Die Theatergruppe "Bumerang" wirft in Burgkunstadt Blick einen Blick auf das "Bügelfernsehen".
Silvan Wagner ist ein Multitasker, wie es neudeutsch so schön heißt. Einer, der mehrere Dinge gleichzeitig tun kann. 16 Stunden am Tag läuft bei dem Hochschullehrer an seinem Heimarbeitsplatz im Burgkunstadter Ortsteil Ebneth die Flimmerkiste. Der 41-jährige Germanist und Regisseur der heimischen Theatergruppe "Bumerang" zieht sich nicht ins stille Kämmerlein zurück, wenn er wissenschaftliche Arbeiten schreibt oder sich neue Theaterstücke ausdenkt. Sie entstehen vielmehr beim Fernsehgucken.
"Ich kann beidem folgen", sagt Wagner, um sogleich einzuschränken: "Entscheidend ist, was man guckt." Der Akademiker gibt sich als Fan des Bügel- oder Unterschichtenfernsehens zu erkennen. Solche Formate seien nach bestimmten Mustern aufgebaut, die es ermöglichten, schnell wieder den roten Faden in der Fernsehgeschichte zu finden. "Frauentausch", heißt eine seiner Lieblingssendungen auf RTL II.
Diese bringt er nun an vier Abenden ungefiltert auf die Theaterbühne. Denn in seiner Tragikomödie, die in der Kulmbacher Kleinkunstbühne "Das Baumann" uraufgeführt wird, können die Besucher einen Blick hinter die Kulissen werfen. Sie erleben nicht nur, wie es bei einem Frauentausch zugeht, sondern auch wie er entsteht. Und können sich obendrein auch noch nach Herzenslust an Absurditäten erfreuen. Derzeit wird in der alten Schule von Ebneth fleißig geprobt.
Für Wagner sind Sendungen wie "Frauentausch" ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. "Viele von uns haben das große Bedürfnis, sich darin zu suhlen und sich gleichzeitig davon abzuheben - ganz nach dem Motto: ,Je schlimmer es dort zugeht, desto besser stehe ich da'", stellt er nüchtern fest.
Der Akademiker schämt sich für seine Hingabe an das Belanglose keineswegs. Ganz im Gegenteil: "Ich freue mich auf jede neue Sendung, weil ich beim Gucken viel sprachliche Stilblüten entdecken kann." Auch aus wissenschaftlicher Sicht hält er es für notwendig, sich mit solchen Phänomenen, wie "Frauentausch", einer Sendung, die seit 16 Jahren erfolgreich ausgestrahlt werde, auseinanderzusetzen. "Sie zu ignorieren, hieße auch, die Gesellschaft zu ignorieren", meint der Experte.
Ähnlich einem Psychologen würden auch Germanisten nur beobachten und nicht werten. Aus diesem Grund wird in dem Theaterstück auch nicht der moralische Zeigefinger erhoben. Das Stück lädt den Zuschauer vielmehr dazu ein, die Grenzen zwischen Sein und Selbstdarstellung zu erforschen. Für nicht ausgeschlossen hält es der Regisseur, dass sich der eine oder andere in dem Stück wiederfindet oder einen Drang zum Fremdschämen verspürt.
Die verschiedenen Ebenen mit ihrem ungefilterten Blick hinter die Kulissen heben das Stück mit seinen zehn Szenen aus der Masse hervor. "In einer Rahmenhandlung zeigen wir nicht nur, wie ein solcher Frauentausch vor sich geht. Wir zeigen auch, wie eine solche Sendung entsteht, welche Praktiken dabei zur Anwendung kommen und welche Reaktionen sie auslöst", klinkt sich Regieassistentin Julia Weiß aus dem Altenkunstadter Ortsteil Maineck in das Gespräch mit ein.
Insgesamt zehn Darsteller aus dem östlichen Landkreis Lichtenfels sowie Bayreuth, die auf 25 Rollen verteilt sind, werden die Besucher in Kulmbach in die Welt des Niveaulosen entführen. Eingebettet ist der Blick hinter die Kulissen in eine Rahmenhandlung.
Dagmar und Herrmann, gespielt von Eva und Silvan Wagner aus Ebneth, wünschen sich nichts sehnlicher, als einmal im Fernsehen mitwirken zu dürfen. Ihr Traum zerplatzt wie eine Seifenblase - das Filmteam stirbt überraschend an einer Lebensmittelvergiftung. Der Frauentausch wird auf der Theaterbühne aber dennoch vollzogen.
Mitte September macht die Kultserie "Frauentausch" auf RTL 2 eine längere Pause und wird durch die "Kochprofis" ersetzt. Just in dieser Zeit findet im Kulmbacher Theater "Das Baumann" der etwas andere "Frauentausch" statt. Zufall oder wurden die Termine bewusst auf diese Zeit verlegt? "Ersteres ist der Fall", kommt es bei Wagner wie aus der Pistole geschossen. Als eingefleischter "Frauentausch-Fan" wünscht er sich seine Lieblingssendung so schnell wie möglich wieder ins Fernsehen zurück. Die Kochprofis findet Wagner übrigens noch grausamer. "Über die könnte ich auch mal ein Stück schreiben", stellt er augenzwinkernd und nicht ganz ernst gemeint fest. Stephan Stöckel.
Termine und KartenAufführungen: Donnerstag, 28. September (19 Uhr), Freitag, 29. September (20 Uhr), Samstag, 30. September (20 Uhr) und Sonntag, den 1. Oktober (17 Uhr).
Tickets: Karten gibt es im Vorverkauf unter www.das-baumann.de oder unter der Telefonummer 09221/93393.