In Digitalisierung vorankommen ohne extra Geld

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Die Digitalisierung soll durch Förderung mit Bundesmitteln vorangebracht werden. Ziel ist ein Einsatz der Technik, der den Menschen dient. Symbolbild: Ronald Rinklef
Die Digitalisierung soll durch Förderung mit Bundesmitteln vorangebracht werden. Ziel ist ein Einsatz der Technik, der den Menschen dient.  Symbolbild: Ronald Rinklef

Das Innenministerium fördert 13 Städte/Regionen als Modellprojekte Smart Cities. Was verspricht es sich davon? Wie sieht's im Landkreis Lichtenfels aus?

Die Bewerbung aus dem Landratsamt ist beim Förderprogramm "Smart Cities" nicht berücksichtigt worden. "Dies ist zum einen schade, jedoch wollen wir versuchen den Einstieg in eine Digitalstrategie für den Landkreis zu finden und einige Inhalte aus dem Konzept über die beiden Förderanträge zum Regionalmanagement und zur Regionalen Identität mit umsetzen", sagt Andreas Grosch. Der Pressesprecher, zuständig auch für die Kreisentwicklung, nennt Grundlegendes von dem, was man vorhatte: "Es war angedacht, zunächst eine Befragung sowohl bei Unternehmen als auch bei der Bevölkerung durchzuführen." Welche digitalen Dienste kennen und nutzen sie bereits, welche Onlinedienste wären für sie - das Landratsamt als auch Städte, Märkte und Gemeinden betreffend - von Interesse? Die Beantwortung des Fragebogens sollte sowohl digital als auch analog möglich sein, denn es gehe ja darum, einen Überblick zu bekommen, wer welche digitalen Dienste in Anspruch nimmt und wer nicht. Auch wer die neue eID-Funktion des Personalausweises nutzt und in welchem Umfang, sollte erkundet werden. "Diese Fragestellung können wir unabhängig von der Förderung auf den Weg bringen und wollen dies auch tun", so Grosch. "Als weiteres Projekt sehen wir hier eine Onlineplattform für den Wirtschaftsstandort mit einer Möglichkeit, in einem geschützten Bereich mit und für die Unternehmen zu kommunizieren." Dabei gehe es um Angebote der Wirtschaftsförderung, des Standortmarketings aber auch um den Austausch bei Weiterbildungen und Ähnlichem. Das Geoportal des Landkreises wolle man besser integrieren und dadurch einen Mehrwert für Bürger, Interessierte von außerhalb und Unternehmen schaffen.

Gespräche sind wichtig: "Wo kann der Landkreis helfen?"

"Bei aller Digitalisierung ist es aber im Vorfeld wichtig, mit den einzelnen Akteuren zu reden und sich im Gespräch auszutauschen, was insbesondere für Unternehmen in der Region wichtig ist", findet der Sprecher, "wo der Landkreis helfen kann und wo eine Digitalisierung auch Sinn macht."

Mit dieser Frage hat sich auch die Stadt Haßfurt beschäftigt, die sich seit Juli zum Kreis der auserwählten Kommunen zählen darf und 11,36 Mio. Euro für Strategieentwicklung und Umsetzung vom Staat bekommt. Wofür, das war deren Stadtrat Ende Mai noch nicht so richtig klar. Etwas Greifbares fehlte manchen, etwas, das das viele Geld rechtfertige, was da ausgegeben wird. Andere wiederum argumentierten, in Zukunft werde jede Stadt ein Digital Office haben müssen, wie es bei der Stadtverwaltung Haßfurt mit Hilfe der finanziellen Förderung eingerichtet werden könne. "Smart Green City" will die Stadt werden, in der regionalen Energieerzeugung und -speicherung weiter vorankommen. Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen, Kraft-Wärme-Kopplungen und ein Wasserstoff-Blockheizkraftwerk werden bereits genutzt.

"Digitalisierung ist kein Selbstzweck"

Doch welche Erwartungen knüpft man in Berlin an die hohe Förderung? Es sind schließlich 750 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren für insgesamt 50 Modellprojekte zur Verfügung gestellt werden. Es gehe darum, dass in den Kommunen selbst, mit den Menschen vor Ort und der regionalen Wirtschaft, über Nutzen, Chancen und Risiken der Digitalisierung nachgedacht werde, heißt es dazu aus dem Innenministerium. "Mit der Modellprojektförderung wollen wir die Kommunen unterstützen, die Digitalisierung strategisch und zielgerichtet einzusetzen und mitzugestalten, und zwar im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung", so Daniil Kushnerovich aus der Pressestelle. Die Technik solle in den Dienst der Menschen gestellt werden, sie sei kein Selbstzweck. Es könne beispielsweise um die Belebung der Innenstädte, Bewältigung eines Strukturwandels oder Stärkung des lokalen Einzelhandels gehen. Mit Hilfe digitaler Technologien könnten etwa die Umweltüberwachung, die Verkehrssteuerung oder die Mobilitätsangebote verbessert werden. In ländlichen Räumen könnten durch regionale Einkaufsportale zum Beispiel die lokale Versorgung und regionale Produktionskreisläufe gestärkt werden. "Auch Verwaltungsabläufe und kommunale Dienstleistungen lassen sich vereinfachen und beschleunigen."

Erwartungen, Chancen und Risiken

Gleichzeitig müssten Fragen der Teilhabe und Integration, des Datenschutzes, der Datenhoheit sowie der Sicherheit von Daten und kritischer Infrastrukturen oder der Sicherstellung der lokalen Wertschöpfung vor Ort erörtert werden.

Leitlinien und Empfehlungen zur digitalen Transformation in den Kommunen waren durch eine von der Bundesregierung eingerichtete und 70 Experten umfassende Dialogplattform bereits vor zwei Jahren vorgelegt worden. Darin kommen Wissenschaftler, Politiker sowie Vertreter von Sozial- und Fachverbänden zu Wort.

In diesen Leitlinien heißt es auch, dass alle Maßnahmen der Digitalisierung darauf hin zu prüfen sind, ob sie den Zielen der nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung dienen, etwa mit Blick auf die Umwelt oder die Gesundheit der Bevölkerung. Konkret auf den 5G-Mobilfunkausbau angesprochen - wegen unzureichend erforschter gesundheitlicher Risiken wächst hier der Widerstand - sagte der Sprecher: "Die Wirkung elektromagnetischer Felder nimmt die Bundesregierung sehr ernst." Bei einer Untersuchung unter Einbindung des Bundesamts für Strahlenschutz werde auch geprüft, ob Anpassungsbedarf hinsichtlich geltender Abstandsregelungen für Antennenstandorte besteht.

Was kostet's außer den 750 Mio Euro Fördermitteln?

Eine konkrete Antwort auf die Frage nach den Kosten des Auswahlverfahrens "Smart Cities" durch eine neunköpfige Jury und zwei unabhängige Fachgutachter bleibt der Ministeriumssprecher schuldig. Nur so viel: "Die Fachgutachter und Jury-Mitglieder erhielten - soweit sie nicht ohnehin im öffentlichen Dienst beschäftigt waren oder auf ein Honorar verzichteten - eine der Aufgabe entsprechend angemessene und übliche Vergütung."

Kommentar:

"Denken kostet gar nichts extra"

Wie mächtig die Fördersumme für digitale Strategien tatsächlich ist, ist Betrachtungssache. 750 Millionen Euro gibt das Bundesinnenministerium aus. Aufgeteilt auf alle Landkreise in Deutschland wären das um die 2,5 Millionen für jeden. Da relativiert sich das Ganze schon. Und wenn man hört, dass als wesentliche Komponente der Modellprojekte der Erfahrungs- und Wissensaustausch über die jeweiligen Regionen hinaus gesehen wird, braucht es keinen Neid auf die Auserwählten. Vom Obermain aus dürfen wir also nach Haßfurt blicken und abwarten, was sich im "Digital Office" tut. Wenn der dortige Bürgermeister sich heute in dem Zusammenhang vorstellt, "dass man künftig Parkgebühren mit dem Smartphone bezahlen kann", dürfen wir anmerken: Das gab's in Lichtenfels schon vor acht Jahren, löste aber keine Euphorie aus...

Aber im Ernst: Wohl jeder kann aus seinem Lebensumfeld etwas nennen, das unter Nutzung bestehender Technik längst vereinfacht werden könnte. Die Idee einer Bürgerbefragung ist deshalb so simpel wie gut. Denken kostet schon mal nichts extra.

Manch gute Möglichkeit wird bloß nicht genutzt. Beispiel gefällig? Die sehr modern gestaltete Homepage des Handwerks (www.handwerk.de) zeigt im Kreis Lichtenfels keine einzige Lehrstelle für eine/n Bäcker/in oder Anlagenmechaniker/in für Sanitär, Heizung und Klimatechnik an - das entspricht wohl kaum dem realen Bedarf an jungen Leuten in diesen Berufen. Es hat vermutlich nur kein Unternehmer die Funktion genutzt. Wenn doch jemand sucht, wird ihm ein einziges Angebot (Bäcker) in Kronach gemacht - das ist traurig.

Zum Schluss noch eine wahre Geschichte aus Lichtenfels zum Thema Vernetzung von Behörden: Ein Jahr nach dem Tod eines Grundstücksbesitzers fällt der Stadtverwaltung auf, dass die Grundsteuer nicht mehr von dem Bankkonto eingezogen werden kann. - Klar, weil das Konto längst erloschen ist. Der Erbe, in einem notariell dokumentiertem Testament benannt, ist als neuer Eigentümer längst im Grundbuch registriert. Er ist auch nicht abgetaucht, war persönlich am Amtsgericht und bei der Bank. Davon ahnungslos ermittelt die Stadtverwaltung nach dem Verstorbenen an dessen letzten Wohnsitz, um die Zahlung der Grundsteuer anzumahnen. Das bekommt der neue Eigentümer über Umwege mit und findet sich umgehend bei der Stadtkasse ein, um dort eine Einzugsermächtigung für die Zahlungen auszustellen. Das gehe leider nicht, wird ihm gesagt - weil die neue Vorgangsnummer noch nicht vorliege...