Endlich heißt wertvoll

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Ivonne Schug ist gern in der Natur. Auch ihr Blick darauf habe sich mit dem Engagement beim Hospizverein verändert, sagt sie. Foto: R. Popp
Ivonne Schug ist gern in der Natur. Auch ihr Blick darauf habe sich mit dem Engagement beim Hospizverein verändert, sagt sie. Foto: R. Popp

Mit einem guten Gefühl zwischen Leben und Tod? Warum sich eine junge Mutter zur ehrenamtlichen Hospizhelferin ausbilden lässt - Antworten voller Lebensfreude.

Grenzerfahrungen sind unser Thema - in der Sterbebegleitung gibt es solche wohl jeden Tag. Wie fühlen sich dieses Begegnungen zwischen Leben und Tod an, was machen sie mit einem? Und was sind das für Persönlichkeiten, die sich dem freiwillig aussetzen, heutzutage, wo der Tod gerne verdrängt wird?

Beim Hospizverein Lichtenfels stehen derzeit 35 Männer und Frauen dafür zur Verfügung. Die Jüngste von ihnen ist Ivonne Schug, 33 Jahre alt. Sie wohnt in einem Stadtteil von Bad Staffelstein.

Natürlich hatte sie schon vor ihrer Entscheidung für dieses Ehrenamt mit dem Tod zu tun, nicht mehr oder weniger als viele andere auch. Den geliebten Uropa tot in seinem Zimmer sitzend gefunden. Sprachlos habe sie das zunächst gemacht, erzählt sie, aber nicht traumatisiert. Wie ist das Sterben, was geht in Sterbenden vor? Diese Frage beschäftigte sie, angestoßen durch das Lesen eines Buches in der Zeit, als sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes zuhause war.

Der Kontakt zum hiesigen Hospizverein kam schließlich über Umwege zustande. Der Bedarf an Helfern ist groß, bestätigt Sabine Schramm, die dort seit zehn Jahren als Koordinatorin tätig ist. Seither habe sich die Inanspruchnahme deutlich gesteigert. Nahezu doppelt so viele ehrenamtliche Helfer werden heute eingesetzt.

Ob jemand für die Aufgabe geeignet erscheint, wird zunächst in einem Kennenlerngespräch ermittelt. Dann folgt eine Ausbildung in 120 Unterrichtseinheiten. Kein Frontalunterricht, sondern ein intensives Auseinandersetzen in kleiner Runde mit einem Thema, das jeden betrifft: Wie geht man würdevoll mit einem sterbenden Menschen um?

Nach diesen Lektionen ohne Patentrezepte und zwei Einsätzen auf Vermittlung des Vereins weiß Ivonne Schug, dass sie nicht mehr zurück in die Bank möchte, wo sie gearbeitet hatte - und das sehr gern, wie sie betont. "Es war ein schöner Beruf." Aber dabei habe man die Menschen als Kunden zu sehen, sie zu typisieren. Heute sehe sie das viel differenzierter. "Ein Mensch ist viel mehr. Diese Vielschichtigkeit hat mir gefehlt."

Mit einem Studium der allgemeinen Pädagogik hat sie vor eineinhalb Jahren einen Weg eingeschlagen, von dem sie sich neue Möglichkeiten erhofft. Für die Hospizarbeit bringt sie weiterhin ihre Freizeit ein. Bei den Sterbenden haben sie sich zu keiner Zeit fehl am Platz gefühlt, auch wenn sie nicht mehr direkt mit ihren kommunizieren konnte, sagt sie. Man brauche sich nicht die Frage zu stellen, was es bringt, müsse keine Probleme lösen oder etwas planen. "Einfach da sein, es hinnehmen. Das gibt auch mir sehr viel." Hat sie selbst keine Angst mehr vor dem Tod oder dem Verlust eines geliebten Menschen? Doch, sagt Ivonne Schug. Die Auseinandersetzung damit habe ihr aber geholfen, dieses Thema nicht zu groß und nicht zu klein werden zu lassen, einen natürlichen Umgang damit zu finden. Dabei relativierten sich dann auch alltägliche Ängste und Sorgen. Sie habe zudem gemerkt, wie sehr ihr ihr Glaube im Leben helfe. "Er gleicht das aus, was man nicht weiß."

Insgesamt habe sich für sie ziemlich viel verändert seit dieser Ausbildung zur Hospizbegleiterin, findet Ivonne Schug. Vor ihr auf dem Tisch brennt eine Kerze und an der Lampe baumeln bunte Basteleien der Kinder. Sie hält es für dumm, Dinge aufzuschieben, die man gerne tun würde, woran man Spaß hat. Sie möchte mit den Menschen, die ihr lieb sind, im Reinen sein. Sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein, mache alles andere wertvoller.

Über den Hospizverein Lichtenfels

Gegründet: 1996 in Lichtenfels; amt. Vorsitzende (Stellv.) Dr. Andrea Starker Einsatz für ein Leben in Würde bis zuletzt, Beistand und Begleitung Sterbender und/oder deren Angehöriger bzw. Trauernder Mitglieder 206; ehrenamtliche Helfer mit Ausbildung: 35; zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen für Koordination und Beratung (1 Vollzeitstelle, refinanziert über die Krankenkassen) Aktuelles Letzte-Hilfe-Kurs: offenes Angebot für jedermann, Termin 22. November, 17.30-21.30 Uhr (Anmeldung bis 15. Nov.), weiterer Termin im März Kontakt Büro im Pabstenweg 11, Tel. 09571/759393