Es gibt sie noch, die politisch engagierten, jungen Leute. Doch ihre heutigen Feinde heißen Zeit und Internet.
Es ist Freitagabend, einer der wenigen richtig heißen Tage im Sommer. Vier junge Männer - Jonas, Matthias, Vinzenz und Julian - plaudern angeregt in einer Eisdiele. Eigentlich ein alltägliches Szenario. Jonas Püls trägt ein weißes Hemd mit einer feinen Stoffhose und schicken, flachen Schuhen. Was der flüchtige Betrachter nicht erkennt: Bei sengender Hitze, in der sich das Eis bereits im Becher zu einer süßen Pfütze verwandelt, leitet der 21-Jährige einen politischen Stammtisch. Jonas hat ein eher ungewöhnliches Hobby: die Politik.
Kreisvorsitzender der Jusos
Seit Mai 2015 ist er Kreisvorsitzender der Jungen Sozialdemokraten Lichtenfels und seit September Unterbezirksvorsitzender für die Jusos Kulmbach-Lichtenfels.
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Im Klartext: Er ist die Schnittstelle der beiden Juso-Gruppen aus Kulmbach und Lichtenfels und seit 2016 zusätzlich stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender der SPD
Altenkunstadt. Sind so viele Ämter für einen 21-Jährigen, der nebenbei auch noch Jura in Bayreuth studiert, überhaupt machbar? "Wir haben in Deutschland eine lang erkämpfte Demokratie, die wir wahren müssen", spricht Jonas über seine Motivation. "Politisches Engagement bedeutet, dass wir die Möglichkeit haben, zu verändern, was uns nicht gefällt." Zur Politik gekommen ist der gebürtige Altenkunstadter über seinen ehemaligen Geschichts- und Sozialwissenschaftslehrer und Lichtenfelser Bürgermeister Winfred Bogdahn, mit dem er viele Gespräche geführt hat. "Zuvor war ich schon bei den Sozialen Bürgern aktiv, einer Wählervereinigung ohne Parteibindung", erzählt Jonas weiter.
Alle SPD-Mitglieder, die unter 35 sind, landen automatisch bei den Jusos. Von rund 120 Mitgliedern in Kulmbach und Lichtenfels ist insgesamt nur etwa ein Fünftel aktiv. Der geringe Anteil lässt sich wohl nicht mit dem Grillwetter am Wochenende rechtfertigen. "Wenn wir junge Leute ansprechen, hören wir oft nur ein ,Was mache ich da, außer Jahresbeitrag zu zahlen?‘", meint Julian Seiferth, stellvertretender Kreisvorsitzender der Jusos Kulmbach. "Politisch engagiert zu sein, hat etwas Nerdiges, Außenseitermäßiges", klagt er.
Beach-Soccer und Cocktail-Stand
Vor der nächsten Bestellung kommen Ideen auf den Café-Tisch, wie jungen Leuten Politik schmackhaft gemacht werden könnte. Ein Playstation 4-Turnier solle es geben, ein Beach-Soccer-Turnier und einen Cocktail-Stand beim nächsten Straßenfest, lautet schließlich das Ergebnis des Brainstormings.
Eine andere Partei, die bei ihrer Jung-Organisation sehr engagiert ist, ist die Kulmbacher CSU. Der Kreisverband Kulmbach der Jungen Union habe über 260 Mitglieder, wie Kreisvorsitzender Patrick Kölbel auf Nachfrage erklärt. "Wir veranstalten Termine, bei denen junge Menschen in Kontakt mit Politik und Mandatsträgern kommen, wie zum Beispiel das ,Politische Brotzeitbrettla‘ mit Emmi Zeulner in Wonsees", beschreibt er.
Einmal im Monat Stammtisch
Zurück in der Eisdiele. Die ganze Organisation der Veranstaltungen, Treffen und Stammtische bedeutet viel Zeitaufwand. "Unser Stammtisch findet in der Regel einmal im Monat statt. Ansonsten bin ich mindestens bei ein bis zwei Veranstaltungen pro Woche und beschäftige mich täglich mit meinen Ämtern. Manchmal auch während der Vorlesungen an der Uni", schmunzelt Jonas.
Seine Aufgaben sind unter anderem, die Kommunikation zwischen den Juso-Gruppen Kulmbach und Lichtenfels herzustellen, Veranstaltungen zu organisieren, Informationen aus den Parteivorstandschaften weiterzuleiten und Presseartikel zu schreiben.
Der Feind heißt Zeitmangel Schon allein die Anzahl der erschienenen Stammtischler macht klar, an wem die meiste Parteiarbeit hängen bleibt. "Eigentlich wollten wir heuer wieder ein großes Open-Air-Fest veranstalten, um junge Leute auf uns aufmerksam zu machen. Dazu hatten wir sogar Gerhard Schröder als prominenten Gast eingeladen, der aber abgesagt hat", plaudert Jonas. "Und dann kam meine Prüfungszeit an der Uni dazwischen." Zustimmendes Gemurmel am Tisch.
Trotzdem ist die einstimmige Meinung von Jonas, Matthias, Vinzenz und Julian, dass gegen das politische Desinteresse der jungen Generation etwas getan werden müsse. "Es ist wirklich schade, dass sich so wenig junge Leute mit einer Partei identifizieren können", bedauert Jonas. "Wenn wir etwas verändern möchten, dürfen wir nicht nur mit dem Finger darauf zeigen, sondern müssen dies von innen heraus tun."