Es ist ein Ort, an dem vom Hosenmatz bis zum gestandenen Ingenieur jeder mit computergestützten Maschinen tüfteln und bauen kann: Das Nürnberger Fab Lab auf AEG. Außer einer offenen Werkstatt gibt es auch ein Reparatur-Café.
Chris Herrmann hatte schon immer viele Ideen. Er wollte Sachen kreieren, ausprobieren, reparieren. Aber der Ort zum Bauen und Tüfteln fehlte ihm. Der 38-Jährige wünschte sich eine offene Werkstatt, in der jeder seine Vorstellungen umsetzen könnte. Als er vom Nürnberger Fab Lab hörte, war klar: "Das ist es", sagt Herrmann, lacht und rückt sein Käppi gerade.
Jetzt ist der gelernte Grafikdesigner Projektleiter im Fab Lab (englisch: Fabrication Laboratory) "auf AEG". Das Lab mit seinen computergestützen Maschinen passt gut in die Atmosphäre von Einrichtungen der Uni und Zentren für Kunst und Kultur, die sich auf dem ehemaligen AEG-Areal im Nürnberger Westen angesiedelt haben. In Halle 14, rechts neben dem Eingangstor, hat die Werkstatt für Jedermann seit 2011 im zweiten Stock ihren Raum.
Beachtlicher Maschinenpark Herrmann sagt, sie sei noch im Aufbau. Für eine Aufbauphase ist der Maschinenpark aber beachtlich: 3D-Drucker, Laserschneider, Stickmaschine, CNC-Fräse, Folienplotter, Nähmaschinen, ein Reflowofen zum Reparieren von Platinen, Türme voll mit Bauteilen und natürlich Werkzeuge, vom Lötkolben bis zum schnöden Hammer. Alles griffbereit und übersichtlich angeordnet auf 200 Quadratmetern.
"Das ist schon mal ganz gut", stellt Herrmann fest und schiebt schmunzelnd einen Wunsch hinterher: "Ich träume von einer computergestützen Strickmaschine", sagt er und seine Augen funkeln hinter der dunklen Brille.
Internationales Netzwerk Klar, dass er solche Wünsche hat - der Projektleiter will die Werkstatt als Teil eines internationalen Netzwerks auf das Niveau der anderen, standardisiert ausgestatteten Fab Labs bringen. Allein in Deutschland gibt es etwa 120. Das könnte klappen, weil die Finanzierung durch die Stadt Nürnberg und Unternehmen aus der Region gesichert ist. Damit der Lab-Gedanke über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wird, wurde das Metro-Lab gegründet. Geldgeber ist zu 50 Prozent der Bund, die andere Hälfte muss Chris Herrmann auftreiben. Die Betreuung des Metro Labs gehört ebenso zu seinen Aufgaben wie die Organisation von Veranstaltungen. Außerdem unterstützt er andere Labs sowie Reparatur-Cafés in der Metropolregion bei der Gründung.
Seine Motivation der kreativen Umsetzung von Ideen verliert er dabei nicht aus den Augen. "Ich wollte technische Fähigkeiten haben und nutze das Lab als Lernort", sagt Herrmann. "Jetzt traue ich mich an Dinge heran, die ich vorher nicht angefasst hätte." Dabei hilft ihm auch sein Engagement im Reparatur-Café, das als feste Einrichtung zum Lab gehört. Alle zwei Monate kommen hier Spezialisten zusammen, um herumzuschrauben.
"Zu zwei Dritteln sind es Rentner", sagt Herrmann, der als Betreuer mitwerkelt und gern mit dem 85-jährigen Anton Ehrig zusammenarbeitet. Der Senior ist die gute Seele im Café, technisch fit und haucht den meisten Geräten wieder Leben ein.
Wegwerfen - denkste! Mechanische Probleme werden gern am Reparatur-Samstag gelöst, wenngleich der Fokus laut Herrmann auf Elektronik liegt. Manche wollen auch Kleinodien flicken oder Schmuck reparieren. Weil viele Menschen ihre Sachen gemäß dem Café-Motto "Wegwerfen - denkste!" wieder in Gang bringen wollen, reicht die Schlange oft bis vor die Tür.
"Neulich hatten wir über 70 Reparaturanfragen", sagt Herrmann und lacht. "Das war Rekord. Aber wir konnten sie alle abarbeiten". Dabei helfen die angestellten Mitarbeiter, Mitglieder vom "Verein Fab Lab Region Nürnberg " und Menschen, die einfach Spaß am Reparieren haben. Besonders freut es Herrmann, wenn ältere Herren wie Anton Ehrig kommen. "Von ihrer Erfahrung profitieren alle."
Zack, zack: Prototypen entwickelt Im Gegensatz zum Reparatur-Café geht es beim "Open Lab" ums Entwickeln. Immer samstags ist die Werkstatt zugänglich für jeden, "der lernen will, wie es geht", sagt Herrmann, "vom Hosenmatz bis zum gestandenen Ingenieur." Nach einer kurzen Einführung dürfen Besucher die Maschinen kostenlos nutzen.
Material können sie vor Ort kaufen: Metall, Kunststoff, Holz, Leder, Pappe. Daraus können selbst komplexeste Formen ausgeschnitten oder aufgebaut werden. "Sie werden an unseren Computern gezeichnet, den Rest erledigen die Maschinen", erklärt Herrmann. Wer will, kann mit Hilfe von einfacher Elektronik den selbst gebauten Objekten ein virtuelles Leben einhauchen.
"Das Ergebnis ist verblüffend: Wer mit einer Idee kommt, hält oft bereits am Abend einen fertigen Prototypen in Händen", sagt Herrmann und grinst: "Die Besucher haben manchmal wilde Pläne." Bei der Umsetzung können sie sich mit anderen Tüftlern, Experten wie Herrmann oder Ehrenamtlichen austauschen. "Wir haben im Fab Lab viele Baupläne digital im PC. Hier kann man lernen, sie zu verstehen", sagt Herrmann. Dafür müsse man kein Profi sein, Voraussetzung sind Interesse und Affinität zur Technik. "Dann klappt es auch ohne handwerkliche Vorkenntnisse".
Männchen backen, Leder nähen Dann kommen - apropos wilde Pläne - Dinge heraus wie ein Stiftplotter, der Flyer macht und sie unter der Tür durchschiebt. Oder es werden kleine Roboter konstruiert. Im 3D-Drucker Männchen gebacken. Und auch "normale" Projekte realisiert, wie Vereins-T-Shirts elektronisch besticken. Mit dem Laser "Ich liebe dich" auf Schmuckschachteln gravieren. Lederklamotten zusammennähen.
"Das Lab ist ein Ort, an dem viel entsteht", sinniert Herrmann und sein Blick schweift über die Werkstatt. "Fab Labs sollten in Zukunft zur Infrastruktur einer Stadt gehören wie eine Bibliothek."
Selber machen in Franken Standorte In der Region gibt es Fab Labs unter anderem in Nürnberg (Auf AEG, Halle 14, Muggenhofer Straße 141), an der Uni Erlangen (Lehrstuhl für Informatik, Martensstraße 3), in Bamberg (Hackerspace, Spiegelgraben 41), in Würzburg (Nürnberger Str. 47a) und in Bayreuth (Ritter-von-Eitzenberger-Str. 19). Zusätzliche Gründungen in Franken sind in Planung. Adressen und Infos zu Fab Labs und Reparatur-Cafés gibt es im Internet auf
www.offene-werkstaetten.org.
Öffnungszeiten Das Nürnberger Fab Lab bietet u.a. Workshops für Schulen und Kooperationen mit Unternehmen an. Das Open Lab ist samstags von 15 bis 21 für alle Interessenten geöffnet, hier stehen Werkstatt und Geräte für eigene Projekte zur Verfügung. Jeden zweiten Samstag in gradzahligen Monaten findet ab 14 Uhr unter fachlicher Anleitung das Reparatur-Café statt, nächster Termin: 11. April. Einmal im Monat gibt es am Freitag eine "Zwergstatt" (nächste: 17. April) für 9 - 16-Jährige. Alle Veranstaltungen und Infos unter
www.fablab-nuernberg.de.