Eine Republik, zwei Denkmäler

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Das Denkmal in der Unteren Sandstraße bedauert den Kriegsausgang, gleichzeitig findet sich zwischen den Zeilen ein Anklang an die Dolchstoßlegende. Markus Häggberg
Das Denkmal in der Unteren Sandstraße bedauert den Kriegsausgang, gleichzeitig findet sich  zwischen den Zeilen ein Anklang an die Dolchstoßlegende. Markus Häggberg
Was wirkt, wie ein religiöses Marterl, wurde als Begrüßung des Hitlerschen Aufstiegs errichtet.Markus Häggberg
Was wirkt, wie ein religiöses Marterl, wurde als Begrüßung des Hitlerschen Aufstiegs errichtet.Markus Häggberg
 
Hans Diroll, ein viel besprochener Mann des Abends und Lichtenfelser Landtagsabgeordneter in den 20er Jahren. Markus Häggberg
Hans Diroll, ein viel besprochener Mann des Abends und Lichtenfelser Landtagsabgeordneter in den 20er Jahren. Markus Häggberg
 

Bezirksheimatpfleger Günter Dippld referierte über die Geschichte der Weimarer Republik und spannte den Bogen von einem Gedenkstein zum anderen.

Es begann bei einem Denkmal und endete 60 Meter daneben. Keine Frage, es gab eine zielführende Dramaturgie hin zu einer Schlussfolgerung in dem Vortrag, welchen Bezirksheimatpfleger Günter Dippold in der ehemaligen Synagoge hielt. Ausgangs- und Endpunkt des CHW-Vortrags waren Gedenksteine, dazwischen lag die Erhellung einer kurzen Epoche und von heimischer Warte aus: "Lichtenfels in der Weimarer Republik."

In der Unteren Sandstraße steht ein Gedenkstein, der entlarvend ist. Der Lichtenfelser Baumeister Hans Diroll hat ihn 1919 dort errichten lassen. Der Stein beklagt die Niederlage im Ersten Weltkrieg und spricht in der zweiten Strophe einen schädlichen Wahn im eigenen Land an, der am Elend beteiligt gewesen sei. Ein Verweis auf das Billigen der Dolchstoßlegende? Sie war nur eine Zutat der Gesamtlage im Reich, in Bayern und in Lichtenfels.

Abgeordneter aus Lichtenfels

Auf zehn eng beschriebenen Manuskriptseiten beleuchtete Dippold für den Geschichtsverein CHW (Colloqium Historicum Wirsbergense) die erste demokratische Republik in Deutschland, was eineinhalb Stunden in Anspruch nahm. Doch dass auch gegen Ende des Vortrags subtile Witze von den zahlreich erschienenen Zuhörern noch mit nahezu geschlossener Heiterkeit quittiert wurden, legt die Vermutung nah, dass das Publikum trotz Dauer auf der Höhe des Gesagten blieb - ein Gütesiegel.

Einer, zu dem es etwas zu sagen gab, war eben auch jener Hans Diroll, der "noch im öffentlichen Bewusstsein" steht, weniger durch sein einstiges Wirken als Lichtenfelser Landtagsabgeordneter für die Bayerische Volkspartei (BVP) zwischen 1919 und 1924, mehr durch die nach ihm benannte Straße, welche wiederum auf seinen Bauunternehmungen in Friedhofsnähe gründet. Auch zeichnete er verantwortlich für den Aussichtsturm und für Hoch- und Tiefbauten der Bahn.

Das Neue an dem Gremium, in welchem er saß, war ab 1918, dass es sich auch für Frauen öffnete. Sie erhielten aktives und passives Wahlrecht. Dem Bayerischen Landtag von 1920 gehörten gegenüber 152 Männern sechs Frauen an. In den 20-köpfigen Lichtenfelser Stadtrat sollte es laut Dippolds Recherchen vor 1933 nur eine Frau geschafft haben.

Übergriffe auf Andersdenkende

Aus Quellen wie dem "Staatsarchiv Bamberg, verschiedenen Zeitungen und ein klein bisschen auch dem Stadtarchiv", so Dippold gegenüber unserer Zeitung, verdichtete er das Bild einer Zeit, die auch Gewalt barg. Bekannt sind die Übergriffe der aufkommenden Nationalsozialisten auf politisch Andersdenkende. Dass solche Übergriffe nicht nur in München oder Berlin, sondern auch bei einer Saalschlacht in der Schney stattfanden und hier auch noch für reichsweites Aufsehen sorgte, schilderte Dippold.

Am 30. September 1929 provozierte der Bayreuther Parteiführer der NSDAP, Hans Schemm, Gewalttätigkeiten gegen SPD-Mitglieder. "Nach Mitteilung von Augenzeugen hat sich die SA (Coburg) als eine im Saalkampf ausgebildete Truppe gezeigt. Sie ging Mann an Mann vor, indem sie mit der einen Hand zum eigenen Schutze Stühle und Tische vorhielt und mit der anderen Hand kämpfte."

Für die Machtergreifung

Eineinhalb Stunden zwischen Einblicken zu strukturellen Prozessen weg vom Kaiserreich und hin zur Demokratie und schließlich zur Diktatur, zur vielfältigen Parteienlandschaft in der Weimarer Republik und heimischen Ablegern sowie Tragödien.

Am Ende war man bei dem Vortrag des CHW, der laut des neuen Bezirksgruppenleiters Ulrich Sünkel daran kratze, vom zweitgrößten Geschichtsverein Bayerns zum größten zu werden, wieder bei einem Gedenkstein. Abermals in der Unteren Sandstraße befindlich, abermals von Diroll initiiert. Nun aber, 1933, die Machtergreifung Hitlers begrüßend.