Kinderschutzstelle hilft überlasteten Eltern

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Man fühlt sich gut, wenn man es schafft, das schreiende Baby zu beruhigen. Und wenn das nicht klappt? Sozialpädagogin Martina Lutter schilderte anschaulich ihre beratende und unterstützende Arbeit in der "Schreibaby-Ambulanz". Foto: Ramona Popp
Man fühlt sich gut, wenn man es schafft, das schreiende Baby zu beruhigen. Und wenn das nicht klappt? Sozialpädagogin Martina Lutter schilderte anschaulich ihre beratende und unterstützende Arbeit in der "Schreibaby-Ambulanz".  Foto: Ramona Popp

Die Unterstützung belasteter Eltern ist ein Einsatz zum Wohl der Kleinsten. Die Koordinierende Kinderschutzstelle bietet solche Hilfe an und leistet wichtige Vernetzungsarbeit. Zum Beispiel auch zur "Schreibaby-Ambulanz".

Das Baby-Geschrei kommt vom Tonband, doch es verfehlt seine Wirkung nicht. Martina Lutter erzeugt damit bei ihren Zuhörern im Sitzungssaal des Landratsamtes Aufmerksamkeit für ein Problem, das manche Eltern zur Verzweiflung bringt. Schreibabys sind gefährdet, weil überlastete Mütter oder Väter in ihrer Hilflosigkeit aggressiv werden können. Ihnen Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sich das Familienleben wieder zufriedener gestalten lässt, ist die Aufgabe der Sozialpädagogin in der "Schreibaby-Ambulanz", die seit vier Jahren an der Erziehungsberatungsstelle der Caritas in Lichtenfels besteht. Etwa 40 Fälle im Jahr begleite man, informierte Lutter am Dienstag die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses. Das Gremium, das mit drei neuen Mitgliedern seine Arbeit in dieser Wahlperiode aufnahm, hatte es in seiner ersten Sitzung gleich mit mehreren Angeboten für Kinder und Familien zu tun.


Es brachte einen Vertrag auf den Weg, nachdem ehrenamtliche Laien Aufgaben des sogenannten Begleiteten Umgangs übernehmen dürfen. Sie leisten einen Beitrag dazu, dass Kinder nach Trennung der Eltern auch in einer belasteten Situation zu dem Elternteil, bei dem sie nicht leben, Kontakt haben können. Es handelt sich nicht um viele Fälle, wo ein Einsatz Ehrenamtlicher nötig und vertretbar erscheint, wie Jugendamtsleiter Achim Liesaus erläuterte. Doch würde eine solche Regelung eine Entlastung der Fachkräfte bedeuten, die dadurch mehr Zeit für andere Aufgaben hätten. Ähnlichen Nutzen verspricht man sich auch durch die weitere Förderung der Praktikantenstelle in der Caritas-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern.

Neue Stütz- und Förderklasse

Ebenfalls einmütig segnete der Ausschuss das Konzept zur Einrichtung einer Stütz- und Förderklasse im Landkreis zu. An der St.-Katharina-Schule in Lichtenfels soll für Kinder mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten eine spezielle Förderklasse eingerichtet werden. Solche Kinder habe man bisher zum Teil außerhalb des Landkreises unterbringen müssen, erklärte Achim Liesaus. Landrat Christian Meißner ergänzte, die Idee widerspreche nicht dem Inklusionsgedanken, also dem Grundsatz, dass behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder gemeinsam lernen sollten. Doch in gewissen Fällen sei ein gemeinsamer Unterricht einfach nicht möglich und es gebe massive Elternbeschwerden. Die neue Stütz- und Förderklasse stelle einen interessanten Ansatz dar, Kinder optimal zu fördern. Dies mit dem Ziel, sie nach dem Besuch der besonderen Klasse, etwa in fünften Jahrgangsstufe dann, wieder in das Regelschulsystem zu integrieren. Acht Kinder im Landkreis sind aktuell für diese Klasse vorgesehen.

In den vergangenen Jahren verzeichnete das Jugendamt einen deutlichen Anstieg im Bereich der sozialpädagogischen Familienhilfe. Um Risikolagen für Kindeswohlgefährdungen früh zu erkennen und betroffenen Familien Unterstützung zu gewährleisten, wurde entsprechend einem Förderprogramm des Freistaates Bayern bereits Ende 2010 die Koordinierende Kinderschutzstelle (KoKi) am Landratsamt eingerichtet. Die öffentliche Wahrnehmung dieser Stelle litt wohl etwas unter dem Wechsel in ihrer personellen Besetzung. Nun gehen die beiden Sozialpädagoginnen Carmen Fischer und Jasmin Morgenroth die Netzwerk- und Beratungsarbeit gemeinsam an und erläuterten ihre vielschichtige Tätigkeit. Familien oder Alleinerziehende in besonders belastenden Situationen, auch schon in der Schwangerschaft, können sich an sie wenden. Zur Unterstützung ist unter anderem auch der Einsatz speziell ausgebildeter "Familienhebammen" möglich. In einem "Krippenfachzirkel" arbeitet man mit Mitarbeiterinnen der Kitas zusammen. In einer für November geplanten Veranstaltung möchte man jene wie auch Ärzte dafür sensibilisieren, Signale für eine Kindeswohlgefährdung beziehungsweise körperliche Misshandlungen von Kindern zu erkennen. Hierzu soll eine namhafte Rechtsmedizinerin eingeladen werden. Und nicht zuletzt möchten die beiden Fachkräfte über allgemeine Angebote zur Elternbildung auch belastete Familien erreichen und ihnen die Scheu nehmen, eine Beratungsstelle aufzusuchen.

"Ich freue mich, dass die Ko Ki wieder in Schwung kommen wird", betonte Landrat Meißner. Früher könne Hilfe gar nicht ansetzen. Kreisrat Winfried Weinbeer nannte dies ein "großartiges Angebot", dessen Bekanntheitsgrad gesteigert werden sollte.

Betont wurden die Prinzipien der Freiwilligkeit und Verschwiegenheitspflicht in der Beratungsarbeit. Und zudem gilt, was Martina Lutter herausstellte: "Unsere Hilfe ist kostenlos, aber hoffentlich nicht umsonst."



Über den Jugendhilfeausschuss
Fünf Kreisräte sind stimmberechtigte Mitglieder des Jugendhilfeausschusses, unter dem Vorsitz von Landrat Christian Meißner (CSU): Robert Hümmer, Edwin Jungkunz (CSU), Jürgen Spitzenberger (SPD/SB), Winfried Weinbeer (FW) und Julia Spörlein (JB). Trotzdem ist dieser kein kleines Gremium, denn die Kreisräte werden ergänzt durch in der Jugendhilfe erfahrene Personen oder bei einem Träger der freien Jugendhilfe Beschäftigte.

Drei Mitglieder - wie bisher schon aus den Bereichen Schule, Kindergärten und Vollzeitpflege) wurden von den die Kreisräten bestimmt - für die neue Wahlperiode sind dies Manuela Dorst und Roland Christeiner aus Lichtenfels sowie Sabine Heppner aus Burgkunstadt. Darüber hinaus gehören dem Gremium Richard Reich (Caritasverband), Karin Pfadenhauer (Diakonisches Werk), Thomas Petrak (BRK-Kreisverband), sowie von den Jugendverbänden Frank Rubner, Reiner Babucke (beide Lichtenfels) und Elvira Zech (Marktzeuln) an.

Zu den 15 stimmberechtigten kommt eine Reihe nicht stimmberechtigter Mitglieder, diese sind: Jugendamtsleiter Achim Liesaus, als Vertreter der kath. und evang. Kirche Jutta Laube und Dekan Johannes Grünwald, Jugendrichter Armin Wagner, Schulpsychologin Tanja Groeschke, Klaus Lahmer vom Arbeitsamt, Hans Berwanger von der Erziehungsberatungsstelle Lichtenfels, Gleichstellungsbeauftragte Andrea Musion (Landratsamt) sowie Polizeichef Willibert Lankes beziehungsweise jeweils deren Vertreter.