Bayernweit einzigartiges Wohnprojekt in Klingenberg - Forscher mit Fazit
Autor: Redaktion
Klingenberg am Main, Mittwoch, 22. Oktober 2025
In Klingenberg (Kreis Miltenberg) läuft seit 2021 ein bayernweit einzigartiges Modellprojekt. Vier Frauen mit komplexer Behinderung leben zusammen in einer WG.
Menschen mit komplexer Behinderung leben in der Regel in ihren Familien oder in Wohnheimen. Anders sieht es bei vier Frauen in Klingenberg (Kreis Miltenberg) aus: Sie bilden seit 2021 eine ambulant unterstützte Wohngemeinschaft. Solche alternativen Wohnformen sind in Deutschland selten. In Bayern ist die Klingenberger Initiative einzigartig. Möglich wurde sie nur als Modellprojekt, weil sie wissenschaftlich begleitet wurde.
Die WG-Bewohnerinnen verfügen über soziale Unterstützungsnetzwerke. Diese bestehen im Wesentlichen aus den Eltern, weiteren Familienangehörigen und Freunden der Eltern. Dazu kommen die in der WG beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort auch am Wochenende und nachts Dienst tun, sowie die Beschäftigten der Tagesförderstätten, in denen die vier Frauen von Montag bis Freitag ihre Zeit verbringen.
Gefördert vom Gesundheitsministerium des Freistaats
Wie steht es um die Lebensqualität der Frauen in der WG, wie um die gesellschaftliche Teilhabe und Vernetzung, die sie in ihrem Wohnumfeld und ihrer Gemeinde erreichen können? Welche Faktoren beeinflussen die erreichte Qualität? Um diese Fragen drehte sich das dreieinhalbjährige Forschungsprojekt IWoK – Inklusives Wohnen mit komplexer Behinderung.
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention hatte damit zwei Wissenschaftler beauftragt: Professor Christoph Ratz vom Institut für Sonderpädagogik der Universität Würzburg und Professor Peter Groß von der Evangelischen Hochschule Darmstadt. Mit zum Team gehörte Fabian Riemen, Doktorand von Christoph Ratz. Ihre Ergebnisse stellten die Forscher am 18. September 2025 bei einer Info-Veranstaltung im Universitätsgebäude der Uni Würzburg am Wittelsbacherplatz vor.
Hohes subjektives Wohlbefinden in der WG
"Die Datenlage zur Lebensqualität erlaubt die Einschätzung, dass das subjektive Wohlbefinden der vier Frauen in ihrer WG hoch ist", sagt Christoph Ratz. Es bestünden auch erste soziale Kontakte zur Nachbarschaft und zu einem Verein im Ort – das zeige, dass soziale Teilhabe möglich ist. Nach dem Umzug in die WG habe es bei den Frauen keine nennenswerten persönlichen Rückschritte gegeben. Vielmehr würden sie sich positiv entwickeln.
Doch die Daten zeigen auch, dass die hohe Abhängigkeit der Frauen von alltäglichen Hilfen auch in der selbst gewählten Wohnform zu einem hohen Maß an Fremdbestimmung führt. Trotz der hohen Lebensqualität hätten die Frauen im Verlauf des Modellprojekts bislang noch keine soziale Inklusion im Gemeinwesen verwirklichen können, so die Forscher. Dies schränke die Teilhabequalität ein. Gründe hierfür sind unter anderem Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie.
Das Projekt habe zudem klargemacht, wie herausfordernd es für Menschen mit komplexer Behinderung ist, ihre Bedürfnisse und Interessen in einer eindeutigen Art und Weise mitzuteilen. Hier sehen die Forscher Bedarf an spezifischen Fort- und Weiterbildungen, um unterstützende Fachkräfte noch besser in Kommunikationstechniken und Arbeiten im Assistenzmodell zu schulen.