schleier bedeckt. Sie strahlt die Wartenden genauso an wie ihre sechs Töchter: Vertreter der Regierung von Mittelfranken, des bayerischen Sozialministeriums, des Zentralrats orientalischer Christen in Deutschland (ZOCD) und der Presse - das Empfangskomitee ist deutlich in der Überzahl.
Vater Abdul nickt jedem freundlich zu und beantwortet Fragen, Ibrahim Yigit vom ZOCD übersetzt: "Die Situation in Syrien ist bekannt. Der Bürgerkrieg ... Wir konnten dort nicht mehr leben, die Bedrohung war zu groß."
Mehr als zwei Millionen Syrer sind den Vereinten Nationen zufolge in Nachbarländer geflohen, weitere 4,25 Millionen Menschen seien innerhalb Syriens auf der Flucht. Das Land hat 21 Millionen Einwohner. Die Bundesregierung hat beschlossen, 5000 "besonders schutzbedürftige" Syrer aufzunehmen. Unter den ersten 107, die vor zwei Wochen im Grenzdurchgangslager Friedland ankamen, war auch die Familie aus Damaskus. Vater Abdul berichtet von der Flucht in den Libanon, von den Verwandten, die innerhalb Syriens von Ort zu Ort ziehen.
"Die Bedrohung für sie ist sehr hart."
Neun Flüchtlinge und 1000 Fragen Von allen Seiten wird der 62-Jährige mit Fragen bedrängt. Er lächelt, versucht, den Fremden alles zu beantworten, was sie wissen wollen, weiß aber selbst nicht, wem aus der Masse er zu verdanken hat, dass seine Familie nun in Sicherheit ist - und wer sie in ihr neues Zuhause, eine kleine Wohnung, bringen wird.
Gut ein Jahr lebte er mit seiner Frau und den sechs Töchtern im Libanon in einem Lager. Die jüngste ist zehn, die älteste 25 Jahre alt. Als sie erfuhren, dass die Bundesrepublik syrische Flüchtlinge aufnimmt, stellten sie dafür einen Antrag beim Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Es entschied, dass die Familie mit dem ersten Charterflug nach Deutschland darf.
Er habe sich sich so gefreut, sagt Abdul.
"Deutschland ist für uns ein Inbegriff von Entwicklung und Fortschritt", lobt er. "Unsere Hoffnung ist, dass wir hier zur Ruhe kommen. Die Angst ist weg. Wir fühlen uns sicher." Er schaut fragend in die Runde, will wissen, wie lange sie hier eigentlich bleiben könnten. "Das liegt an Ihnen: Solange sie wollen", antwortet Andreas Kufer, Leiter des Referats Integrationspolitik im bayerischen Sozialministeriums.
"Das Wohnheim ist ein Grundangebot. Die Flüchtlinge können jederzeit gehen. Sie dürfen auch arbeiten", sagt Kufer. Ziel sei, die Syrer möglichst gut zu integrieren. "Wenn alle 5000 kommen, wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge etwa 760 nach Bayern schicken." Viele kämen ohne staatliche Hilfe privat, beispielsweise bei Verwandten, unter. "Wir sind gut vorbereitet."
In München betonte auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU), dass die Flüchtlinge kein Problem darstellen.
"Angesichts der schlimmen Folgen des Konflikts für die syrische Bevölkerung wollen wir ein humanitäres Zeichen setzen und die Menschen, die hier zu uns kommen, in unseren Städten und Gemeinden vor Ort willkommen heißen".
Der Hausmeister hat an die Tür des Übergangswohnheims ein Schild geklebt. "Herzlich willkommen" steht in mehreren Sprachen darauf. Doch durch diese Tür können die neun Syrer noch nicht gehen. Immer noch zu viele Menschen, zu viele Fragen. Vater Abdul findet das Interesse positiv, antwortet gelassen. Er gestikuliert mit der rechten Hand, an der mehrere Finger verstümmelt sind. Der linke Ärmel der Lederjacke hängt leer herunter. "Nein", sagt er, er selbst sei in Damaskus nicht verletzt worden. Ein Arbeitsunfall.
Eine Narbe erinnert an Homs Der junge Mann, der sich bisher im Hintergrund gehalten hat, tritt nun einen Schritt vor.
Faysal gehört als einziger nicht zur Familie. "Me", sagt er auf Englisch, krempelt das linke Bein seiner Jeans hoch und spricht dabei wieder Arabisch. Yigit muss dolmetschen: Der 26-Jährige kommt aus Homs, der Stadt, die den Beinamen "Hauptstadt der Revolution" trägt. Dort holte er sich die Narbe am Bein, sagt Yigit. Faysals weitere Erklärung bedarf keiner Übersetzung: Seine Hände formen eine Pistole.