Ex-Lichtenfelser liebt den Libanon

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Als wolle Konrad Gottschall sagen: Herzlich willkommen, das istmein Libanon und so schön kann er sein.Markus Häggberg
Als wolle Konrad Gottschall sagen: Herzlich willkommen, das istmein Libanon und so schön kann er sein.Markus Häggberg

Wenn ein pensionierter Lichtenfelser Bänker einen Vortrag "Libanon - Die Schweiz des Orients" nennt, steigt ein Verdacht auf.

Will hier wer Werbung für den Libanon als Steueroase machen? Als Steuerschlupfloch gar? Konrad Gottschall aus Gundelsheim hatte keine Absichten, die etwas mit Zahlen zu tun hatten. Der Ex-Lichtenfelser sprach von einem Land, das landschaftlich schön und gesellschaftlich angespannt ist.
Es sei so ein bisschen wie die Heimkehr eines einstigen Lichtenfelsers. So jedenfalls baute Josef Breunlein vom Freiwilligenzentrum der Aktiven Bürger vor rund 30 Zuhörern die Begrüßung des Gastes auf, der einst Filialleiter einer Bank in Lichtenfels war und sich mit Breunlein im gleichen Ortsteil fand. Auf Einladung der Aktiven Bürger sowie der Stadtbücherei sollte er am Mittwoch in der ehemaligen Synagoge Einblicke in ein Land geben, das er selbst mehrmals mit offenen Augen bereiste und für welches er sich Spenden sammelnd einbringt. Und das, obwohl er "weder Lobbyist noch Verbandsfunktionär" ist, wie Breunlein hervorhob.
"Ich war lange Kassenmeister und Schatzmeister und wollte was machen, was mit Zahlen nix zu tun hat", so der Referent. Diese Erkenntnis kam ihm vor drei Jahren, seitdem folgten drei Reisen in den Libanon, samt Landeserkundung und Beobachtungen, die er zu einem unterhaltsamen Vortrag verdichtete, obwohl es lange Zeit nicht klar war, warum der Vergleich mit der Schweiz herhalten musste. Irgendwann dämmerte dem Zuschauer, dass es wohl mit der erwähnten Gebirgigkeit des Libanon zu tun haben müsse. Tatsächlich ist der Libanon ein Flickenteppich an Ungereimtheiten, Erstaunlichem und Schönem. So gibt es mehr Libanesen jenseits des Libanon als im Libanon selbst. Auf 80 Millionen bezifferte Gottschall das Volk der Libanesen, doch nur vier Millionen von ihnen hielten sich in dem Staatsgebiet zwischen Syrien, Jordanien und Israel auf. Einem Staatsgebiet, halb so groß wie Hessen und mit Bergen, die bis zur Schneegrenze aufragen. "Im größeren Stil schön wie das Kleinziegenfelder Tal", wie der Referent in einem launigen Moment bemerkte.


Post-Auto aus Deutschland

Neben informativen Einsichten zu den 18 Religions- und Konfessionsgemeinschaften, die in dem Staat miteinander auszukommen suchen, konnte der einstige Lichtenfelser auch ausgesprochen Witziges belegen. Fotografisch hielt er das im Libanon fahrende Auto eines deutschen Malermeisters namens Henri Post fest, welches dort mit seiner Werbebeklebung noch Kilometer frisst. Als er sich darum telefonisch bei Post meldete, ihm dies mitzuteilen, habe er zur Antwort erhalten, dass der Maler bislang davon ausging, sein Auto sei verschrottet worden. Wie es in den Libanon gelangen konnte, war schleierhaft.
Doch abseits von Anekdoten erhellte der Mann auch die Flüchtlingssituation im Libanon, der nun, abgesehen von den 500 000 in Lagern lebenden Palästinensern, auch voll mit syrischen Flüchtlingen ist. Das wiederum sorge für spürbare Spannungen innerhalb des Landes. Geradezu erschreckend sei die Zukunft, die Kinder in dem kinderreichen Land hätten. Mit 15 Jahren würden Mädchen als Bräute verkauft und Jungs gerieten in das Visier terroristischer bzw. militärischer Anwerber. Aber auch Christen hätten Massaker an Muslimen verübt. Fotos von katastrophalen hygienischen Bedingungen in Flüchtlingslagern standen neben städtischen Impressionen, einen Mausklick von kulinarischen Delikatessen oder baulichem Weltkulturerbe entfernt. Verstörender Abwechslungsreichtum auf 10 452 Quadratkilometern. Ein bekanntes Zitat könnte den Besuchern dazu besonders im Gedächtnis geblieben sein: "Wer die Geschichte des Libanon begreift, hat sie nicht genau studiert."