Die Stadt Nürnberg ist zur "Blauen Nacht" immer rappelvoll. Liebhaber der Sommernacht nehmen da gerne einen anderen Weg, die Illuminationen zu bestaunen: Eine Rundfahrt mit dem Bus.
"Bitte einsteigen!", ruft Christopher während Andrea die drei Stufen beim Einstieg erklimmt und sich im Rücken des Fahrers in einem der weich gepolsterten Sitze fallen lässt, die mit herrlich rotem Kunstleder bezogen sind. "Puh! Mit dem Bus ist die ,Blaue Nacht` einfach bequemer", sagt die Nürnbergerin und lacht während der alte Diesel im ersten Gang lostuckert.
Omnibus aus dem Jahr 1959
"Ich war gerade im Opernhaus. Jetzt will ich zur Burg, um einen guten Platz für die Burgprojektion zu bekommen." Zu Fuß durch die rappelvolle Altstadt? Das wäre der kunstverliebten Dame dann doch zu viel des Gutes gewesen, erzählt Andrea. Bei der nächsten Haltestelle bekommt Christopher hinter dem Steuer plötzlich einen Kuss. "Das ist meine Michelle", verteidigt sich der verdutzte Busfahrer nach dem Liebeslippenbekenntnis und erzählt, dass er sich zur "Blauen Nacht" als aktives Mitglied der "Straßenbahnfreunde" ehrenamtlich hinter den historischen Omnibus aus dem Jahr 1959 klemmt, um die ganze Nacht die blaue Altstadt mit seinem cremeweißen "Kraus-Maffei" mit orangenen Streifen zu umrunden.
Derweil haben die 120 Pferdestärken den Vestnertorgraben im Rücken der Kaiserburg erreicht. Andrea winkt kurz dem Fahrer zu und hüpft dann die drei Stufen beim Ausstieg hinunter. Viele andere Fahrgästen wählen den selben Weg. Denn von der Haltestelle ist es nur ein Katzensprung zur "Burgprojektion" und damit zum Höhepunkt jeder "Blauen Nacht". Heuer hat Dan Reeder, Nürnberger Künstler-Urgstein mit amerikanischen Wurzeln, die Ehre. Im Internet kursieren bereits Fotos von Riesenbratwürsten, die wie zum Anbeißen über die Kaiserburg tanzen.
Keine "Blaue Nacht" verpasst
Norbert ist einer der wenigen Fahrgäste, die nicht aussteigen und noch im Bus sitzen bleiben. "Ich mache eine Rundfahrt. Ich genieße es, meine Stadt heute Nacht aus einer anderen Perspektive zu erleben", sagt Norbert und erklärt, dass er bisher keine "Blaue Nacht" verpasst habe. "Als Bürger hat man die Verpflichtung, seine Anerkennung für das Engagement der Stadt und der vielen ehrenamtlichen Helfer mit der Teilnahme und dem Kauf eines Tickets auszudrücken", ist sich der Nürnberger sicher.
Nach 45 Minuten ist die Haltestelle beim Opernhaus wieder erreicht und der siebenjährige Daniel steigt mit einem blauen Luftballontier in den Bus ein. "Ich bin das letzte Kind gewesen, dass einen Luftballon bekommen hat", sagt der Siebenjährige stolz. "Jetzt fahren wir ins historische Straßenbahn-Depot. Mit Straßenbahnen kenne ich mich aus. Da fährt das allerneueste Modell", sagt Daniel und zeigt vor dem Hauptbahnhof lässig auf eine vorbeibrausende Tram.
"Dort soll die Hölle los sein"
Überhaupt die Straßenbahnen. Die sind offensichtlich angesagt bei Familien. "Wir fahren auch zu den Straßenbahnen", schaltet sich Max vom Nachbarsitz ein. "Wir machen seit fünf Uhr die Familien-Tour. Ich finde es schon sehr anstrengend", sagt Sonja und der kleine Max strahlt zufrieden.
"Ist die Stadt sehr voll?", fragt derweil ein neuer Passagier den Fahrer. "Ich bekomme von der ,Blauen Nacht` hier am Steuer nicht so viel mit", muss Christopher auf dem Fahrersitz zugeben und erklärt, dass er immer nur "um" niemals "in" die blau leuchtende Altstadt fahre.
Freilich könne er sich vorstellen, dass sich jetzt mit dem Einbruch der Dämmerung viele der rund 150.000 Besucher zur Burg aufmachen. "Dort soll die Hölle los sein", meldet sich ein anderer Fahrgast im nun voll besetzten Omnibus zu Wort und zieht die herrlich analoge Klingelleine mit der Glocke. Nach einer kleinen Ewigkeit kommen die 6500 Kilogramm zum Stehen. Die komplette Busladung steigt aus und macht sich zur Burg auf. Dort lässt Dan Reeder rote Herzen über die Burg flimmern. Später fliegen tatsächlich Riesenbratwürste durch die blaue Sommernacht.