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Nürnberg: Autofahrer rasten bei Klimakleber-Blockade völlig aus - "aua, was soll das?"


Autor: Ralf Welz

Nürnberg, Donnerstag, 22. Juni 2023

In Nürnberg ist es infolge einer Straßenblockade durch Mitglieder der "Letzten Generation" zu Handgreiflichkeiten gekommen. Aufgebrachte Autofahrer attackierten die Klimaaktivisten körperlich. Nach einem veröffentlichten Video ermittelt nun die Polizei.
In einem Video auf Twitter ist zu sehen, wie erboste Autofahrer die Protestierenden der "Letzten Generation" mitunter mit rabiaten Mitteln attackierten. Auslöser ist eine Straßenblockade der Kilmaaktivisten am Nürnberger Frauentorgraben.


  • Nürnberg: Straßenblockade der "Letzten Generation" zieht Verkehrschaos nach sich
  • "Verpisst euch": Wütende Autofahrer gehen körperlich gegen Klimakleber vor
  • Video zeigt Gewalt - Nürnberger Aktivist (20) spricht von "geringer Hemmschwelle"
  • Polizei wertet Aufnahmen aus - "Ermittlungen laufen aber in beide Richtungen"

In der Nürnberger Innenstadt ist es zu einer folgenschweren Protestaktion von Mitgliedern der sogenannten "Letzten Generation" gekommen. Auf einer Straße unweit des viel befahrenen Frauentorgraben klebten sie sich am vergangenen Montagvormittag (19. Juni 2023) auf die Straße und blockierten dadurch den Verkehr. Die Folge waren massive Behinderungen im Zentrum der Frankenmetropole. Mehrere der leidtragenden Autofahrer machten ihrem Ärger indessen Luft. "Wir rechnen damit, dass es eine gewisse Gewalt geben kann, aber das war sehr intensiv", berichtet Klimaaktivist Lorenz am Donnerstag (22. Juni 2023) inFranken.de.

Nürnberg: "Letzte Generation" bremst Autos in Innenstadt aus - Zornige Fahrer reagieren teils mit Gewalt

Vor Ort gingen die sichtlich entrüsteten Verkehrsteilnehmer teils unter Gewaltanwendung auf die jungen Klimaaktivisten los, wie ein auf Twitter kursierendes Video zeigt. Die deutlich erbosten Autofahrer attackierten die Protestierenden vereinzelt mit rabiatem körperlichen Einsatz. So zeigen die ins Netz gestellten Aufnahmen unter anderem Schubser und sogar Fußtritte gegen die Mitglieder der "Letzten Generation".

Video:




"Wo ist euer Problem? Kommt runter von der Straße, Mann! Seid ihr kleine Kinder, oder was?", ruft ein vermutlich ausgebremster Fahrer ungehalten Richtung Demonstranten. "Kommt, verpisst euch. Im Kindergarten, oder was?" Eine Frau mittleren Alters geht in einer Szene dazwischen und verhindert dadurch, dass einer der aufgebrachten Männer einen der Klimaaktivisten weiter auf dem Asphalt zieht. 

Ein Mann mit schwarzer Baseballmütze ergreift indessen das Schienbein eines anderen Mitstreiters der Klima-Bewegung und zerrt ihn auf den Bürgersteig. Dabei beschimpft er den jungen Aktivisten. "Du bist ein kleiner, lächerlicher Vogel. Alter, werd‘ erwachsen." Wiederum ein anderer Verkehrsteilnehmer oder Passant blockt derweil ein offenkundiges Gesprächsangebot eines weiteren Klimaklebers ab. "Das interessiert mich nicht", betont der Mann in dunklen Shorts und Weste, wie im Video zu vernehmen ist. 

"Kommt runter von der Straße": Aufgebrachte Verkehrsteilnehmer gehen Klimaaktivisten körperlich an

Ein Mann im blauen Shirt hievt einen der insgesamt vier zu sehenden jungen Klimakleber indessen von der Fahrbahn unsanft in die Höhe. Vonseiten der insgesamt vier zu sehenden Protestierenden sind vereinzelt Schreie zu vernehmen. "Aua, was soll das?", fragt einer von ihnen, als er von einem der merklich wütenden Autofahrer an der Jacke gepackt, über die Straße geschleift und anschließend weggeschubst wird. "Geh in die Arbeit, du Idiot", gibt er dem Aktivisten laut mit auf den Weg. 

In dem im Netz veröffentlichten Clip zu beobachten ist auch, wie ein spürbar verärgerter Mann einem Protestierenden dessen orangefarbenes Transparent entreißt und mit diesem von dannen zieht. 

"Ich rufe gleich die Polizei wegen Ihnen", droht der Attackierte. Einer der aufgebrachten Verkehrsteilnehmer wirft den Straßenblockierern indes vor, "die Arbeit von anderen zu behindern". Der rabiat auftretende Mann mit Mütze tritt eines der Mitglieder der "Letzten Generation" zudem mit seinem Stiefel gegen den Oberschenkel. 

Nürnberger Klimakleber schildert Attacken aus seiner Sicht - "geringe Hemmschwelle bedenklich"

Im Gespräch mit inFranken.de schildert Klimaaktivist Lorenz am Donnerstag (22. Juni 2023), wie er die Situation vor Ort erlebt hat. "Die Blockade war sehr intensiv. Wir sind gegen 7 Uhr auf die Straße gegangen. Es hat sich gleich ein entsprechender Rückstau gebildet." Laut Angaben des 20-Jährigen sind mehrere Autofahrer sofort aus ihren Fahrzeugen ausgestiegen. "Sie haben angefangen, uns zu beleidigen und sind handgreiflich geworden." Ein Banner der "Letzten Generation" sei zudem in den angrenzenden Torgraben geworfen worden. Wer das veröffentlichte Video erstellt und im Internet hochgeladen hat, wisse er nicht.

Dass ausgebremste Verkehrsteilnehmer auf derartige Aktionen mit Unmut reagieren, sei grundsätzlich nachvollziehbar. "Wir stören sie ja schließlich auch", sagt Lorenz. "Aber bedenklich ist, wie gering die Hemmschwelle ist." Die Geschehnisse vom Montag seien nicht die ersten dieser Art, hält der in Nürnberg lebende Aktivist fest. "Es ist immer sehr, sehr beängstigend, weil wir die Menschen nicht einschätzen können. Wir versuchen wirklich alles, dass es nicht zu Gewalt kommt. Wenn es passiert, müssen wir es ein Stück weit ertragen", konstatiert Lorenz. Wichtig sei jedoch, dass er und seine Mitstreiter selbst nie die Beherrschung verlieren und handgreiflich werden. 

Als erleichterndes Gefühl bezeichnet der 20-Jährige derweil das Ertönen der Polizeisirenen. "Im schlimmsten Fall kann dann die Polizei einschreiten." Eine Strafanzeige gegen die betroffenen Autofahrer sei vonseiten der "Letzten Generation" gleichwohl nicht vorgesehen. "Wir gehen ja nicht gegen die Menschen auf die Straße. Außerdem wollen wir uns nicht in Zivilklagen verheddern", erklärt der Nürnberger. Der Protest richte sich allein gegen die Klimapolitik. "Letztendlich wäre uns schon allen geholfen, wenn die Regierung ein Tempolimit einführt. Dann hätten wir schon viel CO2 eingespart." 

Polizei wertet Videomaterial derzeit aus - "Ermittlungen laufen aber in beide Richtungen"

Dem Polizeipräsidium Mittelfranken ist das im Internet kursierende Video indessen bekannt. Im Zuge der Blockade der Klimaaktivisten vom Montag am Nürnberger Frauentorgraben habe das zuständige Fachkommissariat der Nürnberger Kriminalpolizei Ermittlungen eingeleitet, erklärt Michael Konrad, Pressesprecher des Präsidiums, am Mittwoch (21. Juni 2023) gegenüber inFranken.de. "Die Ermittlungen laufen aber in beide Richtungen", betont Konrad. 

Ermittelt werde sowohl gegen die Autofahrer, die die Aktivisten körperlich angegangen hätten, als auch die Aktivisten selbst. Im Raum stehen einerseits Tatbestände der Körperverletzung und andererseits die der Nötigung. Von wem das angefertigte Videomaterial stammt, sei gegenwärtig noch unklar. Auch eine Stellungnahme der attackierten Mitglieder der "Letzten Generation" liegt demnach bislang nicht vor. "Das wird jetzt alles geprüft werden", kündigt der Polizeisprecher die nächsten Schritte der Ermittler an.

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