Bei der Rezeptfreigabe für die "Pille danach" gehen die Meinungen auseinander. Auch die Ärzte und Apotheker im Landkreis Lichtenfels sehen Vor- und Nachteile. Bis Mitte Februar wird es wohl noch bei der alten Regelung bleiben.
Beratung erfordert Diskretion, steht auf einem Schild an den Kassen der Spital-Apotheke in Lichtenfels.
Das könnte bald auch gelten, wenn es um die Notfallverhütung geht, denn die "Pille danach" gibt es bald rezeptfrei in der Apotheke. In Deutschland sind bisher zwei Präparate zugelassen. "Ellaone" und "Pidana". Erstere hat die EU-Kommission Anfang des Jahres europaweit von der Rezeptpflicht befreit. Das Bundesgesundheitsministerium will auch "Pidana", das einen anderen Wirkstoff enthält, von der Rezeptpflicht befreien.
Damit geht auch die Beratungspflicht von den Ärzten - die bisher ein Rezept ausstellen und die Frauen beraten mussten - auf die Apotheken-Mitarbeiter über.
"Klar, bedeutet das für uns in erster Linie Mehrarbeit, aber durch spezielle Schulungen werden unsere Mitarbeiter auf die Aufgabe vorbereitet", sagt Matthias Bürklin, Inhaber der Lichtenfelser Spital-Apotheke.
Unklare Vorgaben und Regeln Aber bis auf weiteres gibt es in der Spital-Apotheke die "Pille danach" weiterhin noch auf Rezept. Wann und in welcher Form die Freigabe der Rezeptpflicht umgesetzt wird, ist aktuell noch nicht hundertprozentig geklärt.
Aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) heißt es vage: Das deutsche Recht für beide Präparate, die derzeit auf dem Markt sind, solle schnellstmöglich angepasst werden.
Eine klare Handlungsanleitung für Apotheker vom BMG gibt es bisher nicht.
Ärzte äußern sich kritisch Diese unklaren Verhältnisse kritisiert auch Andreas Flessa, Chefarzt am Lichtenfelser Klinikum und Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Rezeptfreigabe von "Ellaone" schätzt der Mediziner folgendermaßen ein: Es sei weder für Hilfesuchende noch für die Ärztin oder den Arzt hilfreich, wenn es für dieselbe Indikation frei verkäufliche als auch rezeptpflichtige Medikamente gebe. "Zudem, wenn in einem Gespräch und/ oder auch in einer Ultraschalluntersuchung oftmals festgestellt werden kann, ob die Erfordernis einer ,Pille danach' überhaupt besteht oder ob eine unnötige Medikamenteneinnahme vermieden werden kann oder vielleicht sogar muss."
Die Befürworter einer Rezeptfreigabe, darunter der Sachverständigenausschuss im
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sowie Politiker der SPD, Grünen und der Linken argumentieren mit den Vorteilen für die Frauen: Die Rezeptfreiheit entlaste Frauen psychologisch, unterstütze ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und erleichtere die Beschaffung.
Diese Einschätzung teilt Chefarzt Andreas Flessa nicht: "Ohne Zweifel wird es viele geben, die diesen freien Zugang als weiteren Meilenstein in der Selbstbestimmung sehen. Ob aber nächtens an einer Verkaufsladentürklappe oder am Tag im vollen Verkaufsbereich Frau oder Mann gerne frei über den eigenen Geschlechtsverkehr und über die Notwendigkeit der ,Pille danach' ein ausführliches Beratungsgespräch führen wollen oder über sich ergehen lassen müssen, halte ich für nicht wirklichkeitsnah." An die Einrichtung separater Beratungsräume glaubt Flessa nicht.
"Es wird verkauft werden, ohne tiefer zu hinterfragen."
Schnellere Hilfe für Frauen Die Bundesapothekerkammer (BAK) hingegen begrüßt die geplante Freigabe. Ohne Rezept könne man den Frauen noch schneller helfen, denn je schneller man die "Pille danach" einnehme, desto sicherer sei ihre Wirkung.
Auch Matthias Bürklin zeigt sich offen gegenüber der Neuerung. Das Thema sei zwar Neuland und sehr umstritten, aber er sei zuversichtlich. Zudem sei die Nachfrage nach einer Notfallverhütung in seiner Apotheke nichts alltägliches. Bürklin schätzt die Nachfrage auf zwei bis drei Pillen in der Woche.
Für Frauen kann die "Pille danach" jedoch schnell zum Thema werden: Kondom gerissen, Anti-Baby-Pille vergessen oder Sex ohne Verhütungsmittel riskiert oder gar eine Vergewaltigung und eine ungewollte Schwangerschaft kann die Folge sein.
Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gaben 13 Prozent der befragten Frauen an, die "Pille danach" schon einmal in genommen zu haben.
Diese Gründe bestätigen Andreas Flessa in seiner kritischen Haltung: "Zum Schutz von Frauen und Minderjährigen - denn jeder könne das Medikament kaufen - und zum Schutz vor Verschleierung getaner Übergriffe an Frauen und zum Schutz unnötiger Medikamenteneinnahme halte ich die Freigabe als Lösung für die Frau für suboptimal."
Mit seiner Kritik ist Flessa auf der Linie einiger ärztlicher Fachverbände, die an der Rezeptpflicht festhalten wollen. Nach Flessas Ansicht werde die Frau im Stich gelassen. Sie stehe alleine vor den Verkaufstresen und viele werden sich auch allein gelassen fühlen.
"Die ,Pille danach' frei verkäuflich mag sich gut anhören, eine Verbesserung für die Frau sehe ich in der Gesamtheit nicht." Etwas mehr Klarheit scheint es inzwischen beim Freigabestart für "Ellaone" zugeben. Laut der Internetseite "Apotheke-adhoc" will der Hersteller, die Firma HRA-pharma, bis Mitte Februar Packung und Beipackzettel ändern und so die rechtlichen Grundlagen für den rezeptfreien Verkauf umsetzen.
Regelungen, Entwicklung und weitere Hintergründe zur "Pille danach"Bisher Frauen haben die Möglichkeit, mithilfe der "Pille danach" die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Schwangerschaft deutlich zu verringern.
Dafür müssen Sie sich möglichst rasch nach dem Sex ein Rezept von einem Arzt, der eine Beratungspflicht hat, ausstellen lassen und das Präparat in der Apotheke abholen.
Entwicklung Laut dem Informationsdienstleister IMS Health hat sich der Absatz der "Pille danach" in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Präparate In Deutschland gibt es zwei zugelassene Präparate mit verschiedenen Wirkstoffen: "Pidana" (Kosten: rund 18 Euro) mit dem Wirkstoff Levonorgestrel 1,5 Milligramm (mg) und "Ellaone" (Kosten: rund 35 Euro) mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat 30 mg.
Funktion Je nach Präparat kann die "Pille danach" insgesamt nicht länger als 72 oder 120 Stunden nach dem Sex zuverlässig eine Schwangerschaft verhindern.
Von 236 100 Packungen ist die Menge auf 488 400 gestiegen.
Kosten Für Frauen bis zum Alter von 20 Jahren übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die "Pille danach". Wie es sich mit der Kostenübernahme nach der Rezeptfreigabe verhält, wird zur Zeit noch diskutiert.