"Strauß lass' nach!" und andere Nachlässe

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Renate Höpfinger hat ein Fotoalbum aus dem Nachlass des Arztes Fritz Lamprecht nach Kloster Banz mitgebracht. Foto: Matthias Einwag
Renate Höpfinger hat  ein Fotoalbum aus dem Nachlass des Arztes Fritz Lamprecht nach Kloster Banz mitgebracht. Foto:  Matthias Einwag
Franz Josef Strauß gibt bei einem Besuch in Kloster Banz Autogramme. Auch dieses Bild befindet sich im Münchner Archiv. Foto: Rudolf Mader
Franz Josef Strauß gibt bei einem Besuch in Kloster Banz Autogramme. Auch dieses Bild befindet sich im Münchner Archiv. Foto: Rudolf Mader
 
Selbstporträt von Fritz Lamprecht, dessen Bilder in Banz hängen.
Selbstporträt von Fritz Lamprecht, dessen Bilder in Banz hängen.
 
Ein Wahlplakat aus den 1970er Jahren aus dem Parteiarchiv.
Ein Wahlplakat aus den 1970er Jahren aus dem Parteiarchiv.
 

Die Historikerin Renate Höpfinger ist Archivleiterin der CSU. Sie bewahrt nicht nur die Nachlässe Prominenter auf, sie publiziert darüber. Der Kabarettist Helmut Schleich, der FJS täuschend echt nachahmt, recherchierte in ihren Beständen.

Sie ist Herrin über rund 160 Nachlässe, 8000 CSU-Plakate, 4000 laufende Meter Akten, 100.000 Fotos und eine steigende Zahl von Webseiten- und Facebook-Auszüge. Seit 1997 ist die promovierte Historikerin und Germanistin Renate Höpfinger die Archivleiterin der CSU. Korrekt heißt die Einrichtung "Archiv für Christlich-Soziale Politik" und ist in der Münchner Parteizentrale untergebracht. Renate Höpfingers Kunden sind neben Politikwissenschaftlern, Historikern und Journalisten manchmal auch Kabarettisten - aber davon später mehr.

Zu den Aufgaben der 52-Jährigen gehört es, Parteiunterlagen zu sammeln, aufzubereiten und für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Was so staubtrocken klingt, ist in Wirklichkeit vielseitig und interessant, zumal das Internet sowie Social Media und E-Mail als Quellen für Archivare immer bedeutender werden.
"Facebook ist eine neue Herausforderung", sagt Renate Höpfinger über die digitale Revolution. Sie sei sehr gespannt, wie die Entwicklung weitergeht: "Es gibt Herausforderungen und Lösungen."

"Webseiten ins Archiv zu kriegen, ist wichtig - ich muss die Daten erst einmal sichern, sonst sind sie weg", erklärt sie. Im Internet, das von raschen Veränderungen lebt, ist morgen schon überholt, was heute noch gilt. Für Archivare, die bewerten, wonach die Forschung in zehn, in 20 oder 30 Jahren fragen könnte, stellt sich also die Frage: Schnell erschließen oder in die Tiefe gehen? Und weil man - selbst im Digitalzeitalter - nicht alles aufheben kann, bewertet der Archivar, was konserviert wird und was nicht.

Ein Who-is-who der Politik

In die Bestände des Archivs für Christlich-Soziale Politik eingegliedert werden auf Wunsch der Nachlassenden die Akten und Unterlagen von CSU-Landtagsabgeordneten, Landräten, Ministern, Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden, aber auch von Menschen, die der Partei ihre Tagebücher und Fotos, Bücher oder Gemälde vermachen. Die Namensliste der archivierten Nachlässe liest sich wie ein Who-ist-who der baye rischen Politikgeschichte: Werner Dollinger, Alfons Goppel, Hermann Höcherl, Alois Hundhammer, Hans Klein, Josef Müller ("Ochsensepp"), Fritz Pirkl, Fritz Schäffer, Wilfried Scharnagl, Hanns Seidel, Richard Stücklen, Theo Waigel und Hans Zehetmair. Aber auch von der ehemaligen Staffelsteiner Landtagsabgeordneten Waltraud Bundschuh sind laut Bestandsverzeichnis "0,05 lfd m" in den Regalen der Münchner Lazarettstraße archiviert.

Ja richtig: Noch einer überließ seine Briefe und Redemanuskripte, Plakate und Korrespondenzen dem Parteiarchiv: Franz Josef Strauß ("300 lfd m"). Was dem Vater recht ist, kann der Tochter nur billig sein; auch Monika Hohlmeier hat dem Archiv bereits ein Konvolut ihrer Akten überlassen - ihr Vermächtnis ist freilich im Vergleich mit dem ihres Vaters bescheiden: "19 lfd m".

Renate Höpfinger ist mehr als "nur" eine Archivarin, die Briefe oder E-Mails für andere aufbewahrt und aufbereitet. Als Wissenschaftlerin forscht und publiziert sie häufig selbst. So hat sie den reich bebilderten Katalog über Leben und Werk des Arztes und Hobbymalers Friedrich Lamprecht (1892 bis 1945) verfasst und herausgegeben. Lamprechts Gemälde sind in Kloster Banz ausgestellt. Seine Tochter, Inge Müller-Lamprecht hatte verfügt, dass der Nachlass nach ihrem Tod der Hanns-Seidel-Stiftung zukommen möge, damit die Bilder ihres Vaters öffentlich zugänglich sind. Verwaltungsleiter Michael Möslein erfüllte gern diesen testamentarischen Willen und ließ die meist großformatigen (Öl-) Bilder an den Wänden der Gänge aufhängen.

Für Renate Höpfinger ist der rudimentäre Nachlass hingegen eine Herausforderung. Sie nennt das "aus wenigen Spuren ein Leben rekonstruieren". Für den Werkkatalog hat sie den Lebenslauf Friedrich Lamprechts nachgezeichnet, musste aber viele Fragen offen lassen. Ein Fotoalbum, das sich im Nachlass befindet, gibt ihr Rätsel auf. Keines der Bilder ist beschriftet, die Namen der Abgebildeten bleiben unbekannt, die zeitliche Einordnung kann nur geschätzt werden. Um vielleicht ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, hatte Renate Höpfinger das Album diese Woche mit nach Kloster Banz gebracht, wo sie einen Vortrag über Friedrich Lamprecht und sein Werk hielt. Sie hoffte, dass unter den Besuchern jemand ist, der Personen auf den Bildern identifizieren kann.

Mosaiksteinchen im Lebensbild

Einige wenige Mosaiksteinchen konnte sie hernach tatsächlich ins Lebensbild Friedrich Lamprechts einfügen: Die Besucher aus Bad Berneck erkannten auf einem Foto einige Personen. Ein Besucher aus Berneck berichtete zudem, er habe auf einer Auktion ein Lamprecht-Bild ersteigert. Renate Höpfinger: "Das ist das erste Mal, dass ich von einem frei verkauften Lamprecht-Bild höre."

Wie man Menschen auf die Archivarbeit neugierig machen kann? Renate Höpfinger erzählt, dass sie zum "Tag der Archive" heuer den Münchner Kabarettisten Helmut Schleich eingeladen hatte, der als kongeniales FJS-Double bekannt ist. Ein Auftritt vor größerem Publikum resultierte daraus. Unter dem Titel "Strauß lass' nach" sichtete der auferstandene FJS seinen Nachlass (im Internet auf der Webseite der Hanns-Seidel-Stiftung findet sich ein Mitschnitt: www.hss.de ).

Einige Zeit zuvor hatten Helmut Schleich und sein Co-Autor Thomas Merk das Archiv in der Lazarettstraße besucht, um für einen Imagefilm im Strauß-Nachlass zu recherchieren, Motto: "Jetzt schau' ich mal, was sie aus meinem Archiv gemacht haben." Renate Höpfinger erinnert sich lächelnd an die Begegnung mit dem falschen Franz Josef: "Es war wie beim Nikolaus - man wusste schon: der ist nicht echt, aber innerlich hat man schon Haltung angenommen."