Michael Kreitmeir hat in Sri Lanka das Kinderhilfswerk "Little Smile" aufgebaut. Seit er unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und angeklagt wurde, ist seine Familie in Sorge um ihn.
Mit der menschlichen Seele und mit deren Qualen ist Christoph Kreitmeir vertraut. Als Franziskanerpater und Psychotherapeut kommt der 48-Jährige nahezu täglich mit der seelischen Not seiner Mitmenschen in Berührung. Nun hat er selbst einen Schicksalsschlag zu verkraften. Sein Bruder Michael ist in seiner Existenz bedroht, seit er im August unter fadenscheinigen Gründen in Sri Lanka verhaftet und des Drogenbesitzes angeklagt wurde.
Michael Kreitmeir leistet seit elf Jahren Entwicklungshilfe auf Sri Lanka. Im März 2010 wurde er von einem Funktionär zur Zahlung von 200.000 Euro erpresst. Doch der 54-jährige ehemalige BR-Journalist weigerte sich zu zahlen und zeiget die Erpressung an. Am 17. August geriet er in eine Fahrzeugkontrolle. Bei ihm wurden 1,8 Gramm Heroin gefunden - ab 2 Gramm droht die Todesstrafe. Er landete im Gefängnis. Einige Tage später kam er gegen Kaution wieder frei, doch seinen Pass erhielt er nicht zurück. Ein Schwebezustand trat ein, denn das Gerichtsverfahren wurde immer wieder verschoben.
Eine Zeit des Bangens begann für ihn ebenso wie für seine Frau und seine beiden in Eichstätt wohnenden Söhne.
Seiner Familie war von Anfang an klar, dass Michael das Rauschgift untergeschoben worden war. Aber von wem? Bis heute sei nicht geklärt, so Christoph Kreitmeir, in wessen Auftrag das geschehen ist.
Hilflos ohne Pass Ohne Pass sei Michael Kreitmeir in dem lange vom Bürgerkrieg heimgesuchten Land, das noch immer zahllose Checkpoints aufweise, relativ hilflos. Er sei "gefangen in seinem Hauptdorf Koslanda", sagt Christoph Kreitmeir. Sein Lebenswerk, Waisenkindern ein Zuhause zu schaffen, leide darunter und werde womöglich künftig ganz vereitelt. Es wäre zum Scheitern verurteilt, wenn seine Unschuld nicht bewiesen würde und er das Land im April, wenn sein Visum abläuft, verlassen müsste.
"Wir sind neun Geschwister, und wir stehen alle hinter Michael und seinem Projekt, für das er seit elf Jahren lebt", schildert Christoph Kreitmeir den psychologischen Aspekt. "Ich bin ein nüchterner Mensch", fährt er fort, und dann berichtet er davon, dass er alle Hebel in Bewegung setzte, um seinen Bruder aus der Haft frei zu bekommen. Stundenlang sei er in Vierzehnheiligen am PC gesessen, habe Kontakt zu einflussreichen Menschen und Institutionen aufgenommen - von der päpstlichen Nuntiatur in Berlin bis Wolf von Lojewski und Karl-Theodor zu Guttenberg.
"Es war sehr erschöpfend, einige Familienmitglieder und unerwartete andere Helfer und Helferinnen waren über zwei Wochen ständig im Internet tätig, um zu erreichen, dass er freikommt, dass sein Werk nicht zerstört wird und dass er nicht umgebracht wird", fährt er fort. "Ja", gibt er zu, "ich hatte Angst um das Leben meines leiblichen Bruders". Diese Angst habe ihm andererseits deutlich gemacht, "wie gut es uns geht in diesem sicheren Deutschland", und dass das nicht immer so gewesen sei "während der Nazizeit und der Stasizeit". Er habe daraus abgeleitet, dass er die Pflicht habe, etwas für den Bruder und dessen Projekt "Little Smile" zu tun.
Für den Bruder gebetet "Ich glaube an die Kraft der Gebete, das ist eine Energie", sagt Pater Christoph. In der Basilika Vierzehnheiligen habe er immer wieder das Schicksal seines Bruders in Predigten oder Fürbitten einfließen lassen und mit den Gottesdienstbesuchern für einen guten Ausgang gebetet.
Gleichwohl mailte er dem Bruder nach Sri Lanka drei persönliche Briefe, um ihn seines Beistandes zu versichern. Darin habe er ihm emotionsfrei klar gemacht, dass dies eine Wende in seinem Leben sei, die von außen forciert wurde. Angesichts des drohenden Todes habe er dem Bruder aber auch geraten, er solle, so lange er das noch könne, sich darum kümmern, dass jemand sein Werk fortsetzt. Denn bisher sei es so gewesen, dass Litt le Smile mit seiner Person steht und fällt. Es müsse deutlich werden, dass das Projekt kein Privatvergnügen Michael Kreitmeirs sei, sondern dass dieser Mann eine Infrastruktur für das Land aufbaue. "Bring dein Werk auf ein Fundament, das tragfähig ist", habe er dem Bruder geraten.
Verhandlungen sind versandet Dass das Zeit braucht, zeichnet sich ab. Die Verhandlungen mit verschiedenen ins Auge gefassten Partnern sind versandet. Doch das müsse nicht heißen, dass es keine Lösung gibt, sagt Christoph Kreitmeir. Er zitiert Vaclav Havel, der ebenfalls inhaftiert war, bevor er Präsident wurde: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht."
Die Familie, fährt er fort, sei "jetzt in der Situation der Freude, dass er frei ist und eingeschränkte Handlungsfreiheit besitzt". Über allem schwebe aber die große Gewitterwolke, dass er ausgewiesen werden könnte. "Uns geht's darum, dass sein Werk weitergeführt wird."
Wie er die Angst um die körperliche Unversehrtheit des Bruders seelisch wegsteckt? Pater Christoph lächelt: "Mit Gottvertrauen. Ich glaube, dass Michael gut aus der Sache hervorgehen wird." Er vertraue aber auch auf das Riesennetzwerk, das nun aktiviert worden sei, und das demonstriere: "Dieser Mann ist nicht allein." Er wisse, dass die Sache seines Bruders weitergeführt wird, sagt Christoph Kreitmeir, und wenn Michael ausgewiesen würde oder stürbe, habe auch das einen
Sinn. Andere werden hoffentlich an seine Stelle treten, um den Waisenkindern in Sri Lanka zu helfen, Karmelitinnen und Franziskaner hätten bereits zugesagt, das Projekt künftig mitzutragen.
Der 84-jährige Vater seine Aufgabe darin, den Sohn in Sri Lanka regelmäßig anzurufen und ihm am Telefon zuzuhören. Zwar dächten seine acht Geschwister unterschiedlich über das Engagement Michaels in Sri Lanka, doch eines sei allen gemeinsam: "Wenn einer von uns angegriffen wird, halten wir zusammen."