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Nürnberg: Autozulieferer Leoni lässt Produktion in Ukraine wieder anlaufen - viele Beschäftigte bekommen kaum Schlaf


Autor: Ralf Welz, Daniel Krüger, Agentur dpa

Nürnberg, Mittwoch, 23. März 2022

Der Nürnberger Autozulieferer Leoni hat die Produktion in seinen Ukraine-Werken in "begrenztem Umfang" wieder hochgefahren. Das sei der Wunsch der Belegschaft gewesen, erklärte der Vorstandschef am Mittwoch (23. März 2022).
In den Ukraine-Werken des Nürnberger Autozulieferers Leoni ist die Arbeit trotz des Kriegsgeschehens wieder angelaufen.


Der Automobilzulieferer Leoni mit Sitz in Nürnberg hatte kurzfristig auf die Ereignisse in der Ukraine und Russland reagiert. So schloss das Unternehmen Ende Februar seine zwei Werke in der Ukraine, hatte deutliche Produktionsausfälle zu beklagen und die Prognose für 2022 nach unten korrigiert. 

Jetzt hat Leoni mitgeteilt, dass in den ukrainischen Werken die Arbeit "in begrenztem Umfang" wieder aufgenommen worden sei. Dies sei auf Wunsch der Belegschaft und mit dem Willen der ukrainischen Regierung wieder geschehen, wie das Unternehmen mitteilt. Bei der Bilanzpressekonferenz hat Vorstandschef Aldo Kamper einen Einblick in den Arbeitsalltag der Leoni-Beschäftigten mitten im Kriegsgebiet gegeben. 

Update vom 23.03.2022, 15.30 Uhr: Belegschaft in Leoni-Werken in Ukraine habe wieder arbeiten wollen

Die zwei ukrainischen Werke des Nürnberger Autozulieferers Leoni mit 7000 Mitarbeitern haben nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs vor vier Wochen zeitweise stillgestanden. Inzwischen sei zunächst ein Ein-Schicht-Betrieb, seit dieser Woche auch ein Zwei-Schicht-Betrieb unter erheblichen Erschwernissen wieder angelaufen, erklärte Leoni-Vorstandschef Aldo Kamper am Mittwoch (23. März 2022) in Nürnberg bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens.

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"Es ist beeindruckend und bewegend zugleich, wie entschlossen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, sich nicht unterkriegen zu lassen. Zu spüren, wie sie für ihr Land und ihre Art zu leben einstehen. Ihre Sicherheit, ihre Leben haben für uns absolute Priorität", so Kamper.

Die Produktion sei "unter strengsten Sicherheitsbestimmungen und in begrenztem Umfang wieder angelaufen – im Einklang mit dem erklärten Willen der ukrainischen Regierung, dem Bekenntnis der Kunden und nicht zuletzt den Wünschen der Belegschaft", so das Unternehmen. 

Immer wieder Fliegeralarm: Beschäftigte von Nürnberger Autozulieferer kriegen kaum Schlaf

Die Beschäftigten müssten wegen Fliegeralarms immer wieder in die Luftschutzbunker. Teilweise kämen sie mit kaum Schlaf zur Arbeit, die Schichten würden deswegen gegebenenfalls verkürzt.

Leoni versuche, Ersatzkapazitäten in anderen Werken der Gruppe zu schaffen, etwa in Serbien oder Nordafrika. Geflüchtete Beschäftigte nach Rumänien würden zum Teil in anderen Leoni-Werken aufgenommen.

Bei dem ukrainischen Personal handle es sich zu zwei Dritteln um Frauen. Trotz des "volatilen Marktumfelds und den angespannten Lieferketten in der Branche" habe Leoni 2021 beim Umsatz zulegen können. "Wir haben eine wilde Fahrt gemeistert, bei ständig wechselnden Straßenverhältnissen. Doch es hat sich gelohnt: Wir haben wieder guten Grip und sind stabil zurück auf Kurs", so Kamper. 

Erstmeldung vom 14.03.2022: Nürnberger Autozulieferer Leoni von Russland-Sanktionen betroffen 

Die Folge: "Der Vorstand der Leoni AG hat heute beschlossen, seine Prognose für das Geschäftsjahr 2022 aufgrund des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen anzupassen", teilt Pressesprecher Gregor le Claire am Montag (14. März 2022) inFranken.de mit. Leoni hatte kurz nach Kriegsbeginn die Produktion in seinen beiden Werken im Südwesten der Ukraine eingestellt. Es herrsche "Fassungslosigkeit" über die aktuellen Ereignisse, hieß es.

Leoni erwartet demnach "einen niedrigeren Umsatz, ein niedrigeres EBIT vor Sondereffekten und einen niedrigeren Free Cashflow" im Vergleich zu der bisherigen Prognose. Insbesondere gehe der Vorstand davon aus, dass reduzierte Produktionsvolumina und teilweise Produktionsausfälle an seinen zwei Standorten in der Ukraine nicht vollumfänglich aufgefangen werden können.

"Auch das lokale Russland-Geschäft des Leoni-Konzerns wird durch geopolitische Konsequenzen, etwa durch Sanktionsmaßnahmen, betroffen sein", heißt es vonseiten des Autozulieferers. In der Konsequenz würden jetzt verschiedene Maßnahmen "intensiv" geprüft, kündigt Leoni an.

Leoni in Nürnberg: Autozulieferer korrigiert wegen Ukraine-Krieg Prognose nach unten

Indirekte Auswirkungen, die die Geschäftsentwicklung beeinflussen - etwa Produktionsunterbrechungen auf der Kunden- und Lieferantenseite - können Leoni zufolge noch nicht abgeschätzt werden. "Der Vorstand prüft intensiv verschiedene Maßnahmen, um diese Auswirkungen bestmöglich zu kompensieren." Dazu gehöre unter anderem "die Möglichkeit der Duplizierung von Produktionsvolumina", erklärt der Konzern am Montag. "Leoni arbeitet dazu eng und konstruktiv mit seinen Kunden und Lieferanten zusammen, um diese außergewöhnliche Situation zu bewältigen." 

Eine "verlässliche Quantifizierung" der direkten und indirekten Auswirkungen des Kriegs auf das Geschäftsjahr 2022 sei gleichwohl aufgrund hoher Unsicherheit zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich - die Prognosefähigkeit sei "wesentlich beeinträchtigt".

Für das laufende Geschäftsjahr wurde für die Produktion der beiden Werke in der Ukraine laut Leoni-Angaben bisher ein Umsatz von zusammen unter 300 Millionen Euro geplant. "Für die russischen Aktivitäten des Leoni-Konzerns wurde ein Umsatz von unter 100 Millionen Euro einkalkuliert", teilt das Nürnberger Unternehmen mit. Kernvermögenswerte in den Gesellschaften der beiden Länder seien Sachanlagen und Vorräte (rund 125 Millionen Euro) - sie könnten Leoni zufolge "zumindest teilweise wertgemindert" sein.

Schon Anfang März hatte Leoni mitgeteilt, dass der Konzern infolge der Werksschließungen versuche, den Produktionsausfall auszugleichen.