Hersbruck: Zufallsfund auf Baustelle erzählt grausame Geschichte - "sein Name war Andre"
Autor: Manuel Dietz
Hersbruck, Montag, 14. August 2023
Auf dem ehemaligen Gelände des Konzentrationslagers Hersbruck finden aktuell Bauarbeiten statt. Durch reinen Zufall fand der 23-jährige Student Adrian Matthes auf der Baustelle in seinem Heimatort ein Relikt aus dem wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.
- Hersbruck: Auf ehemaligem KZ-Gelände - Student findet Marke aus Zweitem Weltkrieg
- "Bestimmt jemandem gehört haben": Aufwendige Recherche führt zu Ergebnis
- "Niemals damit gerechnet": Finder hat besonderen Wunsch - und sucht nach Angehörigen
Bereits seit Längerem finden auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Hersbruck Bauarbeiten statt. In Zukunft soll dort, wo sich einst die größte Außenstelle des KZ Flossenbürg befand, ein Seniorenheim entstehen. Durch Zufall machte der 23-jährige Student Adrian Matthes auf dieser Baustelle Anfang des Jahres eine besondere Entdeckung. Beim Spazierengehen entdeckte er im Boden des ehemaligen KZ-Geländes eine kleine Blechmarke. Obwohl ihm anfangs nicht bewusst gewesen sei, was genau er da gefunden hatte, habe er die Marke eingesteckt und sie mit nach Hause genommen. Erst durch eine aufwändige Recherche, sei ihm die Funktion und die Bedeutung des Fundstücks Schritt für Schritt bewusst geworden. Da er auch das Landesamt für Denkmalschutz über seine Entdeckung informierte, finden deshalb auf dem Gelände mittlerweile sogar archäologische Grabungen statt. Im Gespräch mit inFranken.de berichtet Matthes jetzt von der bewegenden Geschichte, die hinter der gefundenen Marke steckt.
Entdeckung auf ehemaligem KZ-Gelände in Hersbruck: Student findet bedeutungsvolle Blechmarke aus dem Zweiten Weltkrieg
"Ich komme selber aus Hersbruck und bin hier auch zur Schule gegangen", berichtet der 23-Jährige gegenüber inFranken.de. Neben seinem Maschinenbau-Studium interessiere er sich sehr für Geschichte, insbesondere für den Zweiten Weltkrieg. "Ich habe eine allgemeine Leidenschaft, mich mit dem Thema zu befassen", erklärt Matthes. Deshalb habe die Baustelle auf dem ehemaligen KZ-Gelände Gelände auch sein Interesse geweckt. "Wir hatten auch in der Schule schon viele Workshops und Informationsveranstaltungen zu dem Thema", sagt er. "Als ich gesehen habe, dass da gebaut wird bin ich einfach mal hingegangen", erklärt der 23-Jährige. Er habe schon damit gerechnet, ein paar spannende Dinge zu finden, was er dort dann aber entdeckte, habe aber auch er vorher nicht erwartet.
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"Ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich dort etwas so persönliches finde", sagt Matthes. "Ich bin eigentlich einfach nur ein bisschen rumgelaufen und habe mich umgeschaut", berichtet der Hobby-Historiker. "Zuerst habe ich im Boden viele Scherben, Knöpfe und Ähnliches gefunden, was auch aus der Zeit des des Zweiten Weltkriegs stammen dürfte", erklärt er. "Und plötzlich habe ich dann wie durch Zufall diese Blechmarke gefunden". Zu dem Zeitpunkt habe er aber noch gar nicht gewusst, was genau er da eigentlich gefunden hatte. "Ich dachte mir nur, dass das vielleicht eine Art Identifikationsmerkmal sein könnte und habe die Marke mitgenommen", erinnert er sich.
Zuhause habe er dann mit der Recherche begonnen. "Ich habe im Internet Fotos von überlebenden Ex-Häftlingen gefunden, auf denen genau solche Marken zu sehen waren", berichtet Matthes. Da sei er sich dann sicher gewesen, dass es sich bei dem kleinen Metallplättchen tatsächlich um eine Art Identifikations-Marke handle. Zuerst habe er seinen Fund dem Landesamt für Denkmalschutz gemeldet. Doch damit habe er sich noch nicht zufrieden geben wollen. "Ich dachte mir, die Marke wird ja bestimmt jemandem gehört haben", sagt Matthes. Er habe sich deshalb kurzerhand dazu entschieden, der Sache auf den Grund zu gehen und die Geschichte hinter der Marke und dem Menschen, dem sie einst gehörte, herauszufinden.
"Wollte mehr erfahren": Franke forscht nach Identität von KZ-Häftling - eine Sache konnte er bislang nicht klären
"Ich habe mich mit der Identifikationsnummer dann an die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg gewandt, weil ich mehr erfahren wollte", berichtet der 23-Jährige. Nachdem er sämtliche Informationen aus den Archiven herausgepickt und zusammengesetzt hatte, habe er schließlich tatsächlich die Identität des Menschen hinter der Marke herausfinden können. "Sein Name war Andre Swiridenko", sagt Matthes. Wie die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg mitteilt, sei Swiridenko 1916 in der Nähe von Kiew geboren und im September 1943 als sowjetischer Kriegsgefangener in das KZ nach Dachau eingewiesen worden. Am 25. August 1944 sei er dann vom Dachauer Außenlager Allach nach Hersbruck überführt worden. Danach endet seine Spur. "Ob er dort gestorben ist oder das KZ überlebt hat konnte ich bislang nicht herausfinden", erklärt Matthes.
Der 23-Jährige hat außerdem einen ganz besonderen Wunsch. "Ich würde mich freuen, wenn ich die Marke eines Tages an einen Angehörigen zurückgeben könnte", sagt er. Er habe deshalb sogar bereits die Behörden in der Ukraine kontaktiert, bislang jedoch mutmaßlich aus Gründen des aktuellen Kriegs dort keine Antwort erhalten.